Anweisung

Anweisung des Reichsführeres SS und Chef der Deutschen Polizei an alle Staatspolizeistellen zur Einrichtung von Arbeitserziehungslagern

Mit dem verstärkten Arbeitseinsatz von Ausländern und anderen Arbeitskräften in wehr- und volkswirtschaftlich wichtigen Betrieben mehren sich die Fälle von Arbeitsverweigerungen, denen im Interesse der Wehrkraft des deutschen Volkes mit allen Mitteln entgegengetreten werden muss. Arbeitskräfte, die die Arbeit verweigern oder in sonstiger Weise die Arbeitsmoral gefährden und zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit in polizeilichen Gewahrsam genommen werden müssen, sind in besonderen Arbeitserziehungslagern zusammenzufassen und dort zu geregelter Arbeit anzuhalten. Die Arbeitserziehungslager sind ausschliesslich zur Aufnahme von Arbeitsverweigerern und arbeitsunlustigen Elementen, deren Verhalten einer Arbeitssabotage gleichkommt, bestimmt. Die Einweisung verfolgt einen Erziehungszweck, sie gilt nicht als Strafmassnahme und darf als solche auch nicht amtlich vermerkt werden.

I.

Errichtung der Lager

(1)
Zur Errichtung der Lager sind ausschliesslich die Inspekteure (Befehlshaber) der Sicherheitspolizei und des SD zuständig, die auch die Art des Arbeitseinsatzes bestimmen. Sie können jedoch eine Staatspolizei(leit)stelle ihres Bereichs mit der Errichtung beauftragen. Die wirtschaftliche Betreuung des Lagers ist in jedem Falle einer Staatspolizei(leit)stelle zu übertragen.

(2)
Die Errichtung des Lagers erfolgt auf Reichskosten oder durch Anmietung bw. Anpachtung geeigneter Räume oder
Baracken. Bei der Auswahl des Standortes ist zu beachten, dass geeignete Arbeitsmöglichkeiten bei volks- und wehrwirtschaftlichen Arbeitsvorhaben für längere Zeit vorhanden sein müssen.
Für die entsprechenden Miet- und Überlassungsverträge ist meine Genehmigung nach den bestehenden Bestimmungen einzuholen.

(3)
Die Arbeitserziehungslager haben den Charakter eines Polizeigewahrsams.

II.

Antrag auf Genehmigung zur Errichtung eines Lagers

(4)
Die Errichtung eines Lagers bedarf meiner vorherigen Genehmigung. In dem Genehmigungsantrag hat der Inspekteur (Befehlshaber) der Sicherheitspolizei und des SD darzulegen:

a) aus welchen Gründen die Errichtung des Lagers notwendig ist.

b) wie die Unterkunft, Bewachung und die Verpflegung der Häftlinge geregelt wird und welche Ausgaben dafür voraussichtlich entstehen werden.

c) welche Belegungsfähigkeit das Lager besitzt und mit welcher Belegungsstärke gerechnet wird.

d) mit welchen Arbeiten die Häftlinge beschäftigt werden sollen, an welche Unternehmer ihre Arbeitskraft vergeben und welcher Arbeitslohn vereinbart wird.

e) welche Staatspolizei(leit)stellen zur Einweisung von Häftlingen befugt sein sollen.

III:

Bewachung und Dienstbetrieb

(6)
Für das Lager ist ein Beamter oder Angestellter der Geheimen Staatspolizei als Leiter zu bestellen, der für den Dienstbetrieb im Lager verantwortlich und dem Reichssicherheitshauptamt namhaft zu machen ist. Sein Vertreter soll ebenfalls
Angehöriger der Geheimen Staatspolizei sein.

(7)
Die Bewachungskräfte sind von der Geheimen Staatspolizei zu stellen. Können solche Kräfte nicht aus dem Bestand der Polizei oder im Wege der freien Vereinbarung als Angestellte der Verg. Gr. IX TO.A gewonnen werden, so müssen sie als Notdienstverpflichtete mit Beschäftigungsverhältnis (Verg. Gr. IX TO.A) herangezogen werden (vgl. Erlass vom 16.10.1940 Abs. 16 ff- Bef.Bl. S. 119 – und die Bekanntmachung der Behörden, die Notdienstleistungen fordern können, vom 8.7.1939 – RGBl. I S. 1204). Die erforderlichen Stellen werde ich bei oder nach der Genehmigung des Lagers zur Verfügung stellen. Die Bewachungskräfte unterstehen den Weisungen des Lagerleiters und seines Vertreters.

(8)
Für jedes Lager ist eine Lagerordnung aufzustellen, die den Dienstbetrieb, die Arbeitszeit, Lagerstrafen, Aufnahme, Entlassung, Aufbewahrung der häftlingseigenen Gegenstände, Behandlung von deutschen und ausländischen Häftlingen usw. regelt. Soweit die Lagerordnung und die Vorschriften dieses Erlasses nichts anderes bestimmen, gilt im Übrigen die Polizeigefängnisordnung (PDV. 34). Das Muster für eine Lagerordnung wird demnächst nachgesandt werden.

IV.

Einweisung und Haftdauer

(9)
Der Inspekteur (Befehlshaber) der Sicherheitspolizei und des SD bestimmt, welche Staatspolizei(leit)stellen zur Einweisung von Häftlingen in das Lager zuständig sind. Unter Umständen führt er ein Einverständnis mit den benachbarten Inspekteuren (Befehlshabern) über die Einweisungsbefugnis der angrenzenden Staatspolizei(leit)stellen ihres Bereichs herbei.

(10)
Die Einweisung muss schriftlich durch einen Einweisungsbeschluss erfolgen und soll im Interesse des geschlossenen Arbeitseinsatzes möglichst auf bestimmte Wochentage beschränkt bleiben. Der befristete Einweisungsbeschluss ist dem Häftling unter Hinweis auf die Folgen bei schlechtem Verhalten zu eröffnen. Der Häftling hat die Kenntnisnahme durch Namensunterschrift zu bestätigen.

(11)
Die Dauer der Haft darf höchstens 56 Tage betragen, und zwar sowohl für deutsche wie für ausländische Häftlinge (Polen, Tschechen usw.). Den Einweisungsstellen soll dadurch die Möglichkeit gegeben werden, dem Grad der Verfehlung des Häftlings unter Berücksichtigung seiner Persönlichkeit gerecht zu werden und erforderlichenfalls eine Steigerung bei mehrmaliger Einweisung erreichen zu können. Ist nach Ablauf der Gesamtzeit von 8 Wochen der Haftzweck nicht erfüllt, so ist beim Reichssicherheitshauptamt –Ref. IV C 2- die Verhängung von Schutzhaft und die Einweisung in ein Konzentrationslager zu beantragen.

V.

Arbeit und Arbeitsbelohnung

(12)
Die Häftlinge sind zu strenger Arbeit anzuhalten, um ihnen ihr Volksschädigendes Verhalten eindringlich vor Augen zu führen, um sie zu geregelter Arbeit zu erziehen und um Anderen durch sie ein abschreckendes und warnendes Beispiel zu geben.

(13)
Die tägliche Arbeitszeit soll nicht weniger als 10 und darf nicht mehr als 12 Stunden betragen. Die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ist gestattet, den Häftlingen ist jedoch an einem Tage in der Woche ausreichend Gelegenheit für ihre körperliche Reinigung und die Instandsetzung ihrer Kleidung zu geben.

(14)
Die Häftlinge erhalten eine Arbeitsbelohnung von 0,50 RM für jeden Arbeitstag, die ihnen gutgeschrieben wird und aus der sie Verbrauchsgegenstände im Wert von bis zu 2. —RM wöchentlich zur Befriedigung kleinerer Lebensbedürfnisse (Briefmarken, Rasierklingen, Zahnpasta usw.) bestreiten können. Die Arbeitsbelohnung steht auch den Häftlingen zu, die im Lager mit sogenannten Hausarbeiten beschäftigt werden. Die Auszahlung des nichtverbrauchten Betrages findet bei der Entlassung in bar statt. Der ausgezahlte Betrag dient gleichzeitig als Reise- und Zehrgeld. In Notfällen kann außerdem bedürftigen Häftlingen bei der Entlassung eine einmalige Unterstützung bis zu 10 RM gewährt werden, falls ihr Unterhalt bis zur Wiedervermittlung in andere Arbeit nicht gesichert ist.

(15)
Bei Häftlingen, die Unterhaltsverpflichtungen zu erfüllen haben, wird aus sozialpolitischen Gründen das Arbeitsentgelt abzüglich eines Tageskostenbetrages von 3,50 RM täglich, der zur Abgeltung der Verpflegung, Unterkunft, Bekleidung, Heil und Unfallfürsorge sowie der Arbeitsbelohnungen einbehalten wird, den unterhaltsberechtigten Angehörigen überwiesen, soweit der Häftling ihren Unterhalt auch bisher schon bestritten hat.

(16)
Die Arbeitsbelohnungen und Unterstützungen werden bei Kap. 14 a Tit. 33 Untert. 4 gebucht. Die buch- und Rechnungsmäßige Behandlung der Arbeitsbelohnungen hat nach den anliegenden Büchern und Listen zu erfolgen. Die zu vereinnahmenden Lohn- und Tageskostenbeträge sind bei Kap. 10a Tit. 7 zu verrechnen.

(17)
Da das Reich freie Heil- und Unfallfürsorge gewährt, kommt die Anmeldung der Häftlinge zu Unfallberufsgenossenschaften und Krankenkassen nicht in Betracht. Die Beschäftigung der Häftlinge während der Haft wird im Arbeitsbuch nicht vermerkt.

VI.

Arbeitsvertrag

(18)
Die Häftlinge werden Unternehmen durch Vertrag (Arbeitsvertrag) zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt. Als Arbeitsentgelt ist der Tariflohn für ungelernte Arbeiter zuzüglich eines Aufschlags von 15 % für Unfall- und Sozialversicherungsbeiträge und der Auslösung bei Verheirateten zu vereinbaren.
Unternehmen von wehrwirtschaftlicher Bedeutung sind zu bevorzugen.

(19)
In dem Arbeitsvertrag ist klarzustellen, dass die Häftlinge durch das Reich gegen Unfall versichert sind und freie Heilfürsorge genießen. Wegen der Schwierigkeiten der Rohstoffbeschaffung soll ferner nach Möglichkeit vereinbart werden, dass die Arbeitskleidung vom Unternehmer zur Verfügung gestellt wird. Eine Abschrift der Arbeitsverträge ist mir zur Kenntnisnahme vorzulegen.
Muster für einen Arbeitsvertrag liegt an.

(20)
Hinsichtlich der Zahlung des Arbeitsentgelts wird folgende Regelung vorgeschlagen:
Dem Unternehmer wird jeweils bei der Einlieferung der auf seiner Arbeitsstelle tätigen Häftlinge formularmäßig mitgeteilt, ob der Arbeitslohn an Angehörige des Häftlings (unter Angabe der Anschrift) oder an die Staatspolizei(leit)stelle zu entrichten ist. Bei unterhaltspflichtigen Häftlingen hat der Unternehmer das Arbeitsentgelt gekürzt um 3,50 RM je Arbeitstag, an die benannten Unterhaltsberechtigten wöchentlich zu überweisen, während der Rest der Staatspolizei(leit)stelle zusteht. Die Staatspolizei(leit)stelle führt die Abrechnung mit dem Unternehmer auf Grund der von dem Lagerleiter aufgestellten Beschäftigtenlisten (siehe nachfolgende Ziff. 28) monatlich durch. Den Häftlingen ist bekanntzugeben, in welcher Höhe das Arbeitsentgelt an ihre Angehörigen überwiesen worden ist.

VII.

Bewirtschaftung

(21)
Sämtliche Kosten für die Verwaltung und Bewirtschaftung des Lagers sowie für den Unterhalt der Gefangenen sind bei den entsprechenden Ausgabetiteln des Reichshaushalts der Sicherheitspolizei Kap. V/14a zu buchen; auf die Erläuterungen zu
Tit. 33 Untert. 1 in der Buchungstafel für das Rechnungsjahr 1940 wird verwiesen.

(22)
Die Einnahmen aus der Beschäftigung der Gefangenen werden als allgemeine Haushaltsentnahmen bei Kap. 10a Tit.7 verrechnet (§ 69 Abs. 1 RHO). Soweit bisher anders verfahren wurde, sind die betreffenden Beträge umzubuchen.

(23)
Zur Abwicklung der durch die Arbeitsbelohnungen usw. bedingten Zahlungsgeschäfte kann dem Verwaltungsbeamten des Lagers ein Handvorschuss gewährt werden, der jedoch so niedrig wie möglich zu halten ist und 500 RM nicht übersteigen darf. Falls infolge besonderer Verhältnisse, insbesondere wegen der Größe des Lagers, ein höherer Vorschuss erforderlich ist, ist meine Genehmigung rechtzeitig vor Erteilung der Auszahlungsanordnung unter Angabe des durchschnittlichen Häftlingsstandes einzuholen. Soweit in diesem Erlass nicht anders bestimmt ist, gilt für die Verwaltung des Vorschusses der RdErl. vom 09.12.1940 (Bef.Bl.S. 192).

VIII.

Unfall- und Sozialversicherung

(24)
Die Häftlinge sind nach dem Gesetz über Unfallfürsorge für Gefangene vom 30.06.1900 (RGBl. S. 536) gegen Unfall versichert.
Als Ausführungsbehörden für Gefangenenunfallfürsorge sind durch Verordnung vom 21.11.1939 (RGBl. I S. 2325) die Staatspolizei(leit)stellen eingesetzt. Das Verfahren ist in den Durchführungsbestimmungen zur Verordnung über Gefangenenunfallfürsorge vom 21.11.1939 – RMBli.V. S. 2531 – geregelt.
Die genannten Vorschriften sind in der Ostmark, im Reichsgau Sudentenland und in den Ostgebieten sinngemäß anzuwenden, solange ihre Einführung dort nicht erfolgt ist.

(25)
Jeder Gefangene ist bei der Aufnahme und Entlassung auf seine volle Arbeitsfähigkeit zu untersuchen. Die Häftlinge erhalten während ihres Aufenthalts im Lager freie Heilfürsorge.
Für die ärztliche Betreuung ist ein Arzt vertraglich zu verpflichten.
Die Häftlinge werden vom Reich gegen Krankheit nicht versichert.

(26)
Jeder Häftling ist bei seiner Aufnahme darauf hinzuweisen, dass er für die Aufrechterhaltung der Anwartschaft seiner Invaliden- oder Angestelltenversicherung selbst zu sorgen hat. Dem Häftling steht es frei, sich während der Haft auf seine eigenen
Kosten weiter zu versichern. Eine Versicherung auf Kosten des Reiches findet nicht statt. Wird die mitgebrachte Quittungskarte eines Häftlings während der Haft zum Umtausch fällig, so hat der Lagerkommandant rechtzeitig für den Umtausch zu sorgen.
Die Beiträge, die zu diesem Zweck noch zu entrichten sind (§ 1264 RVO) hat der Häftling selbst zu tragen. Weigert er sich, die Beiträge zu leisten, obwohl er hierzu in der Lage ist, so unterbleibt der Umtausch; der Häftling ist vorher auf die Folgen hinzuweisen. Bei Mittellosigkeit des Häftlings können Kosten auf die Reichskasse übernommen werden; sie sind bei Kap. 14a Tit. 33 Untert. 1 zu buchen.

IX.

Umsatzsteuer

(27)
Das Entgelt für die Vergebung der Arbeitskraft der Häftlinge an private Unternehmer und an öffentliche Verwaltungen (außer Reichs- und Länderverwaltungen) unterliegt der Umsatzsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes vom 16.10.1934 (RGBl. I S. 942). Die Steuer beträgt 1 v. H. (§ 7 Abs. 1 UStG). Sie wird (§ 11 Abs. a und § 13 Abs. 3 UStG) für das Kalenderjahr verlangt. Die Umsatzsteuervoranmeldungen sind (§ 13 Abs. 1 UStG) binnen 10 Tagen nach Ablauf jedes Kalenderjahres bei dem zuständigen Finanzamt abzugeben. Die gleichzeitig zu leistenden Vorauszahlung, die dem vorangemeldeten steuerpflichtigen Entgelt entsprechen, sind bei Kap. 14a Tit. 33 Untert. 5 zu buchen.

X.

Bücher und Listen

(28)
Für jeden Unternehmer, dem Häftlinge zur Verfügung gestellt werden, ist eine Beschäftigungsliste nach anliegendem Muster zu führen. Über den nach der Beschäftigungsliste verrechneten Betrag erhält der Unternehmer nach Ablauf jeden Monats eine Rechnung unter Übersendung einer Abschrift der Beschäftigungsliste mit der Aufforderung, den Rechnungsbetrag binnen einer Frist von 3 Wochen an die näher zu bezeichnende zuständige Amtskasse einzuzahlen. Eine Ausfertigung der Beschäftigungsliste ist der Amtskasse als Annahmeanordnung gemäß § 28 RWB zu übersenden.

(29)
Ausser der Beschäftigungsliste sind in jedem Arbeitserziehungslager folgende Bücher und Listen nach dem Muster der Polizeigefängnisordnung (PDV. 34)zu führen:

1. Gefangenenbuch B (Muster 2); die Ausfüllung der Sp. 13 unterbleibt,
2. Verzeichnis der abgenommenen Gegenstände der Gefangenen (Muster 3),
3. Kassenbuch der abgelieferten Gelder und Wertsachen (Muster 4);
4. Krankenbuch (Muster);
5. Strafbuch (Muster 10);
6. Entlassung- und Terminkalender (Muster 13);
7. Namensverzeichnis der Häftlinge (Muster 14);
8. Gefangenenstandsbuch (RdErl. vom 12.06.1940 – RMBliV. S. 1176).

In Lagern, in denen die Verpflegung der Gefangenen im eigenen Betrieb hergestellt wird, ist außerdem das Buch über Einnahme und Ausgabe von Lebensmitteln (Muster 5 der PDV. 34) zu führen. Soweit erforderlich können weitere in der Polizeigefängnisordnung vorgeschriebene Bücher und Listen angefertigt werden.

XI.

Lebensmittelbewirtschaftung

(30)
Die Höchstmenge der für Gefangene vorgesehenen Verpflegung und die Anforderung der Lebensmittelberechtigungsscheine beim Ernährungsamt ist durch Erlass vom 9.12.1940 – RMBliV. S. 2244 – geregelt.

(31)
Wegen Abnahme der Lebensmittelkarten der Häftlinge wird auf den RdErl. vom 21.5.1940 – RMBliV. S. 997 - verwiesen.

XII.

Betreuung der Angehörigen

(32)
Die soziale und wirtschaftliche Betreuung der Angehörigen von Häftlingen hat in sinngemäßer Anwendung des RdErl. vom 10.3.1940 – IV 6249/40 – g – (nicht veröffentlicht) zu erfolgen.
Dem zuständigen Wohlfahrtsamt ist bei der Einlieferung formularmäßig Mitteilung darüber zu geben, welche Beträge an die Angehörigen zur Auszahlung gelangen (s. Zif. 15).

XIII.

(33)
Bereits eingerichtete Lager sind mir bis zum 15.06.1941 durch die Inspekteure (Befehlshaber) der Sicherheitspolizei und des SD zu melden, wobei außer den in Ziff. 4 genannten Angaben mitzuteilen ist, wie hoch der Gefangenenstand am 01.05.1941 war, welchen Beamten oder Angestellten die Leitung des Lagers übertragen ist und durch welchen Erlass die Errichtung des Lagers genehmigt wurde. Mietverträge über das Lager und Arbeitsverträge mit den Unternehmen sowie ein Stück der Lagerordnung sind in Abschrift beizufügen. Ggfls. ist der Abschluss dieser Verträge nachzuholen.

(34)
Die Gültigkeit dieses Erlasses wird ausdrücklich auf die Dauer des Krieges begrenzt.

Gez.: H. Himmler

Präzisierung der Durchführungsbestimmungen für den Betrieb von Arbeitserziehungslagern vom 12. Dezember 1941

Zur Klärung verschiedener Zweifel, die bei der Durchführung des Erlasses aufgetreten sind, ordne ich folgendes an:

A. Änderung des Erlasses vom 28.05.1941
Zu IV (Einweisung und Haftdauer)

Als neue Ziffern werden eingeführt:

(9a)
In die Arbeitserziehungslager dürfen nur Arbeitsverweigerer sowie arbeitsvertragsbrüchige und arbeitsunlustige Elemente, deren Verhalten einer Arbeitssabotage gleichkommt oder die die allgemeine Arbeitsmoral gefährden und aus diesem Grunde polizeilich festzunehmen waren, eingewiesen werden.
Andere Gefangene, insbesondere politische Schutzhäftlinge, sind von der Aufnahme ausgeschlossen. Frauen dürfen nur in besondere Arbeitserziehungslager für weibliche Häftlinge oder eigenen Frauenabteilungen, die von den Männerabteilungen streng getrennt sind, untergebracht werden. Die Errichtung derartiger Lager oder Abteilungen bedarf meiner besonderen Genehmigung.

(10a)
Die einweisende Staatspolizei(leit)stelle hat in dem Einweisungsbeschluss die Dauer der Haft nach Wochen oder Tagen sowie den Haftbeginn und das Haftende anzugeben. Die Haft beginnt mit dem Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme. Bei der Entlassung des Häftlings ist der einweisenden Dienststelle eine Entlassungsanzeige zu übersenden. Der Lagerleiter ist dafür verantwortlich, dass die Häftlinge rechtzeitig entlassen werden.

(11a)
Häftlinge, bei denen ein Antrag auf Einweisung in ein Konzentrationslager läuft, sind sofort nach Eingang des Schutzhaftbefehls in das Konzentrationslager zu überstellen.

(11b)
Bei schlechter Führung eines Häftlings hat der Lagerleiter rechtzeitig vor Ablauf der Haft die einweisende Staatspolizei(leit)stelle zu benachrichtigen. Sie entscheidet, ob der Häftling zu entlassen oder weiterhin in Haft zu halten ist.
Der Lagerleiter darf einen Häftling nicht über das Haftende hinaus im Lager zurückhalten.

Zu V (Arbeit und Arbeitsbelohnung)

Einzelne Staatspolizei(leit)stellen haben die Vorschriften über die Angehörigenunterstützung in Ziffer 15, besonders die Überweisung an die Angehörigen ausländischer Häftlinge, als zu Geschäfts erschwerend und zu weitgehend bezeichnet. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass eine Schlechterstellung der ausländischen Häftlinge gegenüber den deutschen Häftlingen nicht zulässig ist, zumal den ausländischen Arbeitskräften bei der Anwerbung weitgehende Versprechungen gemacht wurden. Zur Vereinfachung der Geschäfte werden jedoch Ziffer 14 und 15 des Erlasses vom 28.05.1941, § 6 der Anlage E dazu (Musterarbeitsvertrag) und alle Anordnungen in Einzelerlassen aufgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt:

(14)
Die Häftlinge erhalten eine Arbeitsbelohnung von 0,50 RM für jeden Arbeitstag. Sie werden den Häftlingen gutgeschrieben.
Aus ihr können sie kleinere Lebensbedürfnisse (Briefmarken, Rasierklingen usw.) bis zu 2 RM wöchentlich bestreiten. Die Arbeitsbelohnung steht auch den Häftlingen zu, die im Lager mit sogenannten Hausarbeiten beschäftigt werden; bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit fällt sie weg. Der nicht verbrauchte Betrag der Arbeitsbelohnung wird bei der Entlassung in bar ausgezahlt; der ausgezahlte Betrag dient gleichzeitig als Reise- und Zehrgeld.

(14a)
Die Befehlshaber und Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD können anordnen, dass an jüdische und polnische Häftlinge Arbeitsbelohnungen nicht gezahlt werden.

(15)
In Notfällen kann bedürftigen Häftlingen bei der Entlassung eine einmalige Unterstützung bis zu 10.—RM gewährt werden, falls ihr Unterhalt bis zur Wiedervermittlung in eine andere Arbeit nicht gesichert ist.

Zu VI Arbeitsvertrag

In Ziffer 18 sowie § 5 des Arbeitsvertrags (Muster E) wird der Aufschlag von 15 % für Unfall- und Sozialversicherungsbeiträge auf 10 % ermäßigt: Ziffer 18 erhält mit Wirkung vom 11.01.1942 folgende neue Fassung:

Die Häftlinge werden Unternehmern durch Vertrag (Arbeitsvertrag) zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt. Als Arbeitsentgelt ist der Tariflohn für ungelernte Arbeiter zuzüglich eines Aufschlags von 10% für Unfall- und Sozialversicherungsbeiträge und der Auslösung (Trennungsentschädigung) bei Verheirateten zu vereinbaren. Bei landwirtschaftlicher Arbeit kann anstelle des Stundenlohnes der ortsübliche Tagelohn vereinbart werden. Die Auslösung ist nur dann zu fordern, wenn sie an freie Arbeiter ebenfalls zu entrichten wäre. Unternehmen von wehrwirtschaftlicher Bedeutung sind zu bevorzugen.

Ziffer 20 erhält folgende neue Fassung:

Die Staatspolizei(leit)stelle führt die Abrechnung mit dem Unternehmen auf Grund der von dem Lagerleiter aufgestellten Beschäftigungslisten (siehe nachfolgende Ziffer 28) monatlich oder wöchentlich durch.

Zu IX Umsatz- und Lohnsteuer

Als Ziffer 27 a wird eingefügt:

(27a)
Da das volle Arbeitsentgelt für die Arbeitsleistung der Häftlinge in die Reichskasse fließt und der Umsatzsteuer unterliegt, kommt eine zusätzliche Lohn- und Bürgersteuer nicht in Betracht, Arbeitsbelohnungen, die den Häftlingen gewährt werden, sind vielmehr nach allgemeiner Übung steuerfrei.

Zu XII Betreuung der Angehörigen

(32)
Die soziale und wirtschaftliche Betreuung der im Inland befindlichen Angehörigen von Häftlingen hat in sinngemäßer Anwendung des Runderlasses vom 10.03.1940 – IV 6249/40 g (nicht veröffentlicht) – zu erfolgen. Das zuständige Wohlfahrtsamt ist bei der Einlieferung des Häftlings zu bitten, die Betreuung der Angehörigen des Häftlings zu übernehmen.

B. Ausdehnung des Erlasses vom 28.05.1941 auf das Generalgouvernement, auf die Untersteiermark, Südkärnten und die Krain.

Der Erlass vom 28.05.1941 in der Fassung der vorstehenden Änderung wird auf das Generalgouvernement und die eingegliederten Gebiete der Untersteiermark, Südkärnten und der Krain ausgedehnt.

Im Auftrag
gez.: Dr. Siegert