Christoph Karl

1933-1945 Opfer

Der Tagelöhner und Hilfsarbeiter Christoph wohnte in der Hörmannstr. 4 in Garmisch-Partenkirchen.
Er war verheiratet mit der Hausbesitzerin und Lebensmittelhändlerin Therese Christoph.
Er schrieb ähnlich wie Sepp Roith aus Oberau nach seiner Entlassung und vermutlich kurz nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes einen detaillierten Bericht über seine Erlebnisse im Konzentrationslager Dachau.


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Erlebnisbericht

Karl Christoph, In der Hölle von Dachau

Von Karl Christoph, dem Verfasser dieses Erlebnisberichts aus dem Konzentrationslager Dachau, wissen wir nur sehr wenig. Er war Taglöhner, verheiratet mit der Lebensmittelhändlerin Therese Christoph.
Beiden gehörte das Haus Hörmannstraße 4 in Garmisch.

Als am 30. Januar 1933 der Mann an die Macht kam, dem das Deutsche Volk seinen heutigen wirtschaftlichen u. politischen Untergang verdankt, wurde dieser Machtantritt für Hunderttausende von Volksgenossen der Beginn einer Schreckensherrschaft, die unzähligen von ihnen grausamste Leiden u. qualvollsten Tod brachte.

Mit der endgültigen Bestätigung der Macht Hitlers durch den bekannten Wahlausgang im März 1933 traten zwei Erscheinungen sofort u. augenfällig in Aktion, die nicht nur in ganz Deutschland gehasst u. gefürchtet, sondern auch weit über die Grenzen hinaus einen traurigen Ruf erlangt haben.

SS u. Gestapo!
Die Stützen u. Säulen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft nahmen sofort ihre blutige Tätigkeit auf, zu der sie erzogen und in der Zeit der Parteikämpfe systematisch und gründlich geschult wurden.

Wenige Tage nach der schwindelhaftesten Wahl, die je durchgeführt wurde, begannen dann am 10. März abends die Verhaftungen der namhaftesten politischen Gegner. Eine Menschenjagd setzte ein, wie sie die Geschichte wohl selten erlebt hatte.
Mit dem 10. März 1933 begann die Epoche der Hitlerschen Konzentrationslager. In ihnen begann nun der gemeinste und sadistischste Mordterror seine Orgien zu feiern.

Die SS wütete im Blutrausch und entschädigte sich in übervollem Maße für die Enttäuschung über die entgangene Nacht der langen Messer. Das finsterste u. barbarischste Mittelalter feierte seine Auferstehung.

Am 11. März 1933 morgens 5.30 wurde ich verhaftet. Von einer Eskorte von 2 Mann Polizei u. 2 Mann SA wurde ich vorläufig ins Gefängnis eingeliefert, dessen Zellen sich im Laufe der Nacht schon fast gefüllt hatten u. wo ich mit sieben anderen bis zum 10. April blieb.
Außer den üblichen, aber im Rahmen des erträglichen noch gehaltenen Schikanen passierte in diesen vier Wochen weiter nichts.
Wir waren noch nicht in die richtigen Hände gekommen. Am 10. April morgens hörten wir plötzlich einen Lastwagen vor dem Gefängnis halten. Stimmen wurden laut, Schlüssel klirrten und Namen wurden aufgerufen. Wir wussten, unser Schicksalsweg beginnt, der Weg nach Dachau.

Unter bewaffneter Begleitung ging es zur Sammelstelle Weilheim. Dort wurden wir dann in Omnibusse verladen und trafen um 12 Uhr mittags in unserem Bestimmungsort ein. Wir wurden von der Landespolizei, die damals die Verwaltung des Lagers hatte, empfangen.

Wir waren fast die ersten. Vier bis fünf Tage vergingen unter Aufsicht der Landespolizei. Diese war menschlich gerecht und korrekt. Außer der von uns als ungerecht empfundenen Freiheitsberaubung konnten wir eigentlich im Moment über nichts klagen. Wir waren in diesem Lager ungefähr auf 3 - 400 Mann angewachsen und waren bemüht, aus den vollkommen verwahrlosten Baracken einigermaßen menschenwürdige Unterkünfte zu machen. Am fünften oder sechsten Tage vormittag hieß es plötzlich, ein SS-Sturm sei angekommen, um das Lager zu übernehmen.

Wir machten ahnungsvolle u. besorgte Mienen und wir wussten, dass das Leben im Lager sich von nun zu unseren Ungunsten verändern würde. Und es war auch so.

Auf die Stunde brach nun über das Lager ein Schreckensregiment herein, das die schlimmsten Vorstellungen über menschliche Grausamkeiten u. Vertiertheit in den Schatten stellte. Der Tod ist ins Lager Dachau eingezogen und hat als ständiger Gast bei uns Quartier genommen.
Pistolenschüsse knallten im Lager und in den Baracken.
Gewehrschüsse zerrissen die Stille der Nacht und schreckten uns aus dem sowieso schon unruhigen Schlaf. Misshandlungen aller Art waren unser Frühstück, Mittag und Abendessen. Von Tag zu Tag wurde dies beginnende Hölle schlimmer. Gewiss, wir waren Männer und zum großen Teil alte Soldaten, die in 4 1/2 Jahren Krieg hart geworden waren. Aber gegenüber dieser entmenschten Horde, die gegen Wehrlose wütete, konnten selbst wir ein Schaudern nicht unterdrücken. Mitten in der Nacht wurden wir oft aus unseren Strohsäcken gejagt.

Sinnlos besoffen rannten dann brüllend und mit entsicherten Pistolen in der Hand diese schwarzen Bestien durch die Baracken. Aus ihren vom Trunk halb verglasten Augen stierte kaum verhaltene Mordgier. Mit tierischem Gebrüll schlugen sie mit Pistolengriff u. Fäusten in die Gesichter der Wehrlosen.

Oft fragten wir uns besorgt, wie das noch werden und enden würde, wenn dieser sich täglich steigernde blutige Terror die letzten Dämme innerlicher Zurückhaltung durchbrechen würde.

Oft wurden wir noch vor der festgesetzten Zeit mit vorgehaltenen Pistolen in die Baracken gejagt. Dann wussten wir, der Tod geht wieder im Lager um und sucht sich seine Opfer.

Wie oft konnten wir die Schreie der gepeinigten Opfer hören bis sie endlich durch einige Pistolenschüsse verstummten. Durch selbstgemachte Löcher in den dünnen Barackenwänden bohrten wir unsere Augen in die Dunkelheit um den Transport der stummgemachten Opfer zu beobachten, die unter den Krallen dieser blutgierigen entmenschten Meute ein immer schauderhafteres Ende fanden. Denn Töten um des Tötens willen konnten diese Henker nicht. Keiner von uns wusste, ob er selbst noch den Morgen, Mittag oder Abend erleben würde. Das Leben hing in Dachau nicht an einem Seidenfaden, sondern an einer dünnen, sehr dünnen Glückssträhne. Wahllos suchte die SS ihre Opfer zum Quälen oder Töten.

Oft mussten Gefangene die vom Blut ihrer Kameraden bespritzten Wände und Fußböden der Marter- und Todeszellen reinigen, um dann ihr grausiges Wissen in einem entlegenen Teil des Lagerwaldes durch einen Pistolenschuss zu büßen.

Es konnte der SS nicht verborgen bleiben, dass ihr hemmungsloser Mordterror mit Pistolenknall und Todesschrei unter der allmählich bis zu 3000 Mann angewachsenen Lagerbelegschaft begreifliche Unruhe und Aufregung hervorrief.

Man ging deshalb häufiger zur Methode des lautloseren Mordens über. An Stelle der Pistole trat nun öfters der Strick. Mit dem Strick wurden zwei Arten angewandt. Gehenkt werden und sich selbst hängen müssen.

Da es ja diesen vertierten Schindern nicht darauf ankam nur schmerzlos zu töten, sondern auf stets grausame Weise zu quälen, so erfreute sich diese Methode bei ihnen größerer Beliebtheit. Sie wurde auf folgende Weise angewandt: Die dazu ausersehenen Opfer wurden zu einer angeblichen Vernehmung auf die Kommandantur geholt. Sie kehrten nicht wieder ins Lager zurück. Statt dessen wurden sie in ein als Arrestzelle bestimmte und außerhalb des Lagers angebrachte Bretterhütte gebracht und dort eingesperrt. Am Abend kamen dann zwei SS-Männer, meistens Schar- oder Oberscharführer, und legten vor jedem der Gefangenen einen schon gebrauchsfertigen Strick hin mit dem Bemerken, wenn ihr asoziales Gesindel bis morgen früh noch lebt, dann könnt ihr euch gefasst machen auf welche Art wir euch dann zur Ruhe bringen werden.

Die meisten zogen diesen aufgezwungenen Selbstmord den ihnen drohenden schlimmeren Schindertod vor. Die hölzernen Todeszellen brannten dann morgens einigemale nieder.

Ein wahrer Leidensweg war zum Beispiel morgens das Antreten zur Arbeitseinteilung. Es gab da unter anderem verschiedene Arbeitskommandos, die als Strafkommandos galten und von allen gefürchtet waren. Da gab es ein Kiesgruben, ein Kanalreinigung und ein Kommando zum Straßenbau und zum Straßenwalzenziehen.

Alle drei Kommandos waren wahre Kreuzwege und Leidensstationen. Die begleitenden SS-Posten und vor allem der SS-Kommandoführer waren Muster von Menschenschindern. Die Straßenwalze z.B. war 40 Zentner schwer. Sie musste von 20 Mann gezogen werden. Es blieb dem SS-Führer überlassen, welchen Grad des Tempos beim Ziehen eingehalten werden musste. Faustschläge, Fußtritte und Kolbenschläge waren die Begleitmusik zu dieser oft unmenschlichen Schinderei. Zum Kanalreinigen wurden wie bei der Walze meist Juden und solche Gefangene, die sich durch irgendwelche Nichtigkeiten oder durch Einbildung der SS-Barackenkommandanten unsympathisch gemacht haben.
Die Arbeit bestand darin, dass die dazu ausersehenen bisweil über die Knie barfuß im kalten Wasser waten mussten und mit den Händen aus dem Kanalboden den darin liegenden Unrat wie Steine, Scherben, Eisenteile u.s.w. herausholen mussten. Die Kiesgrube war noch mehr gefürchtet Alle drei Kommandos waren ausgesprochene Schlägerkommandos.

Es ist begreiflich, dass sich viele bei der morgendlichen und mittäglichen Arbeitseinteilung aus den gefürchteten Kommandos weg und in bessere einzuschleichen versuchten. Das war nun für die SS ein billiger Grund, um ihren wüsten Ausschreitungen freien Lauf zu lassen.
Kein Morgen oder Mittag verging, ohne dass sich nicht Scenen gemeinster Misshandlungen abspielten. Fußtritte in den Bauch, Kolbenschläge und Faustschläge ins Gesicht waren so alltäglich, dass man sich höchstens gewundert hätte, wenn es einmal nicht vorgekommen wäre.
Sank einmal einer durch Schläge und Tritte, die immer mit großer Wucht und mit besonderer Vorliebe an empfindliche Körperstellen geführt wurden, stöhnend zusammen, dann wurde er aufgerissen und mit der Begründung, er markiere einen Schwächeanfall, um sich von der Arbeit zu drücken, in die Prügelkammer gebracht.
Dort wurde er dann auf den Tisch geworfen mit dem Gesicht nach unten. Die Füße wurden über den Knöcheln niedergeschnallt. Einer der SS-Schinder umkrallte mit den Händen das Genick des Opfers und presste ihm so Gesicht und Kopf nieder. Dann wurden ihm die Kleider bis zur Kniebeuge nach unten und bis zu den Schulterblättern nach oben gezogen. Auf beiden Seiten standen je zwei Mann mit Ochsenziemern bereit, und auf Kommando ging die Schlägerei los. In das Klatschen der mit großer Wucht geführten Schläge mischte sich das Schmerzgebrüll des misshandelten. Unter höhnischem Gelächter der entarteten Sadisten wurde der geschlagene dann mit Fußtritten durch das Tor ins Lager gejagt. 25 Schläge hatten genügt, um aus Rücken und Gesäß eine blutige Fleischmasse zu machen. Vielen wurden Nieren und Rückgrat verletzt und humpelten mit gebeugtem Rücken und auf Stöcke gestützt ins Lager heim.

Hielt einer die üblichen 25 nicht aus und fiel infolge schwächlicher Körperkonstitution während der Procedur in Ohnmacht, dann bleib er für acht Tage im Arrest liegen, um dann mit eiternden und schwärenden Wunden ins Lager zurückzukehren.
Kameraden nahmen sich seiner an und pflegten ihn, um die schmachvollen Zeugen nationalsozialistischer Kultur zu fühlen und zu beseitigen. Im Lager Dachau ist die Prügelstrafe eingeführt, lautete eine Bekanntmachung der Kommandantur. In Wirklichkeit aber war es eine der perversesten Menschenschindereien, die sich in dieser Weise austobte.

Ein weiteres beliebtes Lustspiel dieser Schufte war das Wasserballspiel. Sie gingen durch das Lager und suchten sich jenseits zwei bis drei Opfer aus. Diese wurden dann an den ungefähr 1 ½ m tiefen Teich im Lager geführt. Dann wurden andere Häftlinge gezwungen, die armen Teufel mit Ho-ruck ins Wasser zu schleudern. Diese Procedur wurde solange fortgesetzt, bis die Unglücklichen erschöpft waren.

Ein Unzahl von Arten der Quälerei und Misshandlungen wurden erfunden und der entarteten Phantasie in der Ausführung weitgehendst Spielraum gelassen. In der Erfindung von Grausamkeiten kann diese schwarze Pest den traurigen Ruhm für sich verbuchen, in dieser Art von Erfindung reiche Phantasie zu besitzen.

Es würde zu weit führen und in einem Bericht unmöglich sein, alle Arten von Grausamkeit und menschlicher Entartung ausführlich zu schildern, die in diesen Verbrecherhöllen schon in ihrer Anfangszeit verübt wurden. Ganze Bände könnte man füllen und werden auch geschrieben werden. Dann wird der Welt und auch dem letzten Deutschen das Wesen des Nationalsozialismus in seiner ganzen nackten Gestalt offenbar werden. Das Deutsche Volk aber wird einmal mit Schaudern die Geschichte der Hitlerschen Konzentrationslager lesen und sich mit Ekel und Abscheu von einem System und seinem Anhang abwenden, das seinen ehemals guten Namen vor aller Welt befleckt und besudelt hat. Es darf aber auch nicht das Strafgericht vergessen über dieses Verbrechersystem samt seinem Anhang, das außer allen nichtdeutschen viele Tausende guter und volksbewusster Deutsche Männer bestialisch hingeschlachtet hat, nur weil die das Verbrechen begingen, Gegner des Nationalsozialismus zu sein. Mit Gewalt, Blut u. Terror arbeitete sich dieses System an die Macht. Blut und Gewalt bezeichneten seinen Weg, und in Strömen von Tränen, Blut und Verwüstung ging es unter.

Hochtönend und verführerisch war sein Anfang, kläglich und erbärmlich sein Ende.


Seine führenden Männer aber werden eingehen in die Geschichte als Neros des Deutschen Volkes. Grausam und despotisch in den Tagen ihrer Macht. Feige und erbärmlich in ihrer letzten Stunde."