Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg

Gebiet
Deutschland, Bundesland Bayern, Regierungsbezirk Unterfranken

Eröffnung
17.04.1943
Initiator des Lagers und „Arbeitgeber“ der Gefangenen war der SS-Obersturmbannführer und Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Würzburg, Dr. Werner Heyde, der davor als Obergutachter und Koordinator der Euthanasie-Aktion T4 für den Massenmord an Heilanstaltsinsassen verantwortlich war.

Schließung
Am 22.03.1945 Evakuierung nach Flossenbürg, wo die Häftlinge am 27.03.1945 ankamen.

Häftlinge
Die Häftlinge dieses Lagers dienten der SS als Arbeitskräfte für die Erweiterung des SS-Teillazaretts für Nervenkranke und Hirnverletzte an der Uniklinik Würzburg in der Füchsleinstraße 15.

Geschlecht
Männer

Einsatz der Häftlinge bei
Bauleitung der Waffen-SS und Polizei Würzburg
SS-Teillazarett, Füchsleinstraße 15

Bemerkungen
Die Häftlinge waren anfänglich in einer eigenen Baracke in der Friesstraße untergebracht, einem improvisierten Gefängnis innerhalb einer Haftstätte der Würzburger Geheimen Staatspolizei. Bewacht von der SS und gekleidet in blau-weiß gestreiften Lagerdrillich marschierten die Häftlinge des Außenlagers morgens und abends von diesem Notgefängnis durch das Würzburger Stadtgebiet zu ihrem Arbeitsort, dem Klinikgelände in der Füchsleinstraße 15, und zurück. Ab Herbst 1943 diente ein mit Stacheldraht gesichertes Kellergeschoss eines Klinikgebäudes als Unterkunft der Häftlinge.


Am 16. März 1945 traf die Bomber Group Nr. 5 der Royal Air Force die Nervenklinik in der Füchsleinstraße und die Unterkünfte der KZ-Häftlinge. In den folgenden Tagen wurden sie zum Bombenräumen und Leichenbergen eingesetzt.

Im Mai 1945 internierte die britische Armee Werner Heyde, den Initiator und Profiteur der KZ-Außenstelle, im Juli 1947 flüchtete, ab 1949 verfasste er unter dem Namen Fritz Sawade in Flensburg binnen zehn Jahren rund 7000 nervenärztliche Gutachten. 1959 stellte er sich, nachdem ein Kollege seine Identität aufgedeckt hatte, der Polizei. 1964 nahm er sich in Untersuchungshaft im Zuchthaus Butzbach das Leben.

Nichts erinnert heute auf dem Areal der Nervenklinik an das KZ-Außenlager. Keiner der Lager-Verantwortlichen und -Wärter wurde je zur Rechenschaft gezogen.

Lehmann Herbert

1909 in Dresden

Herbert Lehmann auf der Flucht

Zu ihrem Arbeitsplatz in der Füchsleinstraße hatten die Gefangenen eine beträchtliche Strecke zu Fuß zurückzulegen. Herbert Lehmann entschloss sich, diesen Umstand zu nutzen.

Als sich die Häftlingsgruppe am Mittwoch, den 18. August 1943 auf dem Weg zur Arbeitsstelle befand, flüchtete er um kurz nach 7 Uhr und machte sich flink über die Weinberge bei Grombühl und vermutlich das Bismarckwäldchen davon.

Er trug die weiß-blau gestreifte Häftlingskleidung und ein schwarzes Hemd. Um nicht aufzufallen, dürfte er sich als erstes seiner Jacke entledigt haben. Zügig muss er sich, vermutlich von einer Wäscheleine, auch eine neue Hose verschafft haben.

Obwohl nach 8.30 Uhr sämtliche Polizeibeamte der Region alarmiert waren, gelang es Lehmann noch, auf die andere Mainseite zu wechseln. Eilig marschierte er weiter in Richtung Karlburg. In der Nähe des Ortes traf er auf zwei Gendarmen. Weil er Zivilkleidung trug, erkannten sie ihn nicht.

Lehmann gab an, in Karlburg einen Mann namens Hinkel besucht zu haben, er müsse nun nach Lohr in die Arbeit. Ein Herr Hinkel war freilich, wie die Überprüfung schnell zeigte, in Karlburg unbekannt. Lehmann wurde nun festgenommen, um in Karlstadt einer näheren Überprüfung unterzogen zu werden.

In den Händen der SS

Am Ortseingang von Karlburg versuchte er zu fliehen, aber die Gendarmen holten ihn sofort ein. Offenbar gab er nun seine Sache verloren, er gestand seine Identität. „Ich habe die Flucht ergriffen und Widerstand geleistet“, soll er ausgesagt haben, „weil ich mir die Freiheit wieder verschaffen wollte.“

Drei SS-Männer holten ihn im Auftrag von Heyde ab. Auf der Rückfahrt hielten sie gegen 18.30 Uhr zwischen Thüngersheim und Veitshöchheim an, angeblich, weil sie austreten mussten. Später gaben sie an, Lehmann habe dem Oberscharführer B. beim Verlassen des Wagens einen Hieb auf die Brust versetzt und sei über den Straßengraben gesprungen. B. habe nachgesetzt und Lehmann im Laufen mit der Pistole erschossen.

Das Gerichtsmedizinische Institut Würzburg gab als Todesursache „Halswirbelsäulenschussverletzung“ an. Ein Treffer aus dem vollen Lauf heraus genau in die Halswirbelsäule ist allerdings kaum realistisch. Der „Fluchtversuch“ war mit größter Wahrscheinlichkeit nur die gängige Formulierung für die Akten, um den blutigen Vorfall für die Beteiligten zu einem schnellen Abschluss zu bringen.

Da im Raum Würzburg keine Möglichkeit einer schnellen Einäscherung bestand, wurde Lehmanns Leiche am 20. August durch das Städtische Bestattungsamt Würzburg auf dem Heidingsfelder Friedhof in einem anonymen, unbekannten Grab beerdigt. Die Kosten übernahm vorerst die Gestapo-Außendienststelle Würzburg.

Am 8. November 1943 reichte die Gestapo die Rechnung an die Stadt Würzburg weiter, weil der Fürsorgeverband der Stadt Dresden die Kostenübernahme für ihren ehemaligen Bürger abgelehnt hatte. Gut zwei Wochen darauf teilte das Stadtwohlfahrtsamt Dresden mit, es habe dem Städtischen Bestattungsamt die Kosten für Lehmanns Beerdigung erstattet.