Meldungen über verstorbene Häftlinge

Die Kommandantur des KL Auschwitz ist, wie auch die der übrigen Konzentrationslager, verpflichtet, Meldungen über die Zahl der verstorbenen Häftlinge an die Amtsgruppe D zu senden. Die Kommandantur will jedoch vermeiden, durch die hohe Sterblichkeit Interesse zu wecken, zum einen bei den Zivilbehörden und in der Öffentlichkeit des nationalsozialistischen Deutschen Reiches, zum anderen im Ausland, in das Nachrichten auf illegalen Wegen gelangen. Die hohe Sterblichkeitsrate resultiert aus dem verstärkten Terror und der Einführung verschiedener Vernichtungsformen, wie den Phenolspritzen, den Erschießungen und den Tötungen durch Giftgas. Ebenso will die Kommandantur auch unerwünschte Kontrollen und Besuche Außenstehender vermeiden. Infolgedessen beauftragt sie im Jahre 1941 die Schreibstuben in den Häftlingskrankenbauten an einigen aufeinanderfolgenden Tagen, d. h. in Raten, Todesbescheinigungen auf Grund tödlich verlaufender Erkrankungen, mit Angabe des Krankheitsverlaufs und der Todesursache, auszustellen. Für alle getöteten Häftlinge werden in den Schreibstuben der Häftlingskrankenbauten Todesbescheinigungen mit fiktiven Krankheitsbeschreibungen ausgestellt. Als Todesursache darf eine von mehreren Krankheiten eingetragen werden, die ein SS-Lagerarzt festgelegt hat. Um die Spuren der Verbrechen zu verwischen, werden schon ab März 1941 bei Massenhinrichtungen die Namen der Häftlinge im Stärkebuch des Lagers an einigen aufeinanderfolgenden Tagen gestrichen. Trotz des verstärkten Terrors im Juni und in den nächsten Monaten zeigt das Stärkebuch die tatsächliche, höhere Zahl der Opfer nicht an. Deswegen wird die Zahl der Opfer nicht an den einzelnen Tagen, sondern in der Monatszusammenfassung angegeben.

Registratur

Sie befand sie im Erdgeschoss der Kommandantur. Sie enthielt verschiedene Karteien in alphabetischem System, am Leben befindliche Gefangene waren von getöteten Opfern getrennt. Die Karteien enthielten in andere Lager Verlegte und gesondert die Zigeuner, außerdem eine Kartei für Volksdeutsche. Eine besondere Kartei bestand für die Opfer der „SB“, der „Sonderbehandelten“, also durch Giftgas Ermordete.
Die jüdische Überlebende Irene Schwarz berichtet von ihrer Arbeit dort:
„Die Nachtschicht begann um sieben Uhr abends und endete um sechs Uhr morgens, genau zur Appellzeit. Jede Nacht mussten wir Totenscheine tippen. Für jeden toten Häftling musste nach speziellen Regelungen eine Karte erstellt werden. Die Todesstunde musste angegeben werden, denn die Anweisung erlaubte nur einen Todesfall in zwei Minuten, der Morgen- und der Abendappell bildete den Rahmen des Zeitplans. Die Bezeichnungen waren so mechanisch wie jene einer militärischen Zahlliste. „Um 7 Uhr 2 nach dem Abendappell starb der holländische Häftling X an Lungenentzündung. Um 7 Uhr 4 starb der polnische Häftling Y an Tuberkulose auf der Lagerstraße“ usw. usw. Die Schreiberinnen konnten jegliche Zeit und irgendeine der 34 vorgeschriebenen Krankheiten für den Tod des Opfers wählen. Üblicherweise zogen sie Herzversagen vor, weil das kurze deutsche Wort es erleichterte, die Quoten zu erfüllen. Die Karte musste akkurat ausgefüllt werden, obwohl die Information völlig falsch war. Diese Dokumente wurden mit der Unterschrift des SS- Arztes vervollständigt, und dann wurden die Telegramme mit der Nachricht vom Ableben des Häftlings versandt.

Eines Nachts Mitte Januar 1945, als sich Gerüchte verbreitet hatten, die Russen wären in Kattowitz, erhielt unser Kommando den Befehl: ‚Laßt alles liegen und begebt Euch zum Krematorium’. Ein paar SS-Leute mit einem Schlüsselbund kamen an und nahmen uns mit. Fünf Minuten später standen wir vor einem riesigen Tor. Wir hörten Schlüssel klirren, das Tor öffnete sich, und wir traten langsam ein. Ein krankhaft süßlicher Geruch füllte unsere Kehlen und Nasen. Ich fürchtete, ich würde mich erbrechen oder in Ohnmacht fallen, wir passierten jetzt die inaktive Gaskammer und traten in einen anderen Raum, der zwei große Kamine enthielt. Überall waren Schädel, Knochen, Glieder, Schmutz und stinkende Luft, jetzt begriffen wir unsere Aufgabe. Wir sollten das Beinhaus aufräumen, bevor die Befreier eintrafen. Wie wir das drei Tage aushielten, nur mit kurzen Pausen fürs Essen weiß ich nicht. Es war offenkundig, dass die Russen nahe standen. Die SS musste alle Spuren ihrer unmenschlichen Tätigkeiten verwischen. Auch Dokumente wurden auf Lastwagen verladen.“