Über den 27. Juni 1941, als die 221. Sicherungsdivision Bialystok besetzte, findet man in ihrem Kriegstagebuch folgenden Eintrag: Die Säuberung der Stadt dauerte bis zu den Abendstunden und erst mit Eintritt der Dunkelheit trat eine gewisse Befriedung und Ruhe in der Stadt ein. Ein stolzer Tag in der Kampfgeschichte der Division ging zu Ende. Dem unaufhaltsamen Vorwärtsdrängen der Truppe, ihren unerhörten Marsch- und Einsatzleistungen und der umfassenden, von raschen Entschlüssen getragenen Führung war dieser schöne Erfolg zu verdanken, durch den Bialystok mit unübersehbarer Beute in deutsche Hand fiel.

EINMARSCH IN BIALYSTOK

Wenige Tage nach dem Angriff auf die Sowjetunion, am 27. Juni 1941 marschierte das Sicherungsregiment 2 unter dem Kommando von Oberst Martin Ronicke in Bialystok ein. Ihm folgte neben einer Kompanie des Landesschützenregiments 45 und der 9. Kompanie des Infanterieregiments 350 auch das Polizeibataillon 309, das der 221. Sicherungsdivision, also der Befehlsgewalt der Wehrmacht, dauerhaft unterstellt war. Die Polizisten trugen einen Ärmelstreifen mit der Aufschrift Deutsche Wehrmacht. Bialystok hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 100.000 Einwohner und einen jüdischen Bevölkerungsanteil von 50 bis 60 Prozent. Die Stadt wurde nahezu kampflos eingenommen.
Bereits beim Einrücken in die Stadt plünderten Angehörige des Polizeibataillons und töteten Zivilisten. Neben dem Polizeibataillon waren auch die Wehrmachtseinheiten bei der ersten Durchsuchung der Stadt eingesetzt. Laut Gefechtsbericht des 350. Infanterieregiments wurden dabei von der 9. Kompanie etwa 30 russ. Soldaten und Juden  erledigt.

POGROM

Das Polizeibataillon erhielt von der Division den Auftrag zur Säuberung der Stadt von russ. Versprengten und deutschfeindlicher Bevölkerung und zur Aufrechterhaltung der Ruhe, Sicherheit und Ordnung. Bei Gewalttätigkeiten der Bevölkerung oder Widerstand sei rücksichtslos durchzugreifen. Der Kommandeur des Polizeibataillons, Major Ernst Weis, ordnete daraufhin gegen Mittag des 27. Juni an, das Synagogenviertel sowie angrenzende Wohnbezirke zu durchsuchen und alle Männer im wehrfähigen Alter festzunehmen.
Mit brutaler Gewalt gingen Angehörige des Polizeibataillons gegen die jüdische Bevölkerung vor. Die Männer wurden aus ihren Wohnungen geprügelt, gedemütigt, mißhandelt und etliche bereits auf dem Weg zu den Sammelplätzen getötet. Dort wurden die Opfer selektiert und an verschiedenen Stellen in der Stadt erschossen, darunter im Park des Gouvernementsgebäudes, dem Sitz des Stabes der 221. Sicherungsdivision. Die Leichen ließ man an Ort und Stelle liegen. Etwa 300 Menschen, so der Divisionsbericht vom 30. Juni, seien bis zum Abend erschossen worden.
Am frühen Nachmittag trieben Angehörige des Polizeibataillons Hunderte von Juden - Männer, Frauen und Kinder - in die große Synagoge in der Nähe des Marktplatzes, umstellten das Gebäude und zündeten es mit Benzin und Handgranaten an. Wer fliehen wollte, wurde erschossen. Etwa 800 Menschen verbrannten an diesem Nachmittag in der Synagoge bei lebendigem Leibe.

SPÄTES EINGREIFEN

Ein Befehl lag für dieses Massaker nicht vor. Offensichtlich ging die initiative von einzelnen Kompaniechefs- und Zugführern des Polizeibataillons aus. Nicht nur der Kommandeur des Polizeibataillons, Major Weis, ließ die Mörder gewähren, auch die Wehrmacht sah dem mörderischen Treiben zu. Über Oberst Ronicke, den Kommandeur des Sicherungsregiments 2 und Inhaber der Befehlsgewalt auch über das Polizeibataillon, berichteten Zeugen nach dem Krieg, er soll persönlich einen Einheitsführer des Polizeibataillons zur Rede gestellt und wie andere Wehrmachtsoffiziere auch versucht haben, dem Morden Einhalt zu gebieten. Aber die Identität dieser Offiziere läßt sich nicht mehr feststellen.
Erst als sich das Feuer weiter auszubreiten begann und der Gefechtsstand der Division bedroht war, handelte die Divisionsführung. Eine Pioniereinheit versuchte vergeblich, das Großfeuer durch das Sprengen von Feuergassen unter Kontrolle zu bringen. Es brannte die ganze Nacht in der Stadt. Am nächsten Tag waren die Brände so weit eingedämmt, daß eine Ausdehnung des Feuers nicht mehr zu befürchten stand. Weitere 1.000 Menschen waren durch die Brände umgekommen.

EHRUNG DER MÖRDER

Noch am Abend des 27. Juni zitierte der Kommandeur der 221. Sicherungsdivision, Generalleutnant Johann Pflugbeil, den Polizeibataillonskommandeur Weis zu sich. Nach Zeugenaussagen soll es zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen sein, wobei offenbleiben muß, ob der Brand oder der Mord an den Juden gemeint war.
Offiziell sprach Generalleutnant Pflugbeil am nächsten Tag allen an den Kampfhandlungen beteiligten Einheiten seine vollste Anerkennung aus. Allerdings sollten künftig Brände vermieden und Zivilpersonen dürften nur erschossen werden, wenn Widerstand geleistet wird, dann aber sofort am Tatort oder abgesondert von Zuschauern. Als Grund dafür, daß die Synagoge in Brand gesetzt worden war, gab das Kriegstagebuch an, daß aus ihr geschossen worden sei. Die tatsächliche Ursache wurde offiziell vertuscht.

Wenige Wochen später, am 11. Juli 1941, verlieh Generalleutnant Pflugbeil mehreren Angehörigen des Polizeibataillons Auszeichnungen für ihren Einsatz in Bialystok. Oberst Ronicke begründete persönlich den Vorschlag, Major Weis mit der Spange zum E.K. II zu ehren: Major Weis hat am 26. und 27.06.1941 persönlich an Ort und Stelle seine Kompanie zur Säuberung der Waldstücke beiderseits der Straße Sokoly- Bialystok und bei der Säuberung des Waldes südlich der Stadt und in derselben eingesetzt und unermüdlich im feindlichen Heckenschützenfeuer eingegriffen. Er persönlich und sein Bataillon waren stets hilfsbereit zur Stelle. Die Säuberungsaktionen seines Btl. haben dazu beigetragen, daß Stadt und Umgebung in verhältnismäßig kurzer Zeit befriedet wurden. Er ist der Auszeichnung würdig.

gez. Ronicke, Oberst und Rgts.-Kdr.