Versorgungsanstalt Schloss Schernberg

Übersicht

Österreich, Bundesland Salzburg, Bezirk St. Johann im Pongau

Auf einer Anhöhe, wenige Kilometer oberhalb von Schwarzach liegt Schloss Schernberg. Mitte des 19. Jahrhunderts erwarb Fürsterzbischof Friedrich Schwarzenberg das ursprünglich aus dem 12. Jahrhundert stammende Gebäude und übergab es gemeinsam mit dem Spital in Schwarzach den Barmherzigen Schwestern. Seit dieser Zeit werden in Schernberg chronisch Kranke und Behinderte oder wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß "Geistessieche, körperlich Sieche, Cretinen und hoffnungslose Irre" betreut.

Die Zahl der zu versorgenden Personen stieg rasch an, sodass die Anstalt häufig überfüllt war. Nach dem "Anschluss" 1938 überwies der Landesfürsorgeverband mehr als 60 Patienten aus der Salzburger Landesheilanstalt nach Schernberg. 1940 war die Zahl der Pfleglinge auf über 170 gestiegen. 123 von ihnen, 79 Frauen und 44 Männer, wurden in Hartheim ermordet.

Mitte August 1940 erhielt die Anstaltsleitung ein Schreiben der Reichsstatthalterei mit der Erklärung, "dass … die gegenwärtige Lage die Verlegung einer größeren Anzahl von in Heil- und Pflegeanstalten untergebrachten Kranken notwendig macht, um für andere Zwecke Betten jederzeit verfügbar zu haben. Die Kranken werden nebst ihren Krankenpersonalakten und Krankengeschichten in Sammeltransporten verlegt."

Angesichts dieser Ankündigung war die Visitatorin der Barmherzigen Schwestern, Anna Bertha Königsegg, fest entschlossen, dass Leben der Pfleglinge zu schützen. Die Schwestern in Schernberg bekamen von ihr den Auftrag, keine Mithilfe beim Abtransport der Patienten zu leisten. "Am 19.4.1941 kamen zwei Gestapobeamte und der Direktor von Niedernhart (gemeint ist Dr. Rudolf Lonauer) und verlangten die Dokumente und Krankengeschichten der Patienten. Da sich die Schwestern weigerten, die Patienten zu identifizieren, wandten sich die Beamten an einige 'hellere' Patienten, die diese Auskünfte gaben. In den frühen Morgenstunden des 21.4.1941 kam die Gestapo mit vielen Helfern und Helferinnen. Beim Ankleiden und Abtransport der Patienten spielten sich erschütternde Szenen ab, Widerspenstige wurden niedergespritzt. Nach einer Liste wurden 74 Frauen und 41 Männer ausgesucht. Die Gehfähigen trieb man den Berg hinunter, die anderen wurden in kleine Autos gesteckt; denn die großen, schwarz verhängten Autobusse waren den steilen Weg zum Schloss nicht hinaufgekommen und warteten in Schwarzach. Beim Umladen wurden wieder viele Patienten niedergespritzt; es wurde vermutet, dass viele die Fahrt nach Niedernhart bereits tot antraten."

Nach dem Abtransport war die Aufregung in der Schwarzacher Bevölkerung so groß, dass an der Germeinde-Tafel folgende Warnung angeschlagen wurde: "Wer noch von Schernberg redet habe eine Strafe von RM 200,-- zu erwarten".

Ein Monat später, am 20. Mai 1941 erfolgte der nächste Abtransport, der aus drei Männern und fünf Frauen bestand. Mehrere PatientInnen, die auf der Liste aufschienen, waren aber nicht auffindbar, da die Schwestern sie rechtzeitig zum "Schwammerlsuchen" in den Wald geschickt hatten. Insgesamt konnten so 17 Personen gerettet werden. Am 4. August 1941 wurden auf Anweisung des Reichsstatthalters die verbliebenen Pfleglinge in die Salzburger Landesheilanstalt gebracht. Ob auch sie für die Euthanasie vorgesehen waren, ist nicht mehr zu klären. Die 36 Personen blieben jedenfalls die NS-Zeit über in der Landesheilanstalt, ein Teil konnte später wieder nach Schernberg zurückkehren.
Quelle: Landesarchiv Salzburg. „ÜBERSTELLT NACH NIEDERNHART"

17.08.1940

Schreiben der Reichsstatthalterei Salzburg, gezeichnet vom Vorstand der Abteilung III, Gaufürsorgeamt, Dr. Oskar Hauser:
Streng vertraulich!
„Zur streng vertraulichen Behandlung wird mitgeteilt, dass laut dem Erlasse des Reichsverteidigungskommissars im Wehrkreis XVIII in Innsbruck die gegenwärtige Lage die Verlegung einer größeren Anzahl von in Heil-und Pflegeanstalten untergebrachten Kranken notwendig macht, um für andere Zwecke Betten jederzeit verfügbar zu haben. Die Kranken werden nebst ihren Krankenpersonalakten und Krankengeschichten in Sammeltransporten verlegt. Der Abgabeanstalt entstehen aus dem Transport keine Kosten; die Benachrichtigung der Angehörigen über die Verlegung hat durch die Abgabeanstalt hat auch die Kostenträger davon in Kenntnis zu setzen, dass weitere Zahlungen über den Tag der Verlegung hinaus so lange einzustellen sind, bis sie von der Aufnahmeanstalt aufgefordert werden. Die notwendig werdenden Verlegungen werden von Fall zu Fall angeordnet werden.“

23.08.1940

Schreiben Schwester Anna Bertha Königsegg an den Reichsverteidigungskommissar im Wehrkreis XVIII, Friedrich Rainer
Die Oberin der Versorgungsanstalt Schernberg bei Schwarzach erhielt dieser Tage die Mitteilung, die sie mir als ihrer Vorgesetzten weitergab, dass Kranke der Anstalt in Sammeltransporten abgeholt und in andere Anstalten überführt würden.
Es ist nunmehr schon ein offenes Geheimnis, welches Los diese abtransportierten Kranken erwartet, denn nur zu oft langt kurz nach ihrer Überführung die Todesnachricht vieler derselben ein. Bedenken Sie, Herr Reichsverteidigungskommissar, die Folgen dieses Vorgehens: Unsere siegreich heimkehrenden Krieger, die Blut und Leben für das Vaterland gewagt haben, werden vielleicht Vater und Mutter oder sonst einen nahen Verwandten nicht mehr vorfinden. Wir werden Sie dazu stehen? Und bringt es nicht eine große Unruhe unter das Volk, das gerade heutzutage mehr denn je geeint und vertrauensvoll da stehen sollte, wenn ein jeder sich fragen muss:
„Was wird noch mit mir geschehen?“ Denn ein jeder von uns, auch Sie und ich, wird einmal hilfsbedürftig werden oder durch Krankheit oder Unfall der Gemeinschaft keinen aktiven Dienst mehr leisten können. Was wird auch das Ausland von uns denken, wenn ein so hochstehendes Kulturvolk, das die größten Siege der Weltgeschichte erringt, mitten in seinem Siegeslauf beginnt, sich selbst zu verstümmeln? Wenn Sie uns zusagen, uns unsere Pfleglinge in Schernberg zu belassen, so sind wir bereit, bis zum Ende des Krieges und der Rückkehr zu Friedensverhältnissen auf den staatlichen Beitrag zur Erhaltung der Kranken zu verzichten und einzig auf Kongregationskosten die Anstalt im jetzigen Zustand weiter zu erhalten. Das dadurch dem Gau eingesparte Geld kann dann leicht verwendet werden, um die
notwendigen, jederzeit verfügbaren Betten zu beschaffen.
Sollte aber aus irgendeinem Grunde der Vorschlag nicht angenommen werden, so bitte ich Sie, nicht auf unsere Mithilfe beim Abholen und Transport der Kranken zu rechnen.

13.04.1941

Schreiben Schwester Anna Bertha Königsegg an den Reichsverteidigungskommissar im Wehrkreis XVIII, Friedrich Rainer
„Als im verflossenen Sommer Pfleglinge der Anstalt Schernberg im Sammeltransport abgeholt werden sollten, machte ich ihnen in einem Schreiben vom 23. August 1940 den Vorschlag, um dies zu vermeiden, bis zur Rückkehr von Friedensverhältnissen die Pfleglinge auf Kongregationskosten zu
erhalten. Ich erhielt keine Gegenäußerungen auf meinen Vorschlag, aber bis jetzt wurden auch keine Pfleglinge abgeholt, so dass ich diese Gelegenheit benütze, um Ihnen, Herr Reichsverteidigungskommissar, meinen Dank auszusprechen. Nun wird aber die Frage wieder akut, wie Sie aus beiliegendem Schreiben ersehen, und ich ersuche Sie abermals, mein Anerbieten anzunehmen und uns unsere Kranken zu belassen. Die Bevölkerung wird Ihnen dankbar sein, wenn sie ihre Angehörigen in der Nähe hat, und Gott wird es Ihnen lohnen, wenn Sie Erbarmen haben mit diesen armen Patienten. Wenn Sie einst vor Gott erscheinen, wird dieses Werk schwer wiegen zu Ihren Gunsten, und in diesem Augenblick werden wir alle froh sein, mit guten Werken uns den gerechten Richter geneigt machen zu können.
Also rechne ich damit, dass Ihr Rechtssinn, der Sie bisher in dieser Angelegenheit geleitet hat, auch ferner Ihre Bestimmungen zugunsten dieser armen Kranken beseelen wird. Ich halte mein Angebot aufrecht und ersuche um baldige Antwort. Sollten Sie gegen mein Erwarten auf den Transport bestehen, so bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich den Schwestern verbieten muss, irgendwie dabei mitzuhelfen, wäre es auch nur mit dem Ausfüllen von Listen oder Fragebögen, denn unser Gewissen verbietet uns, in dieser Aktion mitzuwirken“.

21.04.1941

In den frühen Morgenstunden des 21.04.1941 kam die Gestapo mit vielen Helfern und Helferinnen zur Versorgungsanstalt Schloss Schernberg. Beim Ankleiden und Abtransport der Patienten spielten sich erschütternde Szenen ab, Widerspenstige wurden niedergespritzt. Nach einer Liste wurden 74 Frauen und 41 Männer ausgesucht. Die Gehfähigen trieb man den Berg hinunter, die anderen wurden in kleine Autos gesteckt; denn die großen, schwarz verhängten Autobusse waren den steilen Weg zum Schloss nicht hinaufgekommen und warteten in Schwarzach. Beim Umladen wurden wieder viele Patienten niedergespritzt; es wurde vermutet, dass viele die Fahrt nach Niedernhart (Euthanasie-Anstalt Schloß Hartheim) bereits tot antraten."

Nach dem Abtransport war die Aufregung in der Schwarzacher Bevölkerung so groß, dass an der Germeinde-Tafel folgende Warnung angeschlagen wurde: "Wer noch von Schernberg redet habe eine Strafe von RM 200,-- zu erwarten".