Internierungs-Sammellager

Deutschland, Bundesland Nordrhein-Westfalen, Regierungsbezirk Köln, Kreis Rhein-Sieg-Kreis

Im sog. „Judenlager Much“ - einem ehemaligen Barackenlager des Reichsarbeitsdienstes (RAD-Abt. 7/212 Much, RAD-Abt. 5/213 Much ), unmittelbar am Wahnbach gelegen - waren seit Juni 1941 alle noch im Kreisgebiet lebenden Juden zusammengefasst worden.
es wurde am 04.12.1940 vom RAD geräumt.

Insgesamt waren dort 114 Lagerinsassen aus den Ortschaften des Siegkreises, darunter 51 Juden aus Siegburg.
Die Juden wurden auch gezwungen, das Lager selbst zu verwalten: Zunächst hatte der Lehrer Max Gottlieb aus Siegburg die Leitung inne, später Hugo Koppel.
Das Lager war mit Stacheldraht eingezäunt, und die örtliche Polizei bewachte das Lager unregelmäßig.

Es verfügte über Küche Tagesraum, 3 Schlafräume, mehrere kleine Räume.

Bei Bezug durch die Juden befand sich das Lager in einem baulich sehr schlechten Zustand. Es wurde eingezäunt und von der Ortspolizei unregelmäßig kontrolliert

Sogar Miete sollten die Gefangenen zahlen, 6 000 Reichsmark im Jahr schwebten dem Landrat vor. Das Finanzamt in Siegburg legte am 18. November 1941 einen "Grundsteuermessbescheid" vor, sogar mit einer Rechtsmittelbelehrung. Wer nicht zahlte, der durfte dann auch nicht mehr im Lager bleiben. Die Lagerordnung war streng. Die Insassen hatten zwar Ausgang - dessen Zeit streng geregelt war - durften Much aber nicht betreten, keine Kontakte zur Bevölkerung aufnehmen oder unerlaubt außerhalb des Lagers arbeiten.

Die Lebensmittel waren äußerst knapp: zehn Liter Magermilch gab es täglich für 115 Lagerinsassen. Das Jahr 1942 brachte noch härtere Vorschriften, selbst Haustiere verbot die Lagerverwaltung. Dann machten die ersten Nachrichten von der "Evakuierung" die Runde. Aus dem Rheinland wurden die ersten Juden Ende 1941 nach Lodz und Riga deportiert, aus dem Siegkreis im Juni und Juli des Jahres 1942 auch nach Theresienstadt und in die Konzentrations- und Vernichtungslager des Raums Lublin.

Vergabe von Heimarbeit erfolgte durch die
Metallwerke "Elektra" in Gummersbach ("leichte Heimarbeit an Tischen"), außerdem der
Firmen Ley (Dichtungsprofile) und Hagen (Drahtseilverarbeitung) aus Siegburg.

Einige Lagerinsassen fanden Arbeit in landwirtschaftlichen Betrieben der Umgebung.
Im Lager herrschte große Lebensmittelknappheit; die Ausübung "religiöser Gebräuche" war möglich.

Am 6. August 1941 meldete der Landrat an die Gestapo in Köln Vollzug, "dass die Zusammenlegung der Juden im Siegkreis restlos durchgeführt worden ist".

Herbst 1941 Beginn der Massendeportationen im Reich "nach Osten".
Die "Evakuierung" des Lagers Much erfolgte in 4 Schüben:
1.
14.06.1942 08.30 Uhr von Much nach Bonn,jüdisches Gemeinschaftshaus, dort 15.06.weiter "nach Osten"
2.
14.06.1942 12.30 Uhr von Much nach Köln - Deutz, Messehalle, dort 15.06.weiter ins "Altersghetto Theresienstadt"
3.
19.07.1942 von Much nach Köln - Deutz, von dort 20.07."nach dem Osten"
4.
27.07.1942 08.00 Uhr von Much nach Köln - Deutz, von dort nach Theresienstadt
(
Transport 27.07.1942 Köln)

Für den Transport nach Theresienstadt waren zunächst Juden mit Kriegsauszeichnungen (ab Eisernes Kreuz I. Klasse), Juden über 65 Jahren und schwerkriegsbeschädigte Juden vorgesehen. Ursprünglich war wohl beabsichtigt, sie nicht zu töten; später wurden sie doch in die Vernichtungslager gebracht.

Nach dem letzten Transport meldete der Bürgermeister der Gemeinde
Much, dass das Lager von Juden „jetzt frei“ sei.

Augenzeugenbericht
"Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie die Juden auf Lastwagen zum Abtransport verladen wurden. Ich sah, wie man einfach die Kinder nahm und auf den Wagen warf." Der Transport führte weiter zum jüdischen Gemeinschaftshaus an der Kapellenstraße in Bonn und dann gen Osten.

Nur einer der ehedem in Much Internierten hat den Holocaust überlebt. Die Alliierten befreiten am 8. Mai 1945 auch Adolf Moses Aron aus dem Konzentrationslager Theresienstadt. Zum Sterben kehrte er zurück in seine Heimat. Im Alter von 77 Jahren starb er am 3. November 1947 im Honnefer Krankenhaus.

Frenkel Rosa geb. Wolff, *29.8.1903 Mondorf, wohnhaft in Mondorf, Rheidt und Niederkassel; Inhaftierung im Internierungslager Much; deportiert am 20.7.1942 ab Köln nach Minsk; umgekommen im Juli 1942 in Theresienstadt
In dem Archiv von Theresienstadt ist Rosa Frenkel geb. Wolff nicht aufgeführt.

Wolff Jakob, *5.3.1902 Arloff; wohnhaft in Mondorf; Inhaftierung in Much; deportiert am 20.7.1942 ab Köln nach Minsk; für tot erklärt

Moses Walter, *31.8.1860 Siegburg, wohnhaft in Siegburg, während des Krieges in Much; deportiert nach Theresienstadt; Ehemann von Fanny Herz; Sohn von Isaac Walter und Amalia von Geldern. Am 21.7.1942 schreiben beide kurz vor ihrer Deportation aus Much einen gemeinsamen Brief an ihre Kinder. Zu Moses Walter aus Siegburg, Holzgasse 24, liegt ein Gedenkblatt bei YadVashem vor, in dem als seine Ehefrau Rosalie Friedländer genannt ist. Daraus kann nach aktuellem Kenntnisstand nur geschlossen werden, dass Rosalie Friedländer seine erste Ehefrau war und Moses Walter in zweiter Ehe mit Sanny Herz verheiratet war. Bei Rosalia handelt es sich möglicherweise um Rosalia Friedländer, *1869 St. Tönis.

Sanny Walter, geborene Herz, *12.11.1872 Zülpich, wohnhaft in Siegburg; deportiert ab Trier - Köln nach Much, Internierungslager; am 27.7.1942 nach Theresienstadt, Ghetto; am 19.9.1942 nach Treblinka, Vernichtungslager

Familie Hirsch Bergheim, Bergstrasse 27
Die Hirschs wurden am 20.6.1941 in das Internierungslager Much, am 14.6.1942 von dort nach Bonn-Endenich in das ehemalige Kloster deportiert, das als Sammelstelle für die Bonner Juden diente, und weiter in die Vernichtungslager des Ostens.

Familie Levy Bergheim, Siegstr. 35
wurde am 26.6.1941 in das Internierungslager Much deportiert, dann am 26.6.1942 nach Theresienstadt; ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

Liebmann, Rolf Günther
* 27.11.1924 in Frickhofen in das Internierungslager Much deportiert
ab Köln 20. Juli 1942, Minsk, Ghetto

Familie Meier aus Troisdorf
Sie wohnten bis 1932 in der Poststrasse 69, rechts neben der Gaststätte "Deutscher Kaiser". Eigentümer des Hauses war ein Herr Peifer. Emanuel Meier betrieb ein Lebensmittelgeschäft. Aus einem unbekannten Grund zog die Familie 1932 - damals war Arthur noch nicht verheiratet - in die Strasse "Im Grotten" in das Haus Nummer 23.
Als Josef Meier im Winter 1938/39 nach Hause kommt, müssen er, seine Eltern und sein Sohn in das "Judenhaus" Bergstrasse 17 umziehen. Dieses Haus, das Reginas Bruder Eduard Sommer gehört, war von den Nazis den Troisdorfer Juden zugewiesen worden. Darin lebten jetzt auch die Ehepaare Marx und Neumann. Günter - jetzt 12 Jahre alt - war das einzige Kind unter diesen Erwachsenen. Als seinem Vater Josef im Spätsommer 1939 die Flucht nach Grossbritannien gelingt, ist Günter mit seinen alten Grosseltern - beide jetzt 68 Jahre alt - allein. Regina Meier wich auf der Strasse früheren Nachbarinnen ängstlich aus und warnte z.B. Frau R.: "Geh weiter, Luise!"
Am 18. Juni 1941 wurden die Meiers als einzige Troisdorfer in das ehemalige Reichsarbeitsdienst-Lager Much deportiert: Holzbaracken mit mangelhafter hygienischer Ausstattung. Emanuel starb dort am 4. März 1942 mit 71 Jahren; als Todesursache kommen allgemein zu Zustände im Lager in Frage. Jetzt war Günter (15) mit seiner Grossmutter (71) allein.
Am 20. Juli 1942 wurden sie von Much aus nach Köln-Deutz gebracht und von der Reichsbahn zusammen mit Hunderten weiterer Juden aus dem Rheinland nach Minsk (Weissrussland) deportiert. Ihr letztes Lebenszeichen findet sich auf einer Postkarte, die Elisabeth Cahn (Sieglar) am Montag, dem 20. Juli 1942, geschrieben hat und die am 22. Juli 1942, 10 Uhr, in Köln abgestempelt wurde; darauf schreiben die beiden Grüsse an Maria Qu.
In Minsk kamen sie am 24. Juli 1942 frühmorgens am Güterbahnhof an und wurden nur wenige Stunden später in Maly Trostinec an offenen Gruben erschossen; diese befanden sich im Wald von Blagowtschina in der Nähe der ehemaligen Kolchose "Karl Marx". Täter waren SS-Leute unter dem Kommando des SS-Unterscharführers Arlt.