246

Zum vorliegenden Anklagepunkt hat der Zeuge Schwarz bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 7. und 9.11.1977 folgendes ausgesagt:

Von den im Lager eingesetzten SS. Leuten erinnere er sich an einen, der von den Häftlingen Mietliczka oder Besen genannt worden sei. Dieser sei der Jüngste der im Lager tätigen SS. Leute gewesen und habe immer einen Wolfshund mit sich geführt. Diesen erkenne er auf den Bildern Nr. 5, 6 und 7 der Bildtafeln und 27 und 28 des Bildbandes wieder.

An einem arbeitsfreien Sonntag im Sommer 1944 um die Mittagszeit habe er auf dem Weg von der Küche des Lagers Jaworzno, wo er zusätzlich gearbeitet habe, zu seinem Block einen Schuß gehört, als er sich etwa in Höhe des Magazine befunden habe. Er habe sich sogleich umgeschaut und dabei in der Nähe des Bassins, das neben dem Magazin gelegen habe, den SS. Mann Mietliczka mit seinem Hund stehen sehen. Eine Waffe habe er nicht in der Hand des SS. Mannes gesehen, seine Pistole habe sich vielmehr in der Pistolentasche am Koppel befunden. Er selbst sei zu diesem Zeitpunkt etwa 15 - 20 m von diesem SS. Mann entfernt gewesen.

Neben dem SS. Mann Mietliczka sei ein Häftling am Boden gelegen. Mietliczka habe ihn selbst und noch einen Häftling, dessen Namen er nicht wisse, zu sich gerufen und ihnen den Befehl gegeben, den Häftling in die sogenannte Totenkiste am Häftlingskrankenbau des Lager Jaworzno zu bringen. Dieses habe er und der andere Haftung auch getan. Er nehme an, daß der betreffende Häftling tot gewesen sei, da er sich nicht mehr bewegt und auch geblutet habe.

Seiner Meinung nach könne auf den Häftling nur der SS. Mann Mietliczka geschossen haben, da er keinen anderen SS. Mann in der Nähe gesehen habe. Er glaube auch nicht, daß ein Wachposten von einem der um das Lager befindlichen Wachtürme geschossen habe, da in diesem Fall die Gefahr bestanden habe, daß der SS. Mann Mietliczka getroffen werde.

2. Die Aussage des von der Staatsanwaltschaft als möglicher Tatzeuge benannten Zeugen Szabtei Leszczinsky wurde bereits im Rahmen des Anklagepunktes II 1 erörtert.

In einem Fall einer angeblichen Häftlingserschießung hat der Zeuge Leszczinsky nach dem Inhalt der in der Hauptverhandlung verlesenen Niederschrift vom 19.3.1976 folgendes ausgesagt:

... „Ich habe auch einmal gesehen, und zwar als ich in der Grube arbeitete, und zwar das zweite Mal, wie Mietliczka auf dem Lagerplatz mit einer Pistole auf einen Häftling schoß. Der Häftling brach zusammen und wurde in den Krankenbau getragen. Mietliczka stand, als er schoß, nur ein paar Meter von diesem Häftling. Ich selbst habe das auf eine Entfernung von vielleicht 15 Metern gesehen. Ich stand damals auch auf dem Platz und bin gleich weggelaufen. Der Häftling war nicht von meinem Kommando. Eine genaue Erinnerung an diesen Fall habe ich nicht mehr. Was ich soeben geschildert habe, entspricht meinem heutigen Erinnerungsbild. ... Mietliczka war kein Kommandoführer, er war mehr als ein Kommandoführer. Er war, so glaube ich, ein Blockführer. Er lief immer mit einem Hund und einem Stock herum. Er hat die Häftlinge geschlagen und seinen Hund auf sie gehetzt."...

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3. Auch in diesem Fall der Anklage sieht es die Kammer aufgrund des übrigen Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht als erwiesen an, daß überhaupt ein Häftling unter den von den Zeugen Schwarz und Leszczinsky geschilderten Umständen im Lager Jaworzno erschossen worden ist.

Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß sich der von dem Zeugen Schwarz geschilderte Vorfall um die Mittagszeit an einem arbeitsfreien Sonntag im Sommer des Jahres 1944 zugetragen haben soll. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß sich nicht nur die normalerweise im Lager selbst tätigen Häftlinge, sondern der Großteil der im Lager inhaftierten 3.000 - 3.500 Häftlinge an diesem Tag im Lager aufgehalten hat. Die Kammer hält es für ausgeschlossen, daß unter diesen Umständen kein anderer der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, die im Sommer 1944 als Häftlinge im Lager Jaworzno waren, diesen Fall einer Häftlingserschießung entweder selbst beobachtet hat oder unmittelbar darauf von diesem Vorfall gehört hat. Denn mehrere in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen haben bekundet, daß die Häftlinge an den arbeitsfreien Sonntagen von den Angehörigen der Lagerkommandantur außer bei den Appellen nicht behelligt und nicht schikaniert worden sind. Unter diesen Umständen hätte die grundlose Erschießung des Häftlings mitten im Lagerbereich für alle Lagerinsassen ein besonderes Ereignis bedeutet, für das sich sicherlich jeder Häftling interessiert und über das er sich bei Mithäftlingen informiert hätte.

Unter H I 5 (vgl. Seite 349 - 354) wurde bereits auf die Aussagen der im Lager selbst tätigen Häftlinge Dr. Heller, Zejer, Smigielski, Pasikowski, Zewski, Sicinski, Dr. Braun, Glapinski, Orenbach and Dr. Novy hingewiesen. Alle diese Zeugen haben ausgesagt, im Lager selbst sei kein Häftling erschossen worden.

Auch von den unter H I 4. erwähnten Zeugen, die dem Kommando Rudolfsgrube/Nachtschicht angehört haben und sich an dem fraglichen Sonntag um die Mittagszeit im Lager aufgehalten haben, hat sich keiner an einen solchen Vorfall erinnert. Auch von den übrigen im Rahmen dieses Verfahrens vernommenen Zeugen hat sich keiner an den gleichen oder einen ähnlichen Fall einer Häftlingserschießung erinnert. Die Mehrzahl der Zeugen hat sogar ausdrücklich erklärt, im Lager selbst habe es keine Erschießungen von Häftlingen gegeben. Hier sei insbesondere auf die Aussagen der Zeugen Chaim Schuler, Wigdor Siwek, Karel Bulaty, Leon Krzetowski, Jakob Wigdor, Moritz Salz, Hersch Nowak, Bernhard Strykowski, Henry Friedmann, Abraham Korn, Ahron Schwarzbart, Frantizek Herstik, Jakob Givre, Esriel Kestenbaum Meir Sommer, Chaim Rodal, Abraham Harap, Schlomo Bermann, Sol Pachlin, Jerachmiel Janowski, Hersch Nowak, Franz Kafka und Mordechaj Goldbart hingewiesen. Alle diese Zeugen haben bekundet, sie seien im Sommer 1944 als Häftlinge im Lager Jaworzno gewesen und Augenzeugen von zahlreichen Mißhandlungen durch SS. Leute geworden. Alle diese Zeugen haben jedoch weiter ausgesagt, im Lager selbst sei kein einziger Häftling durch einen SS. Mann erschossen worden.

Bei Abwägung dieser Zeugenaussagen, insbesondere der über das Lagerleben gut informierten Zeugen Dr. Heller, Zejer, Smigielski, Pasikowski, Zewski und Sicinski mit den Aussagen der Zeugen Schwarz und Lesczczinky sieht es die Kammer nicht mit der nötigen Sicherheit als erwiesen an, daß sich der von diesen Zeugen geschilderte Fall einer Häftlingserschießung im Lager Jaworzno zugetragen hat.

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4. Im Übrigen könnte aufgrund der Aussage des Zeugen Schwarz auch dann nicht eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau in diesem Fall erfolgen, wenn sich der Vorfall so abgespielt hätte, wie ihn der Zeuge Schwarz beschrieben hat.

Denn der Zeuge Schwarz hat nach seinen ausdrücklichen Bekundungen in der Hauptverhandlung nicht gesehen, wer auf den Häftling geschossen hat. Der Zeuge wurde vielmehr auf den von ihm angeblich beobachteten Vorfall erst aufmerksam, als er in seiner unmittelbaren Nähe einen Schuß gehört hat. Allerdings hat der Zeuge dann sofort in die Richtung geschaut, aus der Schuß gekommen ist. Trotzdem hat der Zeuge keine Waffe in der Hand des bei dem Häftling stehenden SS. Mannes gesehen, diese steckte vielmehr nach der Aussage des Zeugen in dessen Pistolentasche am Koppel.

Unter diesen Umständen kann nicht mit der zu einer Verurteilung ausreichenden Sicherheit festgestellt werden, daß es dieser SS. Mann war, der auf den Häftling geschossen hat. Denn wenn dieser SS. Mann mit seiner Pistole - von einer anderen Waffe hat der Zeuge Schwarz nicht gesprochen - auf den Häftling geschossen hätte, so hätte der Zeuge Schwarz, der nur 15 - 20 Meter entfernt stand und sofort nach der akustischen Wahrnehmung des Schusses in diese Richtung geschaut hat, unbedingt noch die Waffe in der Hand dieses SS. Mannes oder zumindest das Zurückstecken der Waffe in die Pistolentasche sehen müssen. Da dies nicht der Fall war, könnte nicht ausgeschlossen werden, daß der Schuß, den der Zeuge gehört hat, von einer anderen Person abgegeben worden ist. Auch wenn der Zeuge Schwarz keinen anderen SS. Mann in der Nähe gesehen hat, bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß sich auch kein anderer SS. Mann im Lager oder auf einem der um das Lager befindliche Wachttürme aufgehalten hat und den Schuß auf den Häftling hätte abgeben können.

Schließlich hält die Kammer die Aussage des Zeugen Schwarz zu dem angeblichen Täter in diesem Fall für nicht so zuverlässig um den Angeklagten Pansegrau zu überführen. Zum einen geht die Kammer, wie bereits ausgeführt, davon aus, daß die Angaben des Zeugen Schwarz zu dem Rapportführer des Lagers Jaworzno und zu dem Angeklagten Olejak objektiv nicht richtig sind. Des Weiteren hat der Zeuge in diesem Fall davon gesprochen, der betreffende SS. Mann habe „mit seinem Hund“ dagestanden. Insoweit wurde bereits dargelegt, daß die Kammer davon ausgeht, daß die Einlassung des Angeklagten Pansegrau, er habe in Jaworzno niemals einen Hand gehabt, aufgrund des gesamten Ergebnisses der Hauptverhandlung nicht als widerlegt angesehen werden kann. Es könnte deshalb nach Auffassung der Kammer nicht ausgeschlossen werden, daß sich der Zeuge insoweit in der Person des Täters geirrt hat.

5. Hinsichtlich des Zeugen Lesczczinky wurde bereits erwähnt, aus welchen Gründen die Kammer seine in der Hauptverhandlung verlesene Aussage vor der Israel-Polizei nicht für so zuverlässig ansieht, um hierauf eine Verurteilung stützen zu können.

Nach. den Angaben, die der Zeuge Leszczinsky zum Zeitpunkt dieses angeblich vom ihm beobachteten Vorfalles gemacht hat (als ich zum zweiten Mal in der Grube war), müßte sich dieser Vorfall nicht im Sommer 1944, sondern zum Ende der Lagerzeit hin, also Ende 1944 oder Anfang 1945 zugetragen haben. Denn der Zeuge ist nach seiner Aussage vorn 19.3.1976 im Oktober 1943 nach Jaworzno gekommen, hat dann 2 - 3 Monate beim Außenkommando und dann längere Zeit in der Dachsgrube gearbeitet. Nach einem Unfall und einem längeren Krankenhausaufenthalt ist er dann wieder zum Außenkommando gekommen, von wo er dann dem Kommando der Richard-Grube zugeteilt worden ist.

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Nähere Angaben über die Dauer der einzelnen Arbeitseinsätze hat der Zeuge nach dem Inhalt der Niederschrift nicht gemacht. Danach müßte sich dieser Vorfall ereignet haben, als der Zeuge am Ende der Lagerzeit in der Richard-Grube beschäftigt war, da der Zeuge die Erschießung während seines zweiten Einsatzes in einer Grube beobachtet haben will. Als Tatzeuge für die Erschießung eines Häftlings im Sommer 1944 kommt Leszczinsky daher nicht in Frage.

Der Angeklagte Pansegrau war daher auch in diesem Punkt der Anklage freizusprechen, ohne daß es auf die *Frage, ob er im Sommer 1944 überhaupt im Lager Dienst gemacht hat, ankommt.

V Fall II 4 der Anklage (Tötung der Häftlinge Herschl und Mejr Goldbart vor der Blockführerstube):

In diesem Punkt der Anklage liegt dem Angeklagten Pansegrau zur Last, an einem nicht mehr feststellbaren Tag im Herbst 1944 die beiden Brüder Herschl und Mejr Goldbart nach der Rückkehr von der Baustelle des Kraftwerkes so geschlagen zu haben, daß beide Häftlinge in den Krankenbau hätten gebracht werden müssen. Wenige Tage später seien sie aufgrund der von dem Angeklagten Pansegrau zugefügten Verletzungen als arbeitsunfähige Häftlinge für den Rücktransport nach Auschwitz ausgewählt und dort durch Gas getötet worden.

Als Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift den Bruder der beiden angeblich von dem Angeklagten Pansegrau geschlagenen Häftlinge, den Zeugen Mordechaj Goldbart benannt.

In ihrem Schlußvortrag hat die Staatsanwaltschaft ohne nähere Begründung in diesem Anklagepunkt Freispruch beantragt.

1. Der Zeuge Mordechaj Goldbart wurde, da er einer Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge leistete, am 27. und 28. 9.1978 im Wege der Rechtshilfe durch den zuständigen Richter des Amtsgerichts Tel Aviv in Anwesenheit der gesamten Kammer vernommen. Die dabei gefertigten Niederschriften wurden in der Hauptverhandlung verlesen.

Der Zeuge Goldbart hat bei diesen Vernehmungen folgendes ausgesagt:

Er sei im Sommer 1943 als Häftling nach Jaworzno gekommen, wo er bis zur Evakuierung des Lagers geblieben sei. Während der ganzen Zeit sei er dem Kraftwerkskommando zugeteilt und im Block 1 direkt am Lagertor untergebracht gewesen. Mit ihm zusammen seien auch zwei seiner Brüder im Lager Jaworzno gewesen.

Die Namen der Angeklagten habe er in Jaworzno niemals gewußt. Von den im Lager tätigen SS. Leuten erinnere er sich an einen Losmann oder Lausmann, an einen mit Spitznamen Lapka und einen weiteren mit Spitznamen Mietla oder Besen. Für letzteren habe man auch den Spitznamen Mietliczka, was ebenso wie. Mietla „Besen“ bedeutet, benutzt.

Die Funktion des Rapportführers sei während seines Aufenthaltes im Lager von zwei verschiedenen Personen wahrgenommen worden.

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Er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob sie gleichzeitig dort .gewesen seien oder sich abgelöst hätten. Er könne sich auch nicht daran erinnern, ob beide schon im Lager gewesen seien, als er selbst dorthin gekommen sei und ob beide noch in Lager gewesen seien, als der Evakuierungsmarsch begonnen habe. Beide Rapportführer seien ungefähr gleichaltrig, ca. 28 - 30 Jahre, gewesen. Er sei nicht sicher, ob er ihre Namen damals in Jaworzno gekannt habe, jetzt könne er sich jedenfalls an ihre Namen nicht mehr erinnern.

Außer der Mißhandlung seiner beiden Brüder habe er im Lager selbst keine Tötung eines Häftlings gesehen.

Seine beiden Brüder seien außerhalb der am Tor stehenden Schreibstube geschlagen und dann in die Schreibstube hineingetrieben worden. Täter seien die beiden Rapportführer und andere SS. Leute gewesen, die er nicht näher bezeichnen könne. Seine beiden Brüder seien dann in den Krankenbau gekommen und dann im Rahmen einer Selektion noch lebend aus dem Lager weggebracht worden. Er habe sie nie wieder gesehen.

Während des Evakuierungsmarsches habe er gesehen, daß einer der beiden Rapportführer und der SS. Mann mit dem Spitznamen „Besen“ je einen Häftling erschossen hätten.

Der Rapportführer habe dabei einen tschechischen Häftling erschossen, der einen Zwillingsbruder im Lager gehabt habe. Einer der beiden Brüder habe während des Marsches zu hinken begonnen und der andere habe dann ihn selbst gebeten, zusammen mit ihm den hinkenden Häftling zu stützen. Dies habe er auch getan. Nach einiger Zeit sei einer der beiden Rapportführer gekommen, habe den hinkenden Häftling aus der Reihe gezogen und ihn unmittelbar neben ihm mit einem Gewehr erschossen.

Nach Vorhalt der Namen Lapka, Mietla und Lausmann erklärte der Zeuge Goldbart, in diesem Fall sei keiner von ihnen der Täter gewesen. Dabei blieb der Zeuge auch, als ihm vorgehalten wurde, daß er bei seiner Vernehmung durch die Israel - Polizei am 12.3.1976 nach dem Inhalt der Niederschrift ausgesagt hatte, der tschechische Häftling, der einen Bruder im Lager gehabt und den er zusammen mit diesem Bruder selbst geführt habe, sei von dem SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka von hinten mit einer Pistole in den Kopf geschossen worden.

Nach Vorhalt seiner polizeilichen Aussage vom 12.3.1976, in der er den SS. Mann mit dem Spitznamen Mietliczka allein beschuldigt hatte, seine beiden Brüder geschlagen zu haben, erklärte der Zeuge Goldbart:

... „Jetzt erinnere ich mich, daß es so gewesen ist, wie ich es damals geschildert habe. Es war so, daß da mehrere Leute bei der Sache beteiligt waren, jedoch Mietliczka der Hauptschläger gewesen ist. Auf Vorhalt, warum ich gerade vorhin keinen bestimmten SS. Mann als Schläger bezeichnet habe, möchte ich sagen, daß der „Besen“ bei den Häftlingen allgemein bekannt war und man sich gegenseitig warnte, wenn man ihn kommen sah. Es ist aber nicht so, daß ich ihn nur deshalb als Schläger in diesem Fall bezeichne, weil er sonst geschlagen hat. Vielmehr erinnere ich mich jetzt an ihn.“...

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2. Bei diesen Bekundungen den Zeugen Goldbart, der zu der Frage, wer seine Brüder mißhandelt hat, drei verschiedene Aussagen gemacht und der auch in einem anderen Fall, nämlich der Erschießung eines bestimmten Häftlings beim Evakuierungsmarsch die Täter ausgetauscht hat, sieht die Kammer seine Aussage als nicht so zuverlässig an, um hierauf eine Verurteilung stützen zu können. Auf die weiteren Fragen, ob der Zeuge Goldbart, wenn er von dam SS. Mann Mietla spricht, den Angeklagten Pansegrau gemeint hat und ob der oder die SS. Leute, die die Brüder des Angeklagten mißhandelt haben, dabei mit Tötungsvorsatz gehandelt haben, kommt es deshalb nicht mehr an.

Im Übrigen beweisen die Widersprüche hinsichtlich bestimmter Täter in der Aussage dieses Zeugen wie schwer es für einen Menschen ist, sich nach so langer Zeit noch sicher zu erinnern, selbst wenn es sich um das Schicksal naher Verwandter handelt.

Entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft war der Angeklagte Pansegrau daher insoweit freizusprechen.

VI. Fall II 5 der Anklage (Tötung eines griechischen Juden in Block 12):

In diesem Fall der Anklage wird dem Angeklagten Pansegrau zur Last gelegt, an einem arbeitsfreien Sonntag in den Block 12 gekommen zu sein und dort einen griechischen Juden so schwer mißhandelt zu haben, bis dieser an Ort und Stelle verstorben sei.

Als einzigen Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft hierzu den Zeugen Meir Shimoni benannt.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlußvortrag in diesem Falle der Anklage Freispruch für den Angeklagten Pansegrau beantragt.

Die Aussage des Zeugen Shimoni, der im Juni 1944 nach Jaworzno gekommen ist, zu dem Rapportführer des Lagers Jaworzno und zu der Person des Angeklagten Olejak wurde bereits auf Seiten 301 und 302 gewürdigt.

Zum vorliegenden Anklagepunkt hat der Zeuge Shimoni bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung am 10.11.1977 folgendes bekundet:

Er sei in einem Block untergebracht gewesen, in dem etwa 30 ganz junge Häftlinge gewesen seien. Im gleichen Raum sei auch ein älterer griechischer Jude gewesen, der bei der SS. als Kunstmaler gearbeitet habe.

An einem arbeitsfreien Sonntag seien sämtliche Häftlinge innerhalb eines Raumes in ihrem Block gewesen, als der SS. Mann Mietliczka gekommen sei. Er habe angefangen zu toben und befohlen, alle Häftlinge sollten den Block verlassen.

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Bis auf den älteren Häftling, der auf seiner Pritsche liegengeblieben sei, hätten alle anderen, auch er selbst, den Block verlassen. Von außerhalb des Blocks habe er dann gehört, wie Mietliczka den griechischen Häftling gefragt habe, warum er nicht von seinem Bett heruntergehe. Der Häftling habe darauf erwidert, er habe die ganze Nacht für die SS gearbeitet und es stehe. ihm daher zu, zu schlafen. Dann habe er von außerhalb des Blocks durch ein Fenster oder eine offene Türe gesehen, wie Mietliczka diesen Häftling mit einem Stock geschlagen habe, sodaß der Häftling zu Boden gegangen sei. Auf Veranlassung des Blockältesten sei der von Mietliczka geschlagene Häftling dann weggebracht worden, wohin wisse er nicht. Der Häftling sei nicht mehr in den Block zurückgekehrt und über das weitere Schicksal des Häftlings könne er nichts sagen.

Der SS. Mann, der den Häftling geschlagen habe, sei im Lager „Panzer“ oder „Mietliczka“ genannt worden. Er sei meistens im Lager gewesen und habe dabei fast immer einen Wolfshund mit sich geführt. In Jaworzno habe es auch einen SS. Mann mit dem Spitznamen Lapka gegeben, dem an einer Hand Finger gefehlt hätten. Dieser habe seiner Erinnerung nach keinen Hund gehabt. Er könne sich jedoch daran erinnern, daß dieser SS. Mann jiddisch gesprochen habe.

Zu Beginn seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, als die beiden Angeklagten noch im Zuhörerraum saßen, deutete der Zeuge Shimoni auf den Angeklagten Pansegrau und erklärte, das sei der Mietliczka.

Bei Vorlage der Bildtafeln sagte der Zeuge zu den Bildern 14, 15 und 16 (Angeklagter Olejak) und Bild 6 (Angeklagter Pansegrau), dies seien Bilder des SS. Mannes Mietliczka. Zu den Bildern 8 und 9 (Lagerführer Pfütze) meinte der Zeuge, dies könnten Bilder des Rapportführers des Lagers sein, er sei sich aber nicht sicher.

Bei Vorlage des Bildbandes, der ihm auch schon bei seiner polizeilichen Vernehmung am 17.3.1976 vorgelegt worden war, erklärte der Zeuge Shimoni, die Bilder 17 und 19 (Angeklagter Olejak) und 28 (Angeklagter Pansegrau) ähnelten dem Mietliczka. Bei Bild 27 (Angeklagter Pansegrau) sei er sich sicher, daß es sich um ein Bild des Mietliczka handele. Den Rapportführer des Lagers Jaworzno erkannte er bei Vorlage des Bildbandes nicht wieder.

Nach Vorhalt seiner Aussage bei der Israel-Polizei, in der er bei Vorlage des Bildbandes zu Bild 18 (Angeklagter Olejak) erklärt hatte, er sei sich sicher, daß dies der Rapportführer des Lagers Jaworzno sei, meinte der Zeuge, er sei sich damals in diesem Punkt nicht sicher gewesen. Wahrscheinlich sei seine Aussage nicht richtig niedergeschrieben worden.

Weiter bekundete der Zeuge, er habe am 2. Tag des Evakuierungsmarsches gesehen, wie der Rapportführer einen Häftling, der aus der Reihe gegangen sei und etwas an seinem Schuh gerichtet habe, erschossen habe. Nach Vorhalt seiner polizeilichen Vernehmung, in der er in diesem Fall den SS. Mann Besen als Täter bezeichnet hatte, erklärte der Zeuge, er habe bei dieser Vernehmung auch das gesagt, was er in der Hauptverhandlung sage. Er wisse nicht, was da geschrieben worden sei. Seiner Erinnerung nach sei in diesem Fall der Rapportführer der Täter gewesen.

Unabhängig davon, ob es der Angeklagte Pansegrau war, der den griechischen Juden mißhandelt hat, kann in diesem Punkt der Anklage schon deswegen keine Verurteilung wegen eines Verbrechens des Mordes oder wegen eines versuchten Verbrechen des Mordes erfolgen, da aufgrund der Aussage des Zeugen Shimoni nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, daß der betreffende SS. Mann bei der Mißhandlung des Häftlings mit Tötungsvorsatz gehandelt hat.

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Aus dieser Aussage ergibt sich auch nicht, ob der Häftling an den Folgen dieser Mißhandlung verstorben ist. Daß der Zeuge Shimoni den betreffenden Häftling nicht mehr in Jaworzno gesehen hat, bedeutet nicht, daß der Häftling an den Folgen der Verletzungen gestorben ist. Zahlreiche Zeugen haben bekundet, daß sie nach einem Aufenthalt im Krankanbau einem anderen Kommando und damit auch einem anderen Block zugeteilt worden sind.

Im Übrigen hält die Kammer die Aussage des Zeugen Shimoni zu den im Lager eingesetzten SS. Leuten nicht für zuverlässig genug, um hierauf eine Verurteilung eines der Angeklagten stützen zu können, obwohl er den Angeklagten Pansegrau zu Beginn seiner Vernehmung sofort als Mietliczka bezeichnet hat. Diese Bedenken ergeben sich neben seiner bereite erörterten Aussage zu dem Rapportführer des Lagers Jaworzno und zu der Person den Angeklagten Olejak einmal aus den verschiedenen und widersprüchlichen Angaben, die der Zeuge bei der Polizei u. in der Hauptverhandlung zu den einzelnen Bildern der Angeklagten gemacht hat. Gegen die Zuverlässigkeit des Zeugen spricht auch, daß er nicht den SS. Mann Lapka, sondern den mit dem Spitznamen Mietliczka im Lager mit einem Hund gesehen haben will.

Soweit der Zeuge meint, Lapka habe jiddisch gesprochen, ist dies, wie bereits dargelegt worden ist, nicht richtig. Es war, vielmehr der Blockführer und Kommandoführer Lausmann, der nach Aussagen mehrerer Zeugen jiddisch gesprochen hat.

Schließlich spricht gegen die Zuverlässigkeit des Zeugen Shimoni, daß er in dem Fall der angeblichen Erschießung eines Häftlings auf dem Evakuierungsmarsch in der Hauptverhandlung einen anderen Täter als bei seiner polizeilichen Vernehmung genannt hat. Diese Widersprüche in den Aussagen des Zeugen, der bei seiner Ankunft im Lager Jaworzno im Juni 1944 erst 15 Jahre alt war, begründen nach Auffassung der Kammer erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der Erinnerung dieses Zeugen.

Entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft war der Angeklagte in diesem Fall daher freizusprechen.

VII. Fall II 6 der Anklage (Tötung eines Häftlings im Lager Jaworzno):

In diesem Fall liegt dem Angeklagten Pansegrau zur Last, an einem Sonntag Ende 1943 einen Hund auf einen Häftling gehetzt und anschließend den Häftling mit einem Stock auf den Kopf geschlagen und mit den Füßen getreten zu haben. Schließlich soll er sich noch mit einem Fuß auf den Hals des Häftlings gestellt haben bis dieser erstickt gewesen sei.

Als einzigen Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft hierzu den Zeugen David Lerer benannt. In ihrem Schlußvortrag hat die Staatsanwaltschaft ohne nähere Begründung in diesem Fall Freispruch für den Angeklagten Pansegrau beantragt.

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Der Zeuge David Lerer wurde am 1.12. und 5.12.1977 in der Hauptverhandlung vernommen. Was er dabei zur Person des Angeklagten Olejak, für dessen Aufenthalt im Lager Jaworzno und seiner Teilnahme am Evakuierungsmarsch bekundet hat, wurde bereits auf Seite 273 erörtert.

Zur Person des Angeklagten Pansegrau erklärte der Zeuge Lerer zu Beginn seiner Vernehmung, als beide Angeklagten noch im Zuhörerraum des Sitzungssaales saßen, er glaube, dieser sei. der Mietliczka.

Bei Vorlage der Bildtafeln meinte der Zeuge Lerer zu Bild 7 (Angeklagter Pansegrau) er glaube, das sei der Mietliczka. Er sei sich jedoch nicht ganz sicher und habe Zweifel. Auch bei den Bildern 5 und 6 (ebenfalls Angeklagter Pansegrau) meinte der Zeuge, diese Person sei der Mietliczka. Mietliczka sei damals ein schlanker junger Mann mit blondem Haar gewesen, den er sehr oft mit einem Hund in Lager gesehen habe.

Er habe einmal an einem arbeitsfreien Sonntag Ende 1943 oder Anfang 1944 beobachtet, wie dieser Mietliczka in der Nähe der Schreibstube im Lager einen Häftling mit einem Stock geschlagen und dann noch mit den Füßen getreten habe. Anschließend habe Mietliczka zwei andere Häftlinge gerufen und diesen befohlen, „das Dreck da“ wegzunehmen. Er selbst habe den Vorfall aus etwa 30 bis 40 Metern Entfernung beobachtet. Eine Verletzung habe er an dem Häftling nicht gesehen, er habe aber einen verletzten Eindruck gemacht. Nach Vorhalt der Niederschrift über seine polizeiliche Vernehmung vom 25.3.1976 in der es heißt:

... „Und anschießend stellte er sich mit einem Fuß auf den Hals. des Häftlings.“ ...I

bekundete der Zeuge Lerer, ihm falle jetzt wieder ein, daß sich Mietliczka auch mit dem Fuß auf den Hals des Häftlings gestellt habe. Dies sei aber nur ein „bißchen“ gewesen.

Der Häftling, von dem er später erfahren habe, er habe Liebermann geheißen, sei dann in den Krankenbau gebracht worden. Liebermann sei nicht in seinem Block gewesen und er habe ihn auch nicht im Krankenbau besucht. Was aus den Häftling geworden sei, wisse. er nicht sicher. Von Mithäftlingen habe er später gehört, Liebermann sei, schwer zerschlagen gewesen, andere Mithäftlinge hätten gemeint, er sei verstorben.

Während der Zeuge zunächst geäußert hatte, er Wisse nicht, ob der betreffende SS. Mann einen Hund bei diesem Vorfall dabeigehabt habe, meinte er im weiteren Verlauf seiner Aussage dann, Mietliczka habe seinen Hund dabeigehabt. Er wisse nur nicht mehr, ob er den Hund in diesem Fall auf den Häftling gehetzt habe. In anderen Fällen habe er jedenfalls gesehen, daß Mietliczka dies getan habe. Im Gegensatz dazu hatte der Zeuge bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 25.3.1976, die ihm vorgehalten worden ist, ausgesagt, er habe gesehen, wie Mietliczka den Hund auf den Häftling gehetzt habe. Er habe weiter gesehen, wie der Hund den Häftling in die Beine und, als er sich mit den Händen gewehrt habe, auch in die Hände gebissen habe.

Bei dieser Aussage den Zeugen kann auch unter der Voraussetzung daß der Angeklagte Pansegrau der Täter in diesem Fall gewesen ist, keine Verurteilung wegen einen Verbrachens den Mordes erfolgen, auch nicht wegen einem versuchten Verbrechens des Mordes.

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Denn aus dieser Aussage kann weder festgestellt werden, daß der betreffende SS. Mann bei der Mißhandlung des Häftlings mit Tötungsvorsatz gehandelt hat noch daß der Häftling an den Folgen der Mißhandlung verstorben ist. Insbesondere hat der Zeuge Lerer seine frühere Aussage, der Häftling sei auch von dem Hund in die Beine und Hände gebissen worden und der SS. Mann habe sich fest mit einem Fuß auf den Hals des Häftlings gestellt, nicht aufrechterhalten.

In übrigen begründet auch bei diesem Zeugen die Tatsache, daß er meint, der SS. Mann Mietliczka habe immer einen Hund mit sich geführt und habe diesen auch auf Häftlinge gehetzt, erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der Erinnerung des Zeugen. Denn, wie bereits ausgeführt, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, daß der SS. Mann mit den Spitznamen Mietliczka, nämlich der Angeklagte Pansegrau, in Lager keinen Hand dabeihatte. Im Übrigen beweisen die Widersprüche in der polizeilichen Vernehmung und in der Hauptverhandlung zu der Frage, ob der SS. Mann überhaupt einen Hund dabei hatte, ob er den Hund auf den Häftling gehetzt und ob der Hund den Häftling gebissen hat, daß das Erinnerungsbild des Zeugen Lerer an diesen Vorfall nicht mehr klar und eindeutig ist. Auch die Tatsache, daß der Zeuge Lerer den Angeklagten Olejak bei Beginn des Evakuierungsmarsches im Lager Jaworzno gesehen haben will, begründet solche Zweifel.

Schließlich hat der Zeuge selbst erklärt, er habe bei den von ihm geschilderten Fällen der Mißhandlung und der Erschießung von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch - hierauf wird noch in anderem Zusammenhang eingegangen werden - bezüglich des Täters leichte Zweifel, da es schon über 30 Jahre her sei.

Auch in diesen Fall der Anklage war der Angeklagte Pansegrau daher entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft freizusprechen.

VIII. Fall II 7 der Anklage (Erschlagen eines Häftlings in Lager Jaworzno):

Auch in diesem Fall der Anklage soll der Angeklagte Pansegrau Ende 1944 zunächst einen Hund auf einen Häftling gehetzt und anschießend solange mit einem Knüppel auf den Häftling eingeschlagen haben, bis dieser tot gewesen sei.

Als direkte Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage die Zeugen Aron Pernat und Jehoschua Krawicki benannt.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlußvortrag auch in diesem Fall ohne nähere Begründung Freispruch für den Angeklagten Pansegrau beantragt.

1. Der Zeuge Aron Pernat, dar im Wege der Rechtshilfe vor dem Amtsgericht Tel Aviv in Anwesenheit der gesamten Kammer vernommen worden ist und auf dessen Aussage schon wiederholt eingegangen worden ist, hat in seiner Aussage nichts davon erwähnt, daß er gesehen habe, wie der Angeklagte Pansagrau bzw. der SS. Mann Mietliczka einen Häftling erschlagen habe. Er habe zwar gesehen, daß der Mietliczka manchmal seinen Hund auf Häftlinge gehetzt habe. Er habe auch gesehen, daß der Hund dabei Häftlinge gebissen habe. Diese Häftlinge seien aber nie an den Folgen dieser Bisswunden gestorben.

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2. Der in der Hauptverhandlung vernommene Zeuge Krawicki, auf dessen Aussage zur Person des Rapportführers bereits eingegangen wurde, hat ausgesagt, er erinnere sich aus Jaworzno an den SS. Mann Mietliczka, der immer einen großen Hund dabeigehabt habe. Diesen habe er öfters auf Häftlinge gehetzt.

Er habe einmal an einem arbeitsfreien Sonntag Anfang 1944 beobachtet, wie dieser SS. Mann, nachdem er zunächst seinen Hund auf einen Häftling namens Liebermann gehetzt habe, diesen Häftling solange geschlagen habe, bis der Häftling namens Liebermann tot gewesen sei. Er selbst und noch ein anderer Häftling seien dann von Mietliczka gerufen und beauftragt worden, „den Mist“ wegzuschaffen. Zusammen mit den anderen Häftling habe er den von Mietliczka mißhandelten Häftling in den Krankenbau gebracht. Dort sei ihnen gesagt worden, Liebemann sei nicht mehr an Leben. Er habe dann selbst diesen toten Häftling in eine in der Nähe des Krankenhaus stehende Kiste geworfen, die für die Aufbewahrung von Leichen bestimmt gewesen sei. Einen anderen Fall, in dem Mietliczka einen Häftling geschlagen habe, habe er nicht gesehen.

Demgegenüber hatte der Zeuge bei seiner polizeilichen Vernehmung von 16.3.1976 zwei Fälle geschildert, in denen Mietliczka einen Häftling mißhandelt und getötet haben soll. Der eine Fall, in den er selbst den Häftling auf Befehl des SS. Mannes Mietliczka in den Totenkasten geworfen haben will, habe sich in Herbat 1944 ereignet und der Häftling sei zuvor von den Hund des Mietliczka schwer gebissen worden. Zur Person des Opfers sagte der Zeuge bei dieser Vernehmung aus, er habe ihn nicht gekannt und könne einen Namen nicht nennen.

In einem zweiten Fall sei im Sommer 1944 ein Häftling namens Liebermann von Mietliczka schwer geschlagen worden. der Härtling Liebermann sei dann in den Krankenbau gebracht worden. Einige Tage später habe er gehört, Liebermann sei an den Folgen dieser Verletzungen gestorben.

Nach Vorhalt dieser Aussage erklärte der Zeuge, er glaube jetzt, daß er nur einen Fall der Mißhandlung eines Häftlings gesehen habe.

3. Aufgrund der Aussagen dieser beiden Zeugen kann nach Auffassung der Kammer eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau in vorliegenden Fall nicht erfolgen.

Der Zeuge Pernat hat sich an einen solchen Fall, der den Angeklagten in der Anklage zur Last gelegt wurde, bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv, auch nach Vorhalt seiner polizeilichen Vernehmung, nicht erinnert.

An der Zuverlässigkeit des Erinnerungsvermögens den Zeugen Krawicki bestehen erhebliche Bedenken.

257

So will der Zeuge den Rapportführer Olenik, womit er den Angeklagten Olejak meinte, bei dem Evakuierungsmarsch auf einen Pferd und den SS. Mann Mietliczka ihm Lager immer mit einen Hund gesehen haben. Beides ist, wie ausgeführt, nicht richtig.

Zum anderen hat der Zeuge aus zwei Fällen, die er bei seiner polizeilichen Vernehmung noch geschildert hatte, in der Hauptverhandlung einen Fall gemacht. Dies beweist, daß der Zeuge an diese Vorgänge keine so sichere Erinnerung mehr hat, um allein auf seine Aussage eine Verurteilung den Angeklagten Pansegrau stützen zu können. Auch in einem weiteren Fall, auf den im nächsten Punkt eingegangen wird, hat der Zeuge in der Hauptverhandlung eine andere Aussage gemacht als bei seiner polizeilichen Vernehmung.

Entsprechend dem Antrag Staatsanwaltschaft war der Angeklagte Pansegrau in diesen Punkt der Anklage daher freizusprechen.

IX. Fall II 8 der Anklage (Ertränken eines Häftlings im Lager Löschteich):

In diesem Anklagepunkt wird dem Angeklagten Pansegrau zur Last gelegt, an einem Sonntag in Sommer 1944 zusammen mit zwei weiteren SS. Leuten drei Häftlinge im Feuerlöschteich des Lagers ertränkt zu haben. Jeder der drei SS. Leute habe sich einen Häftling vorgenommen und den Kopf des Häftlings wiederholt und solange unter Wasser gedrückt, bis die drei Opfer ertrunken gewesen seien.

Ala einzigen Tatzeugen hat die Staatsanwaltschaft hierzu den Zeugen Jehoschua Krawicki benannt.

In ihrem Schlußvortrag hat die Staatsanwaltschaft in diesem Anklagepunkt ohne nähere Begründung Freispruch für den Angeklagten Pansegrau beantragt.

1. Der Zeuge Krawicki, auf dessen Aussage bereits im vorhergehenden Punkt eingegangen worden ist, hat dazu ausgesagt, an einem Sonntag im Sommer 1944 habe er sich in der Nähe des im Lager befindlichen Wasserbassins aufgehalten. Dabei habe er gesehen, wie sich drei Häftlinge, die er nicht gekannt habe und die nicht hätten schwimmen können, in dem Bassin befunden hätten. Von den drei am Beckenrand stehenden SS. Leuten Lausmann, Lapka und Mietliczka seien sie am Verlassen des Beckens gehindert worden.

Bevor er weggelaufen sei, habe er noch gesehen, wie diese Häftlinge an der Oberfläche des Beckens mit den Händen um sich geschlagen hätten. Er habe dann später gehört, daß diese Häftlinge ertrunken seien. Die Leichen der Häftlinge habe er nie gesehen. Er habe auch nicht gesehen, wie die Körper dieser Häftlinge bzw. ihre Leichen aus dem Becken geholt worden seien.

Im Gegensatz dazu hatte der Zeuge Krawicki bei der bereits erwähnten polizeilichen Vernehmung vom 16.3.1976 ausgesagt, er habe selbst gesehen, wie die drei SS. Leute, darunter Mietliczka, die Köpfe der Häftlinge so lange unter Wasser gedrückt hätten, bis diese ertrunken gewesen seien. Weiter habe er selbst gesehen, wie die Leichen der drei toten Häftlinge von Mithäftlingen aus dem Becken gezogen und in den Totenkasten geworfen worden seien.

258

Aufgrund der Aussage des Zeugen Krawicki, die Richtigkeit unterstellt, kann im vorliegenden Fall eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau nicht erfolgen. Denn der Zeuge Krawicki hat in der Hauptverhandlung im Gegensatz zu seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt, er habe weder gesehen wie die Häftlinge ertränkt worden seien, noch habe er ihre Leichen gesehen. Das letzte was er vor dem Weglaufen gesehen habe, sei gewesen, daß die im Becken befindlichen drei Häftlinge an der Oberfläche des Wassers mit den Händen um sich geschlagen, also noch gelebt hätten.

Im Übrigen hat die Kammer an der Zuverlässigkeit der Aussage dieses Zeugen, wie bereits erwähnt; erhebliche Zweifel.

2. Auch aufgrund des. übrigen Ergebnisses der Beweisaufnahme kann eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau in diesem Anklagepunkt nicht erfolgen.

Der bereits mehrfach erwähnte Zeuge Aron Pernat hatte zwar bei seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt, er habe selbst gesehen, wie der SS. Mann Mietliczka zusammen mit dem Rapportführer in dem im Lager errichteten Wasserbecken zwei Häftlinge ertränkt habe.

Bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht in Tel Aviv hat der Zeuge Pernat demgegenüber am 1. Tag seiner Vernehmung ausgesagt, in Jaworzno habe es überhaupt kein Wasserbecken gegeben. Am 2. Tag seiner Vernehmung hat der Zeuge dann bekundet, es habe zwar ein solches Becken gegeben, zu irgendwelchen Zwischenfällen, insbesondere zu der Tötung von Häftlingen, sei es dort aber nicht gekommen.

Entsprechend den Antrag der Staatsanwaltschaft war der Angeklagte Pansegrau daher in diesen Punkt der Anklage freizusprechen.

J) Die den Angeklagten Pansegrau zur Last liegenden Straftaten, soweit sie den Evakuierungsmarsch betreffen:

Dem Angeklagten Pansegrau wurden in der Anklage und ihm Eröffnungsbeschluß insgesamt 11 Verbrechen des Mordes zur Last gelegt, die er im Rahmen dem Evakuierungsmarsches zwischen Jaworzno und Blechhammer begangen haben soll (Anklagepunkte II 9 und II 10).

Der Angeklagte hat sich auch hierzu eingelassen, er habe während des Krieges nie einen Häftling erschossen oder sonst wie getötet.

Auf dem Evakuierungsmarsch zwischen Jaworzno und Blechhammer könne er gar keinen Häftling erschossen oder sonst getötet haben, da er mit der Bewachung der Häftlingskolonne nichts zu tun gehabt habe und nur zu Beginn des Evakuierungsmarsches zwischen Jaworzno und Myslowitz hinter der Häftlingskolonne hergegangen sei (vgl. Blatt 78 und 79).

259

Nach Durchführung der Beweisaufnahme hielt die Staatsanwaltschaft den Angeklagten Pansegrau ihm Anklage II 9 noch hinsichtlich aller 10 angeklagten Verbrechen des Mordes für überführt und hat insoweit Verurteilung beantragt. Im Fall II 10 hat die Staatsanwaltschaft ohne nähere Begründung Freispruch beantragt.

I) 1 Beginn, Dauer und Verlauf der Evakuierung der Häftlinge des Lagers Jaworzno auf der Strecke zwischen Jaworzno und dem Konzentrationslager Blechhammer, die allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, wurden bereits dargelegt (vgl. Seiten 46 - 52 und 130 - 146).

Hier sei nochmals darauf hingewiesen, daß die Evakuierung an Mittwoch, den 17.1.1945 zwischen 22.00 und 22.30 Uhr begonnen hat, nachdem in der Nacht zuvor das mitten im Lager stehende Wirtschaftsgebäude von einer Bombe getroffen worden war. Am Morgen des 18.1.1945 erreichten die Häftlinge, die in Fünferreihen marschieren mußten und links und rechts neben der Kolonne von insgesamt etwa 200 bis 250 SS. Leuten bewacht wurden, den Ort Myslowitz und im Verlauf dieses Tages das bereits verlassene Lager Laurahütte. In diesem Lager wurde eine Pause eingelegt, deren Dauer nicht genau festgestellt werden konnte. Am Nachmittag des 18.1.1945 verließen die Häftlinge dieses Lager und marschierten in Richtung Beuthen weiter. Am Rande dieser Stadt wurde im Freien am 19.1.1945 gegen 3.00 Uhr eine Pause von etwa einer Stunde eingelegt. Dann erfolgte der Weitermarsch über Gleiwitz nach Peiskretscham, das die Häftlinge an diesem Tag gegen 16.00 Uhr erreichten. In der Nähe dieser Stadt verbrachten die Häftlinge den Rest des Tages und die folgende Nacht in einer Scheune oder Lagerhalle.

Am Nachmittag des folgenden Tages (Samstag, 20.1.1945) verließ die Häftlingskolonne Peiskretscham und marschierte zunächst in nordwestlicher Richtung weiter. Nachdem die Kolonne gegen 22.00 Uhr auf russische Soldaten oder Panzerverbände gestoßen war, wurde die Marschrichtung geändert und die Häftlinge in südlicher Richtung weitergeführt. Nach einem Nachtmarsch erreichten die Häftlinge dann gegen 8.00 Uhr am folgenden Tag das Konzentrationslager Blechhammer. Die Entfernung zwischen Jaworzno und Blechhammer beträgt ca. 72 km Luftlinie.

Es wurde bereits ausgeführt, daß die Kammer aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme es als erwiesen ansieht, daß auf der Strecke zwischen Jaworzno und Blechhammer mehrere Hundert Häftlinge von den sie begleitenden SS. Leuten erschossen worden sind (vgl. Seiten 50 und 51).

Eine genaue Zahl der Opfer konnte nicht festgestellt werden (vgl. Seiten 144, 145).

2. Die Kammer geht davon aus, daß es unter den während des Evakuierungsmarsches herrschenden Umständen für die beteiligten Häftlinge sehr schwierig war, im Falle der Erschießung von Mithäftlingen den oder die Täter sicher und zuverlässig zu erkennen.

Nach Auffassung der Kammer stellte die Teilnahme an diesem Evakuierungsmarsch für alle Häftlinge eine ungeheure körperliche und seelische Strapaze dar, die in Verlauf des Evakuierungsmarsches immer größer wurde.

260

Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der physische und psychische Zustand der meisten Häftlinge, bedingt durch die schwere Arbeit in Lager und die unzureichende Ernährung, schon zu Beginn des Evakuierungsmarsches nicht gut war und im Laufe des Evakuierungsmarsches immer schlechter geworden ist.

Außer diesen auf der Häftlingsseite und damit bei den Zeugen vorliegenden Umständen wurde das Erkennen von möglichen Tätern dadurch erschwert, daß nicht nur die den Zeugen mehr oder weniger gutbekannten Angehörigen der Lagerkommandantur, sondern die gesamten 200 - 250 Wachleute des Lagers Jaworzno am Evakuierungsmarsch teilgenommen haben. Sichere Feststellungen über das Aussehen dieser SS. Angehörigen konnten nicht getroffen werden. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß sich unter diesen 200 bis 250 SS. Leuten auch einer oder mehrere befunden haben, die mit dem Angeklagten Pansegrau vom Aussehen oder der Figur her eine gewisse Ähnlichkeit gehabt haben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die SS. Leute damals Winterkleidung, das heißt Helme oder Mützen, zum Teil mit Ohrenschützern, und Mäntel getragen haben, wodurch das Erkennen bestimmter Personen ohnehin erschwert worden ist.

Daß es in den Uniformen der Angehörigen der Lagerkommandantur und der übrigen Wachmannschaften Unterschiede gegeben hat, konnte nicht festgestellt werden.

3. Die Kammer geht davon aus, daß die Einlassung des Angeklagten Pansegrau, er habe während der Evakuierung mit der Häftlingskolonne überhaupt nichts zu tun und mit ihr nur bis etwa Myslowitz Sichtkontakt gehabt, in dieser Form nicht richtig ist.

Zum einen hat der Angeklagte Pansegrau selbst bei seiner Vernehmung vom 16.8.1976 auf die Frage, ob er bis Blechhammer mitgegangen sei, folgendes geantwortet:

...“Ja, ich bin bis Blechhammer mitgegangen. Da haben wir Verpflegung geholt. Ich kann heute nicht mehr sagen, ob dort ein Lager war oder nicht. Von Blechhammer aus bin ich dann Aktentransport in Richtung Berlin gefahren. Von da ab hatte ich mit dem Evakuierungstransport nichts mehr zu tun.“ ...

Zum anderen hat auch die Ehefrau des Angeklagten Pansegrau, die Zeugin Irmgard Pansegrau, bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, daß sie auf einem Pferdewagen 2 oder 3 Tage in Sichtweite hinter der Häftlingskolonne hergefahren sei.

Daß sich der Angeklagte Pansegrau zumindest zeitweilig auch bei der Häftlingskolonne aufgehalten hat, ergibt sich zum Beispiel aus der Aussage des bereits mehrfach erwähnten Zeugen Antoni Sicinski. Dieser Zeuge hat bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, der Angeklagte Pansegrau, den er von Lager her gut gekannt habe, habe ihm auf der Strecke zwischen Jaworzno und Blechhammer bei einer Rastpause einmal Wasser zum Trinken besorgt.
Dieser Zeuge hat auch ausgesagt, er habe damals gehört, daß auch die Ehefrau des Angeklagten Pansegrau am Evakuierungsmarsch teilnehme.

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Die Kammer hat deshalb keinen Zweifel daran daß die Einlassung des Angeklagten Pansegrau und die Aussage seiner Ehefrau über die Teilnahme der Zeugin Pansegrau am Evakuierungsmarsch richtig ist.

II. Anklagepunkt II 9 (Erschießung von insgesamt 10 Häftlingen bei der Evakuierung auf der Strecke zwischen Jaworzno und Blechhammer):

In diesem Punkt der Anklage wurde dem Angeklagten in der Anklageschrift und im Eröffnungsbeschluß zur Last gelegt, Zwischen Jaworzno und Blechhammer als Angehöriger der Wachmannschaft seitlich und am Ende der Kolonne eine nicht mehr genau feststellbare Zahl von Häftlingen, mindestens aber 10, getötet zu haben, indem er die Opfer aus geringer Entfernung in den Kopf oder das Genick geschossen habe. Dabei habe es sich um Häftlinge gehandelt, die während des Marsches aus der Reihe getreten oder vor Erschöpfung zusammengebrochen seien oder nicht bzw. nicht mehr schnell genug hätten gehen können. Von diesen 10 dem Angeklagten Pansegrau zur Last liegenden Verbrechen des Mordes wurden in der Anklageschrift 6 näher konkretisiert.

Im Fall II 9 a lag dem Angeklagten zur Last, am 2. Marschtag einen Häftling, der aus der Reihe getreten sei und sich gebückt habe, um seine Schuhe zuzubinden, mit einem Schuß in den Kopf getötet zu haben. Als direkte Tatzeugen waren hierfür die Zeugen
Motek Weltfreid,
Josef Sieradzki,
David Lerer,
Lipa Dinur,
Meir Shimoni,
Israel Lior,
Schmuel Ben David und
Abraham Strykowski
benannt.

Im Fall II 9 b der Anklage lag dem Angeklagten zur Last, einen Häftling, der seitlich aus der Kolonne herausgetreten sei und sich angeschickt habe, die Notdurft zu verrichten, mit einer Pistole ins Genick geschossen und dadurch getötet zu haben.

Als direkte Tatzeugen für diesen Fall der Anklage waren die Zeugen
Mordechaj Hoffmann,
Chaim Mastbaum,
Hillel Charlupski und
David Lerer
benannt.

In Fall II 9 c lag des Angeklagten zur Last, einen neben der Kolonne an Boden sitzenden Häftling erschossen zu haben, ohne ihn vorher zum Weitergehen aufgefordert zu haben.

262

Als direkter Tatzeuge für diesen Fall war der Zeuge Schmuel Grol benannt worden.

Im Fall II 9 d lag den Angeklagten zur Last, einen nicht mehr marschfähigen Häftling aus der Kolonne herausgenommen und ihn durch Kopfschuß getötet zu haben.

Als Zeuge hierfür war der Zeuge Mordechaj Goldbart benannt worden.

Im Fall II 9 e soll der Angeklagte am 18.1.1945 zwischen Myslowitz und Beuthen den ungarischen Juden Jenoe Kleinman, der vor Erschöpfung nicht mehr habe weitergehen können, erschossen haben.

Als Tatzeugen hierfür waren die Zeugen
Jona Schwarz,
Jehoschua Krawicki und
Schmuel Ben David
benannt worden.

Im Fall II 9 f schließlich soll der Angeklagte einen während des Marsches zusammengebrochenen Häftling mit einem Pistolenschuss getötet haben.

Als direkte Tatzeugen hierfür waren die Zeugen Jakob Frenkel und Jehoschua Krawicki benannt worden.

Außerdem hat die Staatsanwaltschaft noch eine Reihe anderer Zeuge benannt, die gesehen haben sollen, daß der Angeklagte Pansegrau auf dem Evakuierungsmarsch Häftlinge erschossen haben soll. Auf die Namen und Aussagen dieser Zeugen wird im Einzelnen noch näher eingegangen werden.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme hielt die Staatsanwaltschaft den Angeklagten Pansegrau in den Fällen II 9 a, II 9 b und II 9 e für überführt und hinsichtlich der Anklagepunkte II 9 c, II 9 d und II 9 f für nicht überführt. Weiter war die Staatsanwaltschaft der Meinung, daß auch in den Fällen, in denen der Angeklagte Pansegrau nicht als überführt anzusehen sei, kein Freispruch erfolgen könne, da der Angeklagte aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung in mindestens 10 Fällen, die alle von der Anklage mitumfaßt seien, zu verurteilen sei.

Die Staatsanwaltschaft stützt ihren Antrag insoweit in erster Linie auf die Aussagen der Zeugen
Jona Schwarz,
David Lerer,
Mordechaj Hofmann,
Hillel Charlupski,
Tadeusz Lopaczewski und
Josef Szmidt.

263

Ergänzend stützte die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Verurteilung den Angeklagten Pansegrau in diesen 10 Fällen noch auf die Aussagen der Zeugen
Josef Sieradzki,
Moshe Jachimowicz,
Jehoschua Krawicki,
Motek Weltfreid,
Lipa Dinur,
Jakob Frenkel,
Schmuel Ben David,
Israel Grol,
Israel Lior,
David Burdowski und
Szabtei Leszczinsky.

III. Die Kammer hält die Aussagen der Zeugen, die den Angeklagten Pansegrau bzw. den SS. Mann mit dem Spitznamen Mietliczka mit der Erschießung von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch belastet haben, nicht für so sicher und zuverlässig, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu können. Dies gilt sowohl für die von der Staatsanwaltschaft zur Stützung ihres Antrages auf Verurteilung noch herangezogenen Zeugen wie auch für alle anderen im Rahmen dieses Verfahrens vernommenen Zeugen.

1. Die Aussage des Zeugen Motek Weltfreid (benannt zum Anklagepunkt II 9 a) zur Person den Angeklagten Olejak und zum Anklagepunkt I 1 wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 264 und 265 und 335 bis 336)

Dabei wurde bereits zum Ausdruck gebracht, daß die Kammer die Aussage des Zeugen, der den Angeklagten Olejak als 2. Rapportführer des Lagers Jaworzno in Erinnerlang hat und den er ab Anfang 1944 ständig in Jaworzno gesehen haben will und auch seine Aussage zum Anklagepunkt I 1 nicht als richtig ansieht.

Zur Frage von Häftlingstötungen auf dem Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Weltfreid bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, er könne nur über einen Häftling sprechen, der erschossen worden sei. Dies sei der Häftling Jakob Schmulewicz aus seiner eigenen Heimatstadt. Dieser Häftling sei etwas aus der Kolonne gekommen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der SS. Mann Mietliczka etwa auf Höhe des Teils der Kolonne befunden, bei dem er selbst und der Häftling Schmulewicz gewesen seien. Mietliczka habe eine Pistole in der Hand gehabt und der Häftling Schmulewicz sei von einem Schuß getroffen worden und zusammengebrochen. Den Vorgang des Schießens selbst habe er nicht gesehen. Er glaube aber, daß Mietliczka der Schütze gewesen sei, da er keinen anderen SS. Mann in der Nähe gesehen habe. Er habe noch gesehen, daß sein Freund Schmulewicz getroffen worden sei, wohin könne er nicht sagen. Ob er tot gewesen sei, könne er ebenfalls nicht sagen, auch nicht was weiter aus ihm geworden sei.

Nach Vorhalt seiner polizeilichen Vernehmung vom 15.3.1976, in der der Zeuge nach dem Inhalt der Niederschrift davon gesprochen hat, daß der SS. Mann Mietliczka einen Häftling, der aus Widawa gestammt habe, erschossen habe und daß der mit ihm befreundete Häftling Schmulewicz von dem SS. Mann Lapka erschossen worden sei, erklärte der Zeuge Weltfreid, es sei möglich, daß er es durcheinander gebracht habe.

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Nunmehr falle ihm wieder ein, daß es zwei verschiedene Fälle gewesen seien. Mietliczka habe auf den einen Häftling und Lapka auf den anderen Häftling geschossen.

Bei Abschluß der Vernehmung den Zeugen, die in Wage der Rechtshilfe am 7.5.1979 durch den zuständigen Richter des Amtsgerichts Tel Aviv erfolgte, sagte der Zeuge wiederum zuerst aus, er habe lediglich einen Fall einer Häftlingstötung auf dem Evakuierungsmarsch gesehen und Täter sei der SS. Mann Mietliczka gewesen. Dieser habe auf einen Häftling, der sich außerhalb der Kolonne gebückt habe, geschossen. dieser Häftling habe aus seiner eigenen Heimatstadt gestammt und Schmulewicz geheißen.

Nach Vorhalt seiner beiden früheren Vernehmungen bei der Israel-Polizei und im Rahmen der Hauptverhandlung erklärte der Zeuge Weltfreid dann, es habe doch zwei Fälle gegeben. Mietliczka sei der Täter im Fall den Häftlings Schmulewicz und Lapka im Fall des Häftlings aus Widawa gewesen. Es könne sein, daß man nach so langer Zeit etwas verwechselt.

Die Kammer hält diese Aussage des Zeugen Weltfreid nicht für sicher und zuverlässig genug, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau in Anklagepunkt II 9 a zu stützen.

Zwar ist davon auszugehen, daß der Zeuge Weltfreid, wenn er von dem SS. Mann Mietliczka spricht, den Angeklagten Pansegrau meint, da er den Angeklagten sowohl in Person als auch auf Bildern aus der Kriegszeit als diesen SS. Mann erkannt hat. In Bezug auf die Tötung des Häftlings Schmulewicz und des aus Widawa stammenden Häftlings hat der Zeuge jedoch bei seinen verschiedenen Vernehmungen unterschiedliche Angaben über den jeweiligen Täter bzw. das Opfer gemacht und selbst eingeräumt, daß man nach so langer Zeit etwas verwechseln könne. Außerdem stellt die Aussage des Zeugen Weltfreid, der SS. Mann Mietliczka habe auf den Häftling Schmulewicz geschossen, nur eine Schlußfolgerung des Zeugen dar, da er das Schießen selbst nicht gesehen hat. Ob diese Schlußfolgerung des Zeugen zutreffend ist, kann die Kammer nicht überprüfen.

2. Die Widersprüche in den Aussagen des Zeugen Lipa Dinur (benannt zu II 9 a) bei seinen Vernehmungen in der Hauptverhandlung in Oktober 1977 und im Dezember 1979 und insbesondere in seiner Aussage vor der Israel-Polizei im Jahre 1965 wurden bereits dargelegt (vgl. Seite 266 - 268 und 341 und 342).

Dabei wurde auch bereits darauf hingewiesen, daß die Kammer diesen Zeugen insbesondere Wegen des Inhalts seiner Aussage aus dem Jahre 1965 nicht für so zuverlässig ansieht, um auf die Aussage dieses Zeugen eine Verurteilung stützen zu können. Zur Frage der Erschießung von Häftlingen auf den Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Dinur bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung in Jahr 1977 ausgesagt, der SS. Mann mit dem Spitznamen Miotelka habe in der 2. oder 3. Nacht des Evakuierungsmarsch auf der rechten Seite der Kolonne einen Häftling mit einer Pistole erschossen.

265

Der betreffende Häftling sei etwa 10 - 15 Meter von ihm entfernt gewesen sind der SS. Mann Miotelka habe sich in unmittelbarer Nähe dieses Häftlings befunden. Obwohl es Nacht gewesen sei, sei es doch so hell gewesen, daß er den Täter habe erkennen können.

Bei seiner 2. Vernehmung in der Hauptverhandlung im Jahr 1979 hat der Zeuge Dinur ergänzend dazu noch ausgesagt, der Vorfall sei in der 2. Nacht des Evakuierungsmarsch gewesen und er habe den Täter deswegen erkennen können, weil der Mond geschienen habe.

Bei seiner schon erwähnten Vernehmung aus dem Jahre 1965 durch die Israel-Polizei hat der Zeuge Dinur ausgesagt, während des Evakuierungsmarsch seien mehr als die Hälfte der Häftlinge aus Jaworzno von der Begleitmannschaft erschossen worden. Nach der Ankunft im Lager Blechhammer seien die Häftlinge zunächst in Baracken getrieben worden, Die dann angezündet worden seien. Gleichzeitig sei von den SS.Leuten in diese Baracken hineingeschossen worden. Dabei seien nochmals etwa die Hälfte der in Blechhammer angekommenen Häftlinge erschossen worden.

Weiter sagte der Zeuge Dinur dann nach dem Inhalt dieser Niederschrift aus:

... „Ich kenne keine Namen von Deutschen, die bei diesem Massaker teilgenommen haben.“...

Diese Aussage. des Zeugen Dinur beweist, daß er sich im Jahr 1965 weder an den Angeklagten Pansegrau bzw. an den SS. Mann mit dem Spitznamen Miotelka erinnert hat, noch daran, daß speziell dieser Mann auf dem Evakuierungsmarsch einen bestimmten Häftling erschossen hat.

Im Übrigen hat die Kammer Zweifel daran, ob es einem Häftling während der Nächte des Evakuierungsmarschs überhaupt möglich war, einen bestimmten SS. Mann sicher zu erkennen, wenn er 10 oder 15 Meter von diesem Häftling entfernt war. zu Insoweit wird auf die Ausführungen zu der Aussage des Zeugen Ryz (Seite 372) und auf die allgemeinen Ausführungen auf Seite 428 hingewiesen.

Die Kammer sieht deshalb die Aussage des Zeugen Dinur nicht als geeignete Grundlage für eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau an.

3. Die Aussage des Zeugen Josef Sieradzki (benannt zu II 9 a} zur Person des Angeklagten Pansegrau bzw. zu dem SS. Mann mit dem Spitznamen Mietliczka wurde bereits erläutert (vgl. 388 und 397 - 400). Dabei wurde auch darauf hingewiesen, daß die Kammer bei der Aussage dieses Zeugen es nicht als erwiesen ansieht, daß der Zeuge, wenn er von Mietliczka spricht, tatsächlich den Angeklagten Pansegrau meint.

Soweit der Zeuge Josef Sieradzki deshalb den SS. Mann mit dem Spitznamen Mietliczka beschuldigt am 2. oder 3. Tag des Evakuierungsmarsch einen Häftling seitlich der Kolonne erschossen zu haben, sieht es die Kammer nicht als erwiesen an, daß in diesem Fall der Angeklagte Pansegrau der Täter war.

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4. Die Aussage des Zeugen Moshe Jachimowicz zur Person des Angeklagten Olejak und zum Anklagepunkt II 1 wurde bereits dargelegt (vgl. 268 und 269, 388 und 389, 397).

Zur Person des Angeklagten Pansegrau hat der Zeuge Moshe Jachimowicz zu Beginn seiner Vernehmung, als der Angeklagte Pansegrau noch im Zuhörerraum den Sitzungssaales saß, gemeint, dieser könne der SS. Mann Pansegrau sein, der von den Häftlingen Mietliczka genannt worden sei.

Weiter hat der Zeuge ausgesagt, Pansegrau sei beim Evakuierungsmarsch dabei gewesen. Er habe auch auf Häftlinge geschossen. Er könne sich aber an keinen konkreten Fall einer Erschießung erinnern.

Die Aussage dieses Zeugen, der in der Hauptverhandlung einen sehr guten Eindruck hinterlassen hat, stellt zwar eine Erhebliche Belastung des Angeklagten Pansegrau dar. Da sich der Zeuge jedoch an keinen Einzelfall erinnert und somit nicht angeben konnte, bei welcher Gelegenheit und unter welchen Umständen er den Angeklagten Pansegrau beim Schießen auf Häftlinge erkannt haben will, sieht die Kammer die Aussage des Zeugen Moshe Jachimowicz nicht für sicher und zuverlässig genug an, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau stützen zu können.

5. Zur Aussage des Zeugen Jehoschua Krawicki (benannt zu den Anklagepunkten II 9 e und II 9 f) zur Person des Angeklagten Olejak, zur Dauer von dessen Aufenthalt in Jaworzno, zu seiner Teilnahme am Evakuierungsmarsch und zu den Anklagepunkten I 2 und II 7 und II 8 wurde bereits Stellung genommen (vgl. 270, 355 und 356, 421 und 422, 424 und 425).

Hierbei wurde schon auf die Widersprüche in der Aussage des Zeugen Krawicki in der Hauptverhandlung und vor der Israel-Polizei hingewiesen. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, daß die Aussage des Zeugen, er habe den Rapportführer Olejak während des Evakuierungsmarsch auf einem Pferd reiten sehen, nicht richtig ist.

Zur Frage der Erschießung von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch hat der Zeuge Krawicki bei meiner Vernehmung in der Hauptverhandlung bekundet, während des Marsches sei ständig auf die Häftlinge geschossen worden. Er habe sowohl den auf einem Pferd reitenden Rapportführer als auch den SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka dabei beobachtet, wie sich mit automatischen Waffen und Pistolen auf die Häftlinge geschossen hätten. Wie viele Häftlinge Mietliczka dabei erschossen habe, könne er nicht sagen. An Einzelfälle könne er sich nicht erinnern und er könne deshalb insoweit keine Angaben machen.

Nach Vorhalt seiner Aussage vor der Israel-Polizei vom 13. 3.1976, in der er nach der Niederschrift gesagt hat, er könne sich hinsichtlich des SS. Mannes Mietliczka an zwei konkrete Einzelfälle erinnern, die er auch genau mit Zeit- und Entfernungsangaben beschrieben hat, erklärte der Zeuge Krawicki, er wisse nicht, wie es zu dieser Niederschrift gekommen sei. Er bleibe dabei, daß er sich an keinen Einzelfall einer Häftlingserschießung erinnern könne.

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Angesichts der zahlreichen Widersprüche in den beiden Aussagen des zeugen Krawicki in der Hauptverhandlung und vor der Israel-Polizei sieht die Kammer die Aussage dieses Zeugen nicht als so sicher und zuverlässig an, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau im Anklagepunkt II 9 stützen zu können.

Gegen eine sichere Erinnerung des Zeugen spricht daneben weiter daß er den Angeklagten Olejak - als einziger Zeuge - auf einem Pferd beim Evakuierungsmarsch gesehen haben will, obwohl Olejak nach dem gesamten Ergebnis der Hauptverhandlung an diesem Evakuierungsmarsch überhaupt nicht teilgenommen hat.

Schließlich sieht es die Kammer nicht als nachgewiesen an, daß der Zeuge Krawicki, wenn er von dem SS. Mann Mietliczka spricht, tatsächlich den Angeklagten Pansegrau meint. Denn der Zeuge hat zur Person dieses Mietliczka ausgesagt, dieser sei der einzige SS. Mann in Jaworzno gewesen, der einen Hund gehabt habe. Der SS. Mann Lapka, dem an einer Hand Finger gefehlt hätten, habe keinen Hund gehabt.

Es wurde schon ausgeführt, daß es sich bei diesem Lapka um den SS. Mann Paul Kraus gehandelt hat, der - außer dem Lagerführer - als einziger Angehöriger der Lagerkommandantur in Jaworzno meistens einen Hund mit sich geführt hat. Unter diesen Umständen kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß der Zeuge Krawicki zum Zeitpunkt seiner Vernehmung zwischen diesen SS. Leuten in seiner Erinnerung nicht mehr sicher unterscheiden konnte.

6. Zur Aussage dos Zeugen Jonah Schwarz (als einziger Tatzeuge zum Anklagepunkt II 9 e benannt) zur Person des Rapportführers bzw. des Angeklagten Olejak, zur Person des Angeklagten Pansegrau und zu einer angeblichen Erschießung eines Häftlings ihm Lager (Fall II 3) wurde bereits wiederholt Stellung genommen (vgl. 298 - 301, 403 - 404, 405 - 407).

Dabei wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Kammer sowohl die Angaben dem Zeugen Schwarz zur Person des Angeklagten Olejak und auch zur Erschießung dieses Häftlings im Lager aufgrund des übrigen Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht als richtig und erwiesen ansieht.

Zu der dem Angeklagten Pansegrau zur Last liegenden Erschießung des Häftlings Jenoe Kleinman während des Evakuierungsmarschs hat der Zeuge Schwarz folgendes bekundet:

Nach dem Abmarsch aus dem Lager Jaworzno, der abends zwischen 23.00 und 24.00 Uhr erfolgt sei, seien die Häftlinge die ganze Nacht durchmarschiert. In der Frühe des nächsten Tages, als es schon hell gewesen sei, habe man den Ort Myslowitz erreicht, wo in einem Hof eine Rast eingelegt worden sei. Mittags gegen 13.00 oder 14.00 Uhr sei der Weitermarsch erfolgt.

In der Pause in diesem Hof habe er den Mithäftling Kleinman getroffen, der im gleichen Haus wie er selbst geboren und dessen Pate sein, des Zeugen, Vater gewesen sei. Kleinman habe ihm gesagt, er habe keine Kraft zum Gehen mehr, er solle ihm doch helfen.

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Er habe dann den Kleinman eine zeitlang mitgezogen, vielleicht 2 - 3 Stunden lang. Sie seien damals beide auf der rechten Seite der Häftlingskolonne gegangen. Kleinman sei dann aus der Kolonne herausgegangen, während er selbst weitermarschiert sei. Als er sich nach Kleinman umgedreht habe, habe er gesehen, wie der SS. Mann Mietliczka zu Kleinman gegangen und aus einer Entfernung von ca. 1 Meter mit einer Maschinenpistole eine Salve auf ihn abgegeben habe. Mietliczka sei zu diesem Zeitpunkt etwa 10 - 20 Meter von ihm, dem Zeugen, entfernt gewesen. Da es noch nicht dunkel gewesen sei, habe er das Gesicht des SS. Mannes Mietliczka genau erkennen können, obwohl dieser eine Mütze aufgehabt habe.

Beim Umdrehen nach Kleinman sei er selbst ganz kurz, ca. 1 Sekunde stehengeblieben. Dabei habe er das Gesicht des betreffenden SS. Mannes gesehen. Wohin Kleinman getroffen worden sei, könne er nicht sagen. Kleinman sei jedoch blutüberströmt am Boden gelegen. Mehr habe er nicht sehen können, er habe ja selbst weitergemusst. Kleinman sei durch die Schüsse sicherlich getötet worden, da er nach dem Kriege nicht mehr nach Hause gekommen sei. Mietliczka habe ihn dann selbst beim Weitermarsch Überholt, vorauf er etwas zurückgeblieben sei, um nicht in der Nähe von Mietliczka bleiben zu müssen.

Dieser Vorfall habe sich etwa in der Mitte zwischen Myslowitz und Beuthen, wohin die Häftlinge zwischen 16.00 und 17.00 Uhr gekommen seien, ereignet. In Beuthen sei dann bis gegen 22.00 Uhr in den Straßen der Stadt eine Pause eingelegt worden.

Zur Aussage dieses Zeugen ist zunächst zu bemerken, daß sich der Vorfall mit dem Häftling Kleinman nicht am Nachmittag des 1. Marschtages, sondern am frühen Abend dieses Tags, ereignet hat. Der Zeuge Schwarz hat ausgesagt, er habe seinen Freund Kleinman während der 1. Pause des Evakuierungsmarschs auf einem Hof getroffen. Diese erste Pause auf einem Hot fand nicht, wie der Zeuge Schwarz meinte, in Myslowitz, sondern in dem bereits verlassenen Lager Laurahütte statt. Der Weitermarsch aus diesem Lager erfolgte, wie bereits ausgeführt wurde, erst am Nachmittag dieses Tages gegen 16.00 Uhr und nicht schon, wie der Zeuge Schwarz bekundet hat, zwischen 13.00 und 14.00 Uhr (vgl. Seite 138).

Selbst wenn an die weitere Zeitangabe des Zeugen der Vorfall mit Kleinman habe sich 2 - 3 Stunden nach dem Verlassen dieses Hofes ereignet, kein allzu strenger Maßstab angelegt wird, so ergibt sich aus dieser Angabe doch, daß der betreffende Vorfall sich erst einige Zeit nach dem Verlassen des Hofes ereignet hat. Selbst wenn man davon ausgeht, daß bis zu dem Vorfall nur eine Stunde und nicht 2 - 3 Stunden wie der Zeuge meinte, vergangen sind, bedeutet dies, daß sich der Vorfall bereits in der Dämmerung oder gar schon in der Dunkelheit ereignet hat.

Hieraus ergibt sich, daß das Erkennen des SS. Mannes oder der SS. Leute, die sich zum Zeitpunkt der Abgabe des Schusses in der Nähe des Häftlings Kleinman aufgehalten haben, schon allein wegen der schlechten Lichtverhältnisse für den Zeugen Schwarz sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich war.

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Dazu kommt noch, daß sich der ganze Vorfall nach der Aussage des Zeugen Schwarz hinter ihm in einer Entfernung von 10 - 20 Metern abgespielt und der Zeuge nur kurze Zeit zurückgeschaut hat. Weiter kommt hinzu, daß der betreffende SS. Mann nach den Bekundungen des Zeugen Schwarz eine Mütze getragen hat, wodurch ein sicheres Erkennen nochmals erschwert worden ist.

Unter diesen gesamten geschilderten Umständen sieht die Kammer die Aussage des Zeugen Jonah Schwarz nicht als so sicher und zuverlässig an, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau im Anklagepunkt II 9 e stützen zu können.

Auch bei diesem Zeugen kommt im Übrigen noch hinzu, daß er den SS. Mann Mietliczka, den er in diesem Fall als Täter genannt hat, im Lager Jaworzno immer mit einem Hund gesehen haben will. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann, wie bei anderen zeugen bereits ausgeführt wurde, eine Verwechselung nicht ausgeschlossen werden.

7. Zur Aussage des Zeuge Meir Mosche Shimoni zur Person den Angeklagten Olejak bzw. zu dem Rapportführer des Lagers Jaworzno sowie zum Anklagepunkt II 6 wurde bereits Stellung genommen. (vgl. Seite 301 - 302 und 413 - 417).

Auf die Frage nach Erschießungen von Häftlingen auf dem Evakuierungsmarsch erklärte der Zeuge, er habe dabei viele Leichen gesehen und auch beobachtet, wie auf Häftlinge geschossen worden sei. Er erinnere sich, daß am 2. Tag des Evakuierungsmarsch der Rapportführer des Lagers Jaworzno auf einen Häftling geschossen habe, der aus der Reihe herausgegangen sei, um etwas an seinem Schuh zu richten.

Nach Vorhalt seiner Aussage vor der Israel-Polizei vom 17.3.1976, bei der er nach der Niederschrift ausgesagt hat, der SS. Mann mit dem Spitznamen Besen habe am 2. Tag des Evakuierungsmarsches auf einen Häftling, der sich gebückt habe, um die Schuhriemen festzumachen, geschossen, erklärte der Zeuge Shimoni, er wisse nicht, was damals geschrieben worden sei. Seiner Erinnerung nach sei in diesem Fall der Rapportführer der Schütze gewesen, nicht der SS. Mann mit dem Spitznamen Besen.

Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, daß aufgrund der Aussage dieses Zeugen eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau nicht erfolgen kann.

8. Die Aussage des Zeugen Hillel Charlupski (benannt zum Anklagepunkt II 9 b) zur Person des Angeklagten Olejak, zu dessen Anwesenheit im Lager Jaworzno und zu seiner Teilnahme am Evakuierungsmarsch wurde bereits dargelegt (vgl. Seite 269 und 270). Dabei wurde auch darauf hingewiesen, daß die Kammer die Angaben des Zeugen, er habe den Angeklagten Olejak zu Beginn des Evakuierungsmarsches im Lager Jaworzno gesehen, aufgrund des übrigen Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht als richtig ansieht.

Zur Person des Angeklagten Pansegrau hat der Zeuge Charlupski in der Hauptverhandlung folgendes bekundet:

270

Nachdem er bei Beginn seiner Vernehmung zunächst auf zwei verschiedene Vergleichspersonen gedeutet und geäußert hatte, er glaube, eine dieser Personen sei der Mietliczka ging er dann auf den Angeklagten Pansegrau zu und erklärte, diese Person sei der SS.Mann mit dem Spitznamen Mietliczka. Er sei sich jetzt ganz sicher.

Auch bei Vorlage der Lichtbilder äußerte der Zeuge zu den den Angeklagten Pansegrau darstellenden Bildern, diese Person sei der Mietliczka.

Weiter bekundete der Zeuge, dieser SS. Mann mit dem Spitznamen Mietliczka sei damals etwa 1,75 m groß gewesen und habe aus Schlesien gestammt. Er sei Kommandoführer gewesen und habe im Lager immer einen Wolfshund dabeigehabt. Von diesem SS. Mann sei er selbst einmal gegen Ende des Jahres 1944 geschlagen worden. Grund hierfür sei gewesen, daß Mietliczka bei einer Kontrolle unter seiner Kleidung einen Zementsack gefunden habe.

Während des Evakuierungsmarschs habe es viele Erschießungen von Häftlingen durch SS. Leute gegeben. Besonders erinnert er sich an einen Fall, bei dem sein Cousin Jakob Zieger erschossen worden sei. Dies sei in der letzten Nacht des Evakuierungsmarsches gewesen, und zwar weniger ale eine Stunde vor der Ankunft im Lager Blechhammer. Sein Cousin sei etwa 10 - 15 Meter vor ihm innerhalb der Kolonne gewesen. Mietliczka habe sich ganz in der Nähe seines Cousins aufgehalten. Er habe Zieger zunächst nach vorne gestoßen und dann mit einer Maschinenpistole von hinten auf ihn geschossen. Ob es eine Salve oder ein Einzelschuß gewesen sei, könne er nicht mehr sagen. Er habe Zieger dann am Boden liegen und aus einer Wunde am Hinterkopf bluten gesehen.

Er sei sich hundertprozentig sicher, daß Mietliczka in diesem Fall der Täter gewesen sei und er habe jahrelang gewartet, zu diesem Fall vor einem Gericht aussagen zu können.

Auf Vorhalt seiner Aussage vor der Israel-Polizei vom 10.3. 1976, in der es heiß:

... „Ich kann mich genau entsinnen, daß auf dem Evakuierungsmarsch ein Häftling wegen Durchfalls auf der Seite heraustreten mußte. Dieser wurde dabei durch den SS.Mann, der auf Bild Nr. 27, 28 der Bildmappe dargestellt ist, von der Seite her erschossen. Das war Mietliczka.“ ...

erklärte der Zeuge Charlupski, er sei damals nicht nach dem Namen gefragt worden. Deshalb habe er nur den Vorfall geschildert. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung meinte der Zeuge Charlupski dann, der Vorfall mit seinem Cousin Zieger habe sich nicht innerhalb, sondern außerhalb der Kolonne ereignet.

Zur Aussage dieses Zeugen ist zunächst zu bemerken, daß sich eine erhebliche Belastung des Angeklagten Pansegrau darstellt. Dennoch hält sie die Kammer nicht für sicher und zuverlässig genug, um hierauf eine Verurteilung des Angeklagten Pansegrau wegen der Erschießung des Häftlings Zieger stützen zu können.

Zunächst ist hier darauf hinzuweisen, daß dem Zeugen die Lichtbildmappe, die ihm bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 10.3.1976 vorgelegt worden ist, nach seiner eigenen Aussage in der Hauptverhandlung bereits etwa einen Monat vor dieser Vernehmung von dem zwischenzeitlich verstorbenen Zeugen Edelsberg gezeigt worden ist.

Aschaffenburg (
Auschwitz Prozess) Teil 12