|
|
Der Lageralltag vollzog sich für die Häftlinge wie im Lager Moringen nach einem normierten, präzise geregelten Tagesablauf, in dessen Mittelpunkt Drill und Gewalt standen. Die bedingungslose Unterordnung unter das Regime der weiblichen SS, Zwangsarbeit sowie die eingeforderten Sekundärtugenden Sauberkeit, Ordnung, Pünktlichkeit und Disziplin bildeten absolute Dogmen, die durch eine schier unübersehbare Vielzahl von Anordnungen, Appellen und Strafen rücksichtslos durchgesetzt wurden.
Den zeitlich unmittelbarsten Eindruck zum Lageralltag in Uckermark schilderte die damals 19-jährige Ruth P. im Mai 1941 wegen einer Beziehung zu einem Franzosen verhaftet und später in das Jugend-KZ Uckermark überstellt bei ihrer Aussage nach der Befreiung im Lager Belsen am 04.05.1945 vor dem War Investigation Team der britischen 21. Army Group: Es war dort furchtbar schlecht. Es wurde nur von SS-Aufseherinnen geleitet. Die schlimmsten Aufseherinnen waren S., W. und W. Diese 3 haben furchtbar geschlagen und die Menschen zu Tode gehetzt. Sie berichtete vom täglichen Frühsport in Hemd und Bluse bei jeder Witterung und Jahreszeit sowie von der Zwangsarbeit im Lager: Dann mussten wir die schwersten Arbeiten verrichten und jeden Tag 1-2 Stunden Appell stehen. Abends mussten wir dann unter die kalte Dusche. Die Aufseherinnen haben mit Stiefeln getreten und mit Gummiknüppeln geschlagen. Wenn die Mädel nicht mehr arbeiten konnten, wurden sie mit kaltem Wasser übergossen. Wenn sich eine etwas, nur das Geringste hatte zu Schulden kommen lassen, mussten die Mädel tagelang mit dem Gesicht zur Wand stehen und man hat ihnen 4 Tage nichts zu essen gegeben.
Tinka Ertl Trubic, als jugendliche Partisanin ins Lager verschleppt, schilderte einen der zahllosen Häftlingsappelle auf dem Lagerhof: Ich erinnere mich noch sehr gut, daß wir einmal die ganze Nacht ohne Essen auf dem Versammlungsplatz stehen mußten, weil zwei deutsche Mädchen ausgerissen waren. Dieser Tag blieb mir deshalb in Erinnerung, weil ich gerade da ein schlimmes Bein hatte. Es war ganz blau und angeschwollen, daß ich nicht mal den Pantoffel anziehen konnte, aus der Wunde, die mir mit Papier umwickelt war, lief Blut. Es schmerzte sehr, ich durfte mich aber nicht rühren, weil ansonsten ein Schuß gefallen wäre. Uns bewachten einige SS-Leute, die anderen suchten die Mädchen. Sie fanden sie noch am späten Abend und schickten uns alle ohne Essen schlafen. Am nächsten Tag sahen wir sie. Es war schrecklich anzusehen, wie sie zugerichtet waren. Eine starb, die andere schickten sie zur ersten.
Die am 06.09.1928 in Zagreb geborene Stanka Krajnc, die ebenfalls als Mitglied des illegalen Slowenischen Jugendverbandes die Partisanengruppen im österreichisch-slowenischen Grenzgebiet gegen die deutschen Besatzungstruppen unterstützte, erlebte eine der zahllosen gezielten Demütigungen am eigenen Leib und äußerte sich im Jahr 1971 zur Zielrichtung der Haft: Auf die Toilette durften wir nur auf die ausdrückliche Bitte: Lagerzögling Nummer 798 bittet austreten zu dürfen. Hier erlebte ich die vielleicht größten Erniedrigungen. Da ich nicht auf die Toilette durfte, habe ich mir in die Hosen gemacht. Deshalb musste ich mich beim Abendappell bei der Hauptführerin melden. Ich wurde mit Fasten für den ganzen nächsten Tag bestraft. Aussätzig, kahl geschoren und in der Werkstatt ausgelacht, fühlte ich mich schrecklich erniedrigt. Von nirgends ein aufmunterndes Wort. Im Aufnahmeblock waren nur Deutsche, sicherlich auch so manche kameradschaftlich und gut, aber keine konnte mir helfen aus dieser augenblicklichen Klemme, denn keine konnte sagen, dass das Lagerregime plante, den persönlichen Stolz und das Selbstbewusstsein zu zerstören. Das musste ich schon selbst feststellen. Auch im Jugend-KZ Uckermark stand die bedingungslose Ausnutzung der Arbeitskraft bei zunehmend schlechteren Lebensbedingungen im Vordergrund. Die bereits anfänglich wenig nahrhafte Kost wurde reduziert (Essen gab es noch weniger als im Gefängnis u. ich wäre heilfroh gewesen, wenn ich davon genug bekäme zu essen, was ich zu Hause den Schweinen gefüttert habe, nämlich Kartoffel, Rüben u. Kleie!). Dies und die mangelhafte medizinisch-hygienische Versorgung führten bei den jugendlichen Häftlingen zu starken Gewichtsreduzierungen, zur erheblichen Schwächung der körperlichen Widerstandsfähigkeit und zu verschiedensten Erkrankungen. Neben Typhus und TBC litten sie an Diphterie, Hepatitis, Hautausschlägen und Blasenerkrankungen. Zeitweise wurden sie von Kopfläusen oder Krätze gequält. Die monatlichen Regelblutungen blieben aufgrund der erheblichen Belastung und des psychischen Stresses oder, wie von den Häftlingen vermutet, durch medikamentelle Beeinflussung vollkommen aus. Im Gegensatz zu den männlichen Minderjährigen hatten die Insassinnen des Jugend-KZs Uckermark vorwiegend im land-, forst und hauswirtschaftlichen Bereich Zwangsarbeit zu leisten. Allerdings arbeiteten auch hier einige Häftlinge in rüstungsrelevanten Produktionsstätten, wie die Lagerleiterin im Jahr 1945 hervorhob. Sie bestätigte damit indirekt die enge Anbindung an das Frauen-KZ Ravensbrück und dessen Arbeitskommandos, was sie in späteren Ermittlungsverfahren gegen die Einsatzkräfte des Jugend-KZ Uckermark wiederholt bestritt. Neben den Rüstungsbetrieben des Frauen-KZs Ravensbrück und dem ab 01.06.1944 eingerichteten Übergangslager Dallgow-Döberitz waren die Häftlinge auch in zwei Baracken der Firma Siemens, die der Großkonzern eigens auf dem Gelände des Jugend-KZs hatte errichten lassen, eingesetzt: In einer wurden die Überlandtelefone gemacht und in der anderen wurden Kehlkopfmikrophone gemacht. Also, jede Baracke hatte ihre eigene Funktion. Ich hab' damals die großen Überlanddinger gemacht. Da mußten wir nur die Drähte anlöten. Sie wurden nachher getestet, ob es richtig war und dann gingen sie raus. Den Schwerpunkt der Häftlingsarbeit bildete in Uckermark jedoch die Landwirtschaft. Die Jugendlichen arbeiteten hier auf den großflächigen Ländereien benachbarter Gutshöfe sowohl bei der Aussaat als auch bei der Ernte. Zur Einrichtung einer lagereigenen Gemüsegärtnerei mußten die Mädchen über Jahre hinweg unter großen Strapazen Sumpfwiesen an der Havel urbar machen. In den Sommermonaten wurden die Minderjährigen unter SS-Bewachung zum Beerenpflücken im Wald eingesetzt. Zu den Außenarbeiten zählte ferner, neben dem Be- und Entladen von Kähnen an der Havel, das Fällen und Zersägen von Bäumen zum Zweck der Heizmaterialbeschaffung. Dabei hatten die Mädchen die schweren Stämme auf den Schultern also ohne Inanspruchnahme von Transportmitteln ins Lager zu schleppen. Im Lager selbst waren die Häftlinge zeitweilig in einer Werkstatt, wo sie Puppen für Kinder gefallener SS-Männer mit Holzwolle ausstopften und mit der Hand bemalten. Daneben bestand auch eine mit Maschinen ausgestattete Näherei, in der die Jugendlichen im Firmenauftrag Kleidung herstellten und ausbesserten, Strümpfe strickten sowie Uniformrangabzeichen fertigten. Ferner kommandierte man die Mädchen in private Haushalte von SS-Angehörigen ab, sie arbeiteten in der außerhalb des Lagers untergebrachten Küche sowie in der SS-Verwaltung. Ein weiteres Häftlingskontingent war den großen Zuchtbetrieben für Angorakaninchen und Mäuse auf dem Gelände des Jugend-KZs zugeordnet.
|