Janina Kić geb. 1926 hat Zeit ihres Lebens in Izbica gewohnt. Sie erinnert sich an die deutsche Besetzung. J. Kić starb 2005.

Ich wurde in Równy im Gebiet Wołyń geboren, aber meine gesamte Familie stammt aus Izbica. Mein Vater war Soldat unter Piłsudski und als Anerkennungsbeweis bekam er Arbeit in den Kresy. Er arbeitete bei der Bahn. Deswegen lebte auch die Familie meines Vaters in Wołyń und ich bin dort geboren. Mein Vater erkrankte im Jahr 1939 schwer und genau einen Monat vor Ausbruch des Krieges, am 1. August 1939 kehrten wir nach Izbica zurück. Hier hatten meine Eltern ein Haus. Es stand hinter dem Gemeindegebäude. Im September 1939 fielen zwei Bomben auf Izbica. Eine tötete eine Frau mit ihrem Kind an der Straßenkreuzung, und die zweite fiel auf unser Haus und so verloren wir uns Hab und Gut. Eine Zeitlang wohnten wir (bis die Deutschen uns dort hinauswarfen) im Gemeindehaus.
Izbica war vor dem Krieg fast vollständig ein jüdisches Städtchen. Das sah etwa so aus, dass hier 2-3 Tausend Juden lebten und keine Tausend Polen. Das gesamte Zentrum Izbicas war jüdisch. An der Hauptstraße war eine Apotheke, die einer polnischen Familie gehörte, der Rest waren jüdische Geschäfte. Es gab sehr viele arme jüdische Familien und ein paar reichere, denen die drei Mühlen und die Gerberei gehörten. Es gab auch einige wohlhabende Kaufleute. In Izbica fand reger Handel statt. Die Polen beschäftigten sich vor allem mit der Landwirtschaft, auch wenn der meiste Grund hier der gräflichen Familie Smorczewski gehörte. Viele Polen verdingten sich auf dem Gut der Smorczewskis in Tarnogóra. Das Gut wurde von der Gräfin Smorczewska geleitet.
Ich erinnere mich, dass die Gräfin im Krieg allein mit zwei Söhnen wohnte. Den Graf gab es nicht. Ich weiß, dass die Gräfin aus Lemberg stammte. Mein Bruder, der älter war als ich, bekam im Krieg einmal den Auftrag von ihr, um nach Lemberg zu fahren, zu ihrer Mutter, um irgendwelche Dokumente zu holen. Als er zurückkehrte, schickte meine Mutter mich zum Palast, um die Gräfin zu informieren, dass die Dokumente da waren und trug mir gleichzeitig auf, ihr die Hände zu küssen. Auf dem Gut waren damals Deutsche stationiert, und die Smorczewskis bewohnten nur einen Teil des Palastes. Als ich den Palast betrat, stand die Gräfin dort mit zwei Bediensteten. Die Gräfin selber war sehr schlicht gekleidet und hatte ein Tuch auf dem Kopf, und die bediensteten Frauen sahen entschieden besser aus als sie. Ich dachte nicht lange nach und küsste einer der Bediensteten die Hand und erst dann klärte man mich auf, dass die Frau mit dem Kopftuch, dass sie die Gräfin war. Vor dem Einmarsch der Russen verließen die Gräfin und ihre Söhne zusammen mit den Deutschen ihr Gut. Nach dem Krieg wohnten sie in England. Ich weiß dies daher, weil mein ältester Bruder, der in der Armee des General Andersen war, nach dem Krieg in England wohnte und Kontakt zu der Gräfin Smorczewski hatte. Ich weiß, dass die Gräfin sehr gut mit den Juden auskam. Sie verkaufte ihnen Getreide. Die Smorczewskis besaßen Wälder und in Wólka gab es ein jüdisches Sägewerk, dem man aus den gräflichen Wäldern Holz verkaufte. Wie die Kontakte der Juden zur Gräfin im Krieg aussahen, weiß ich nicht. Die Juden waren von allem ausgeschlossen, vom Handel, vom Handwerk, ich weiß also nicht, auf welche Weise die Juden Kontakte zur Gräfin unterhielten oder ob sie auf ihrem Gut arbeiteten.
Mitte 1941 lebten bereits rund 5000 Juden in Izbica. Das waren vor allem polnische Juden und Anfang 1942 deportierten die Deutschen sie nach Bełżec. Alle hörten hier, dass die Juden nach Bełżec gebracht wurden. Bahnarbeiter hatten dies erzählt, die die Transporte beobachtet hatten. Wir hatten also quasi Informationen aus erster Hand. Das man dort Juden ermordete, das wussten unsere polnische Juden, währenddessen diejenigen aus dem Ausland, die man zu einem späteren Zeitpunkt hierher brachte, waren sich dessen völlig unbewusst, bis zu ihrem Ende. Als man begann, die polnischen Juden wegzubringen, brachten die Deutschen Juden aus Österreich, Deutschland, Tschechien und der Slowakei nach Izbica. Ein Teil der hierhin Deportierten hielt überhaupt nicht in Izbica, sondern wurde direkt weitertransportiert. Und dann haben eben die Bahnarbeiter erzählt, direkt nach Bełżec.
Diejenigen, die man nach Izbica brachte, unterschieden sich sehr von unseren polnischen Juden. Sie unterschieden sich in allem: der Kultur, dem Aussehen, der Kleidung. Sie waren sehr wohlhabend gekleidet. Sie hatten keinen Kaftan. Dafür besaßen sie elegante Koffer, Rucksäcke. Ich kannte sie gut, denn wir hatten tschechische Juden als Nachbarn.
Als unser Haus im Jahr 1939 abbrannte, wurde uns eine Wohnung in der Gemeinde zugeteilt, aber dort wohnten in einem Raum neun Personen. 1942 befahlen uns die Deutschen aus dem Gemeindehaus auszuziehen und teilten uns eine Wohnung auf dem Kulik zu, also auf der heutigen Fabrik-Straße, dort wo ich heute wohne, nur auf dem Nachbargrundstück. Meine Mutter ging mit dem Gemeindevorsteher die Wohnung besichtigen und bekam einen Schock. In dem Raum, dem man uns zuteilte, lagen in dem Moment, als meine Mutter dort hineinging, drei Leichen erschossener Juden. Mama fing bei dem Anblick schrecklich an zu schreien. Der Gemeindevorsteher befahl, die Körper auf den Friedhof zu bringen, so dass wir einziehen konnten. Es stellte sich heraus, dass unsere Nachbarn tschechische Juden waren – das Ehepaar Józef und Maria Lewi und ihre Tochter Ewa, die in meinem Alter war und mit der ich mich schnell anfreundete. Probleme mit der Verständigung gab es nicht, denn das Tschechische ist dem Polnischen sehr ähnlich. Schlechter war das mit den deutschen Juden. Mit ihnen hatten wir keinen Kontakt, den wir kannten ihre Sprache nicht. Pan Lewi war in Tschechien ein wohlhabender Mann gewesen, von Beruf war er Ingenieur. Abends saßen unsere Familien zusammen und stellten sich vor, wie es nach dem Krieg sein würde. Herr Lewi versprach uns, uns nach Tschechien einzuladen, uns das ganze Land zu zeigen und seine Besitztümer, die er dort zurückgelassen hatte. Die Familie Lewi hatte Gepäck. Ich weiß, dass sie sogar einen Pelz hatten. Sie tauschten Gold und Kleidung gegen Lebensmittel. Sie selber litten wahrscheinlich keinen Hunger, aber andere, das war eine Tragödie, denn wenn sie alles verkauft hatten, dann hatten sie nichts mehr, um sich Essen zu kaufen. Wir versuchten, unseren Nachbarn ein wenig zu helfen, aber selber hatten wir auch nicht viel. Sehr oft aß man Kartoffeln, die man auf dem Feld bei Izbica stahl. Oft kam es vor, dass es keine Kartoffeln gab. Mein Onkel, der Kontakt zu Schlachtern hatte, brachte manchmal ein wenig Rindfleisch mit und das war unser Fett.
Am schlimmsten war es mit der Hygiene. In Izbica gab es noch nicht mal eine Toilette und da sah ich, wie gut sich die tschechischen Juden zu helfen wussten. Die Tschechen bauten sich täglich so eine primitive Latrine. Sie gruben einen Graben, und legten so eine Stange darüber. So eine Toilette funktionierte den ganzen Tag. Abends schütteten die Tschechen sie wieder zu und bauten am folgenden Tag an einem anderen Platz die folgende.
Meine Brüder waren mit dem Untergrund verbunden. In der Nacht schlossen sie sich mit Herrn Lewi in seiner Wohnung ein und bauten dort irgendwelche Sachen aus Metall. Einmal schaute ich durch das Schlüsselloch und es sah aus wie Teile von Gewehrläufen. Herr Lewi war Ingenieur der Mechanik. Auf die Frage meiner Mutter, was dort so oft bei den Lewis taten, wollten sie es nicht erzählen. Sie antworteten meiner Mama, dass Herr Lewi ein sehr kluger Mann sei und dass man von ihm sehr viel lernen könne.
Kurz vor der Exekution auf dem jüdischen Friedhof, gaben die Deutschen eine Kontribution bekannt. Niemand von uns wusste, was das für eine Kontribution sein sollte, aber ganz Izbica hing mit den Verlautbarungen dieser Abgabe voll. Das war irgendwann Ende Oktober 1942. Juden sollten sie auf dem Marktplatz Izbicas sammeln. Wir gingen hin, um zu gucken, was das ist, eine Kontribution. Auf dem Marktplatz standen Juden in Viererreihen, vor dem Gebäude, das heute unfertig ist. In den Fenstern dieses Gebäudes standen Deutsche, und vor dem Eingang standen zwei Fässer. In diese Fässer warfen die Juden Wertgegenstände, Uhren und Geld. Wir sahen es uns aufmerksam an. Nach unser Rückkehr nach Hause meinte Herr Lewi zu uns, dass die Deutschen sie informiert hätten, dass für das Geld in Lublin Baracken errichtet werden, und dass die Juden aus Izbica dorthin gebracht werden. Dort werde es Werkstätten geben und Arbeit für sie. Dort werden sie auch wohnen.
Anfang November, ich erinnere mich daran sehr gut, denn auf Allerheiligen, am ersten November, fror es leicht, kamen „schwarze“ Volksdeutsche nach Izbica. Unser Haus wurde mit einem „P“ gekennzeichnet. Sie blieben bei uns und befohlen meiner Mama ihnen Essen zu bereiten. Wir hatten nichts zu essen und Mama sagte ihnen das. Einer von ihnen ging in die Stadt und brachte ein paar Scheiben Wurst mit. An die Wurst erinnere ich mich auch, denn als sie gekocht wurde, verbreitete sich im Haus so ein Geruch, an den ich mich lange nicht erinnern konnte. Eine diese Scheiben blieb am Ende über und wir dachten darüber nach, wie wir sie aufteilen konnten, um sie zu essen. Als die „Schwarzen“ sich satt gegessen hatten, gingen sie auf der ganzen Kulik herum und befahlen den Juden, schnell für die Aussiedlung zu packen. Wir halfen den Lewis packen und während des Packens schenkte mir Ewa ihren Pelz, Handschuhe und Mütze. Ich freute mich sehr, denn noch nie hatte ich einen eigenen Pelz, aber meine Freude hielt nur kurz an. Mama befahl mir, die Sachen zurückzugeben; sie meinte, die Leute würden schließlich in Baracken wohnen. Der Winter wird kommen und in den Baracken wird es bestimmt kalt sein, also war es besser, dass Ewa ihren Pelz hatte.
Man befahl allen, auf die Straße zu gehen – auf der Kulik wohnten damals 300 Juden – und hier stellten sie sich diszipliniert in Viererreihen mit ihrem Gepäck und ihren Sachen auf. Ich entschloss mich, dass ich Ewa und ihre Eltern begleitete. An die bloßen Füße zog ich Holzschuhe und schloss mich ihnen an. Ewa hielt ich an der Hand. Wir gingen bis zur Hauptstraße, hier auf der Ecke, wo es zum jüdischen Friedhof abgeht und hier befahlen die Deutschen, stehen zu bleiben und auf den Friedhof abzubiegen. Sofort begriffen sie, was das bedeutete. Ich erinnere mich an den Schrei, den unmenschlichen Schrei! Ein „Schwarzer“ schob mich zu den Juden, die schon auf den Friedhof gingen und in diesem Moment erkannte mich ein zweiter „Schwarzer“, einer von denen, die bei uns gegessen hatten. Er griff mich an den Haaren und riss mich aus der Menge. Er warf mich gegen einen Zaun, so dass ich meine Holzschuhe verlor. Plötzlich tauchte Mama auf und nahm mich heulend mit nach Hause.

Von Polen, die die Massengräber auf dem jüdischen Friedhof graben mussten, erfuhr ich, was weiter passierte. Die Juden mussten ihr Gepäck auf dem Friedhof abstellen und dort zogen sie auch ihre Mäntel aus. Auf diese Weise verlor Ewa den Pelzmantel, der doch mir hätte gehören können. Es waren zehn Polen, die dort Gruben ausgehoben hatten. Die Schüsse vom jüdischen Friedhof waren anderthalb Stunden lang zu hören. Danach wurde das Gepäck der Ermordeten in die Kirche von Tarnogóra gebracht. Es war so viel, dass man es in und vor die Kirche legte. Später brachten die Deutschen das Gepäck irgendwo hin. Nach der Exekution hing ein Gestank über dem Friedhof und die Erde bewegte sich.
Ich erinnere mich noch an eine Sache, die mit der Erschießung zusammenhing. Das war eine bekannte Geschichte in Izbica. Während der Exekution saß ein polnischer Junge auf dem jüdischen Friedhof, denn er wollte den jüdischen Leichen die Schuhe ausziehen. Die Deutschen bemerkten ihn und der Junge wurde zusammen mit den Juden erschossen und ihn ein Massengrab geworfen. Das sahen die Polen, die die Massengräber auf dem jüdischen Friedhof ausgehoben hatten. Sie benachrichtigten seine Mutter. Die Mutter bemühte sich um eine Exhumierung der Körper und es zeigte sich, dass sie weder in Izbica von Engels, noch in Krasnystaw, der Kreisstadt, die Erlaubnis dafür bekam. Am Ende regelte sie das über Lublin. Als Freiwillige für die Exhumierung meldeten sich seine Freunde, unter anderem diejenigen, die bei der Exekution anwesend gewesen waren und behaupteten, dass sie wussten, wo er begraben lag. Es sollte irgendwo an der Oberfläche des Grabes sein. An der Exhumierung nahm auch mein Bruder teil, der diesen Jungen gekannt hatte. Von zu Hause nahm er so eine Gabel mit, mit der man den Hühnern Fressen zuwarf. Ich erinnere mich, dass mich meine Mutter am nächsten Tag ins Zimmer schickte, um diese Gabel zu holen und ich sah, dass an ihr noch Reste menschlicher Körper hingen, sogar ein Auge. Ich rannte weg von dort und meine Mama machte sie erst dann sauber. Den Körper des Jungen fand man erst unter einer Lage von rund 60 anderen Körpern. Mein Bruder konnte nach der Exhumierung mehrere Tage nichts essen.
Die tschechischen Juden dachten bis zuletzt, dass sie überleben werden. Sie waren sich ihres Schicksals vollkommen unbewusst. Sie glaubten, dass wenn die Deutschen ihnen Arbeit versprachen, sie deswegen überleben. Hier, an diesem Ort, in Izbica, gab es keine Arbeit. Ich erinnere mich, dass die Deutschen im Herbst 1942 auf der Kulik ein geschlossenes Ghetto einrichten wollten. Der Stacheldraht lag schon bereit, aber wie sich herausstellte, war das nicht möglich, denn die Kulik führte zum Klinkerwerk, einer deutschen Fabrik.
Die Juden lebten in Izbica in einer großen Enge. Typhus brach aus. Ich erinnere mich nicht daran, dass irgendwo eine Typhusklinik existierte. Die Typhusklinik stand in Izbica nur den Polen offen. Jedoch gab es auf dem Grundstück, auf dem ich heute wohne, eine primitive Geburtsklinik für Jüdinnen. Dort, wo ich jetzt meinen Hof habe, stand ein altes Holzhaus. Es gab dort drei Zimmer, in denen 12 Wöchnerinnen lagen. Das war für mich ein schreckliches Erlebnis. Ich erinnere mich, dass ich eines Tages vom Brunnen zurückkam und Wasser trug. Da hörte ich zwei Schüsse. Kurz danach merkte ich, dass auf dem Hof vor der Geburtsklinik Matys stand, ein örtlicher Volksdeutscher. Er sah mich und rief, ich solle mit dem Wasser zu ihm kommen. In der Mitte des Hofs war so ein Abwasserkanal gegraben worden – ein kleiner Graben, im dem Wasser und Kloake wegfließen konnten. Ich kam näher und sah, dass Matys die Hände voller Blut hatte und dann befahl er mir, Wasser über seine Hände zu gießen. Erst da merkte ich, dass im Graben die Körper von sieben/acht Neugeborenen lagen, die Mütter standen im Fenster, heulend vor Verzweiflung. Ich hatte nur zwei Schüsse gehört, das hieß also, dass den restlichen Kindern die Köpfe an der Wand eingeschlagen worden waren.
Ich weiß, dass Matys vor dem Krieg in Izbica gewohnt hatte. Er war hier Bauer. Ein sehr religiöser Mensch, aber was er wirklich im Kopf hatte, weiß ich nicht. Wahrscheinlich war er Volksdeutscher. Außerdem gab es in Izbica den Bürgermeister Szulc. Auch er wohnte bereits vor dem Krieg in Izbica und arbeitete hier als Uhrmacher. Seine Frau war ein Mädchen von hier. Sie war ebenfalls sehr religiös, aber ob er zur Kirche ging, weiß ich nicht. Im Krieg war er auch ein Volksdeutscher. Ich erinnere mich gut an ihn, vielleicht zu gut. Er war schlank, kahl und liebte es zu trinken. Einmal schlug er im betrunkenen Zustand schrecklich meine Mutter, weil er wissen wollte, wo die Partisanen waren. Er nahm richtigerweise an, dass meine Familie mit ihnen zu tun hatte. Ich dachte, er bringt meine Mutter um. Er war betrunken, wurde müde und am Ende verließ er die Wohnung. Er setzte sich auf die Türschwelle und schlief dort ein. Ich sprang aus dem Fenster, schlich am Pfosten vorbei und rannte zum Forsthaus in Stryjów, um meine Brüder zu warnen.
Die größte Macht in Izbica hatte Engels. Sein Vertreter war Ludwik Klemm, vor dem Krieg ein Offizier der polnischen Armee in Zamość. In Izbica wohnten Leute, die vor dem Krieg gemeinsam mit Klemm in der Armee gedient hatten. Einer von ihnen war Herr Żylowski des Gemeinderats, der während des Krieges schlachtete, und mein zweiter Onkel war. Żylowski erkannte Klemm sofort, als der in deutscher Uniform auftauchte und Klemm verbot ihm, zu erzählen, dass er ihn vor dem Krieg kannte. Man organisierte auch ein Treffen von ihm mit meinem Onkel, aber Żylowski kam ihm zuvor, indem der so tat, als ob er ihn nicht kannte. Und so kam es auch.
Engels und Klemm besetzten das Gebäude, in dem sich heute die Polizeistation befindet. Engels ließ dort Arrestzellen bauen und als Baumaterial suchte er sich die schönsten jüdischen Grabsteine vom Friedhof aus. Heute befindet sich dort die Polizeigarage und soviel ich weiß, befinden sich die Grabsteine immer noch dort. Es gibt noch einen Ort in Izbica, an dem sich jüdische Grabsteine vom Friedhof befinden. Das ist das Haus beim Friedhof, und eben der Keller dieses Bauernhofs, ist mit den Grabsteinen gemauert. Das ist wahrscheinlich nur bei uns in Polen möglich, dass die Leute fremde Gräber nicht achten. Mit dem jüdischen Friedhof, das ist eine Tragödie. Es ist nicht nur so, dass er eine Müllabladestelle ist, sondern eine Frau bringt sogar ihre Kühe dorthin, wie auf eine Weide. Offiziell behauptet diese Frau, dass sie sich um den Friedhof kümmert, aber jeden Morgen schreien die Kühe in meine Fenster, die in Richtung Friedhof gehen. Die Gemeinde Izbica interessiert sich überhaupt nicht für diesen Ort, es ist also nicht verwunderlich, dass es dort voller Müll ist und die Leute dort trinken. Aber dort fand doch eine Tragödie statt und so viele Leute liegen dort begraben.
Engels war gut gebaut, und wenn er Leute ermordete, lachte er. Es machte ihm Spaß. Ich erinnere mich, wie er mit seinem Motorrad durch Izbica fuhr und mich sich selbst sprach. Er war blond und hatte blaue Augen. In Izbica war er allein. Er brachte keine Familie mit und niemand hörte davon, dass er eine Frau oder Verlobte hatte. Die Juden hatten schreckliche Angst vor Engels. Wenn er kam, flüchteten sie von der Straße. Ich erinnere mich, wie Engels eine Mutter mit ihrem vierjährigen Kind auf der Straße erschoss. Einfach so, zum Spaß. Klemm war ebenfalls ein stattlicher Mann, und er lebte auch alleine in Izbica.
Außer ihnen lebten in Izbica Volksdeutsche, die Brüder Krauze. Sie führten hier ein deutsches Restaurant. Einer von ihnen hatte eine Frau, Lula, die das Restaurant unterhielt. Meine Tante arbeitete dort in der Küche und profitierte aus dieser Tatsache. Sie nahm aus der Küche Kartoffelschalen mit und unter ihnen waren Essensreste der Deutschen versteckt. Dieses Essen war für die Familie bestimmt. Die Krauzes sprachen gut Polnisch. Sie waren Schlesier.
Vor dem Krieg hatten die Polen sehr gute Kontakte zu den Juden in Izbica, aber im Krieg verhielten sie sich sehr unterschiedlich. Es gab einen, der eigenhändig eine Jüdin tötete, weil sie goldene Zähne hatte. Er ermordete sie nur deswegen, weil der das Zahngold haben wollte. Man kann nicht sagen, dass sich die Mehrheit so verhielt. Das waren Einzelfälle, aber es gab sie.
Ich erinnere mich, dass meine Tante im Herbst 1942 ein jüdisches Kind zu sich nahm, ich jedoch musste auf es aufpassen, weil meine Tante noch nicht mal Zeit für ihre eigenen Kinder hatte. In dieser Zeit handelte sie mit Petersilie auf dem Markt um sich zu ernähren. Ich war das älteste Mädchen im Haus, Mama schickte mich also aus diesem Grund dorthin, um auf die Kinder aufzupassen, darunter auch auf das jüdische Kind.
Es war ein kleines Mädchen. Ich erinnere mich, dass die Tante sie tief eingeschläfert in einer Decke mitbrachte. Mir wurden viele Sachen nicht erzählt. Die Erwachsenen sprachen nur miteinander, aber irgendwie bekam man trotzdem etwas mit. Ich erinnere mich, dass der Vater oder Vormund dieses Kindes ein Apotheker in Zamość gewesen war, den man mit seiner ganzen Familie hierhin vertrieben hatte. Ich erinnere mich ebenfalls, dass an der Kleidung des Kindes ein Zettel befestigt war. „Das Mädchen heißt Rywka. Ich bitte sie nicht zu wecken, sie wacht von alleine auf.“ Das Kind war also speziell eingeschläfert worden. Wir nannten sie Rysia. Aus dem Grund, weil meine Tante mit ihren Kindern erst im Krieg nach Izbica zog, wusste niemand genau, wie viele Kinder sie eigentlich hatte. Davor wohnte sie in Bilgoraj, von wo ihr Mann stammte, und nach seinem Tod entschied sie sich, nach Izbica zurück zu kehren, wo ihre Familie wohnte.
Ich war sehr mit Rysia verbunden. Das war ein liebes Kind und außerdem sehr schön. Ich erinnere mich, dass sie wunderschöne Haare hatte, aber eines Tages bemerkte ich, dass sie in ihren Haaren sehr viele Läuse hatte. Wir wussten nicht, was wir dagegen machen konnten. Jemand riet uns, wir sollten ihren Kopf mit dem Talg einreiben, den wir als Fett zum Essen benutzten. Zusammen mit meiner Mutter suchten wir die Läuse. Ich erinnere mich wie heute, dass auf dem Tischchen, auf dem Rysia stand, ein kleiner Berg dieser Läuse und ihrer Nester lag.

Sofort nach der Befreiung kam Rysias Onkel nach Izbica. Ich fühlte mich sehr verbunden mit ihr. Ich weiß nicht, wie es meiner Tante ging, aber ich hing sehr an ihr, weil ich die ganze Zeit mit ihren Kindern zusammen war. Ich weiß, dass der Onkel Rysias meiner Tante etwas für sie bezahlte, denn kurz danach konnte sie mit diesem Geld nach Wrocław fahren und sich dort niederlassen. Ich weiß, dass der Onkel Adam Bromberg hieß.
Ich habe im Haus Fotokopien aus einer Zeitung, in der ein Artikel über eine Frau mit dem Namen Bromberg war, die in Schweden wohnt und deren Vater Adam Bromberg war. Sie hatte dort in Schweden einen großen Verlag und angeblich gab sie Interviews über „polnische Konzentrationslager“. Ich weiß nicht, ob das nicht meine Rysia sein könnte.