Ghetto
Bezeichnung:
Gebiet:
Polen, Woiwodschaft Lublin, powiat Biala Podlaska, Gmina Łomazy
Eröffnung:
Liquidierung:
01.04.1942
Deportationen:
Erschießungen
Einsatz der Häftlinge bei:
Art der Arbeit:
Bemerkungen:
Der Ort liegt 16 km von Biala Podlaska und 84 km (52 Meilen) nordöstlich von der Hauptstadt der Region Lublin.
Am 19. August 1942, vernichtete das Reservepolizeibatallion 101 die jüdische Bevölkerung der Stadt. Zur selben Zeit waren Deportationszüge unterwegs von Lviv (Lwow) und Jaslo nach Belzec und von Warschau und Otwock nach Treblinka. An diesem Tag wurden über 25.000 Juden ermordet und es gab viele solcher Tage in diesen schrecklichen Monaten.
örtliche Aussiedlung der Juden aus Lomazy
Am frühen Morgen des nächsten Tages begann die Aktion.
Oberleutnant G. und der SD-Offizier verteilten die Einsatzaufgaben und gaben die Befehle.
Die 2. Kompanie hatte zunächst die Aufgabe, den Ort nach außen und innen durch Absperrungen zu sichern und dann die Räumung des Judenviertels durchzuführen. Auch für diese Räumung galt der Schießbefehl, nach dem alle Gebrechlichen, Kranke und Kleinkinder an Ort und Stelle zu erschießen waren. Bei der Räumung war vor allem der 2. Zug eingesetzt. Die Durchsuchung der Häuser wurde mit außerordentlicher Genauigkeit durchgeführt. Die verfügbaren Kräfte waren in Durchsuchungstrupps von 2 bis 3 Schutzpolizisten aufgeteilt. Der Zeuge H. berichtete, daß es zu ihren Aufgaben gehörte, auch die Kellerräume und die Dachböden der Häuser mit zu durchsuchen. Die Juden waren nicht mehr arglos. Sie hatten in Erfahrung gebracht, was im gesamten Generalgouvernement mit den Angehörigen ihrer Rasse geschah. Sie versuchten deshalb, sich zu verstecken und sich so der Vernichtung zu entziehen. Überall im Judenviertel wurde geschossen. Der Zeuge H. hat allein in seinem Abschnitt, in einer Häuserzeile, etwa 15 erschossene Juden gezählt. Nach etwa 2 Stunden war das sehr übersichtliche Judenviertel geräumt.
Die Juden wurden auf einem Schulhof oder Sportplatz gesammelt.
Hier mußten sie sich - nach Geschlechtern getrennt - hinsetzen. Mehrere Stunden lang kauerten sie in der brennenden Sonne. In der Zwischenzeit hoben etwa 50 männliche Juden unter Aufsicht der Schutzpolizei die Erschießungsgrube aus. Das geschah unweit des Ortes in einem unübersichtlichen Waldgebiet. Nach Abschluß der Räumung hatte sich die gesamte 2. Kompanie auf dem Schulhof versammelt und bewachte dort die zusammengetriebenen Juden. Schließlich traf verspätet die Hiwi-Formation ein. Es begann nun der Abtransport der Juden zu einem Sammelplatz am Waldrand. Das geschah in der Weise, daß Gruppen von 50 bis 100 Juden - eskortiert von Schutzpolizei - in den Wald getrieben wurden. Der gesamte Weg bis zum Waldrand war von Schutzpolizei abgesperrt. Das Waldgelände, in dem die Erschießungsgrube lag, wurde von einer dünnen Postenkette abgeschirmt. Auf einer Wiese unweit der Erschießungsgrube mußten die Juden sich erneut lagern. Nachdem die Mehrzahl der Juden bereits in den Wald abgerückt war, blieb schließlich auf dem Schulhof eine größere Gruppe von etwa 200 Menschen zurück. Einer der Schutzpolizisten kam auf die Idee, diese Gruppe mit Stricken zu umschließen und sie so in den Wald zu bringen. Aus den Bauernhäusern wurden Stricke geholt und zu einem langen Seil verknüpft, das um die Gruppe der Juden gelegt wurde. Die an der Außenseite Stehenden mußten nun den Strick hochnehmen. Auf diese Weise wurde der ganze Pulk in Richtung auf den Wald getrieben. Die zusammengedrängten Menschen gerieten jedoch in Unordnung. Ein Teil der Schwächeren stürzte und behinderte die anderen. Schließlich kam die gesamte Gruppe nicht mehr vorwärts. Daraufhin erteilte der Leiter den Befehl, den Strick fallen zu lassen. Während der gesamten Zuführung in den Wald wurden die Juden mit großer Grausamkeit behandelt. Sie wurden mit Kolbenhieben und Stockschlägen vorwärtsgetrieben.
Ebenso wie bei der Räumung wurden Kranke und Gebrechliche, die nicht Schritt halten konnten, erschossen.
Der neue Sammelplatz auf einer wiesenartigen Waldlichtung war etwa 40 bis 50 m von der Erschießungsgrube entfernt. Die Juden mußten sich dort ebenfalls, nach Geschlechtern getrennt, lagern. Der Blick auf die Erschießungsgruppe war durch eine Waldnase versperrt. Zur gleichen Zeit wurde ein jüdisches Arbeitskommando von 80 bis 85 Männern, das in einiger Entfernung vom Ort in einem Barackenlager untergebracht gewesen war, und dort Drainagearbeiten ausgeführt hatte, von der Gruppe B. ebenfalls zum Sammelplatz am Wald gebracht.
Nachdem alle Juden am Waldrand eingetroffen waren, mußten sie sich entkleiden. Die Frauen durften den Unterrock, die Männer die Unterhose anbehalten. Ihre Kleidung wurde auf einem großen Haufen zusammengetragen. Die Aufsicht am Entkleidungsplatz führte B. Auch hier gab es wieder lange Wartezeiten. Zeugen berichten davon, daß die Leiber der Opfer von der sengenden Sonne rot gebrannt gewesen seien.
Anschließend mußten sich die Juden auch noch einer Wertsachenkontrolle unterziehen und Schmuck, Geld und sonstige Wertsachen in eine bereitgehaltene Kiste werfen. Diese Kontrolle nahm eine Gruppe Schutzpolizei unter der Führung des Zeugen und damaligen Gruppenführers B. vor. Als alle Vorbereitungen abgeschlossen und die Hiwis an der Grube eingetroffen waren, begann die Exekution. Die Juden wurden in Gruppen von etwa 10 Menschen in die Grube getrieben. Das war in erster Linie Aufgabe der Hiwis. Sie trieben die Juden durch Zurufe und durch Schläge mit Knüppeln und Peitschen zu größerer Schnelligkeit an. Der Zeuge F. hat ihr Verhalten als bestialisch bezeichnet. Der ständige Einsatz im Rahmen der Judenvernichtung hatte die Angehörigen dieser Einheiten zu einer zügellosen entmenschten Soldateska herabsinken lassen. Während des Zutreibens zur Grube ereignete sich ein Vorfall, der zeigte, daß die deutschen Führer der Aktion den Hiwis in nichts nachstanden.
Kompanieführer Oberleutnant G. hatte zusammen mit dem SD-Offizier seit dem Beginn der Aktion dem Alkohol zugesprochen. Als eine Gruppe älterer männlicher Juden mit langen Bärten zur Exekution geführt werden sollte, gab er einer plötzlichen Laune nach und zwang sie, sich auf den Boden zu legen und sich auf dem Bauche robbend zur Grube hinzubewegen. Gleichzeitig schlug er mit einem Knüppel auf sie ein, um sie anzutreiben. Dabei schrie er: »Wo sind denn meine Unterführer? Haben sie keine Knüppel?« Dieser Aufforderung leistete eine Reihe von Unterführern Folge. Es konnte nicht festgestellt werden, wer im einzelnen an diesen Grausamkeiten persönlich beteiligt gewesen war. Die Erschießungsgrube war etwa mannstief ausgehoben worden. Auf beiden Längsseiten lag das ausgehobene Erdreich zu Wällen aufgeworfen. An einer Schmalseite war ein rampenartiger schräger Einstieg angelegt worden. Die Juden mußten, angetrieben von der Schutzpolizei, im Laufschritt in die Grube stürzen und sich auf den Boden hinlegen. Dann wurden sie von den zunächst auf dem Boden der Grube und später auf den Wällen an beiden Seiten aufgestellten Erschießungskommandos erschossen.
Während der Exekution hatte sich in der Erschießungsgrube in etwa einem halben Meter Höhe Grundwasser angesammelt. Es wurde bald vom Blut der erschossenen Juden rot gefärbt. In ihm trieben schwimmende Leichen. Diejenigen Opfer, die nicht sofort tödlich getroffen worden waren, ertranken. Die neu hinzukommenden Juden mußten sich auf die Leichen oder die noch zuckenden Körper ihrer Vorgänger legen, um ebenfalls erschossen zu werden. Die Hiwis hatten vor und während der Erschießung ständig dem Alkohol zugesprochen und waren bald kaum noch in der Lage zu schießen. Sie schossen so unkontrolliert, daß die Schutzpolizisten Angst bekamen, selbst getroffen zu werden. Dadurch erhöhte sich die Zahl der nur angeschossenen und verletzten Juden in der Grube. Die betrunkenen Schützen standen bis zu den Knien in dem blutigen Wasser. Die beiden ebenfalls betrunkenen Leiter der Aktion kamen hierüber in ein Streitgespräch. Der SD-Führer hatte sich ständig selbst an der Exekution beteiligt, obwohl er in seiner Trunkenheit immer wieder Gefahr lief, in die Grube hineinzustürzen. Schließlich schrie er Oberleutnant G. an: »Ihre Scheißpolizei schießt ja überhaupt nicht!« Oberleutnant G. ließ daraufhin seine Unterführer, soweit sie sich an der Grube aufhielten, zu sich kommen und befahl den Einsatz der Schutzpolizei zur Exekution. Die Unterführer teilten die an der Grube verfügbaren Kräfte in Exekutionskommandos auf. Daß hieran einer der Unterführer mitgewirkt hätte, läßt sich nicht sicher feststellen. Während nun die Hiwis in der Nähe der Grube unter den Bäumen sich ausruhten, Zigaretten rauchten oder ihren Rausch ausschliefen, wurde die Exekution von der Schutzpolizei fortgesetzt. Im Unterschied zu den Hiwis stellten die Exekutionskommandos der Schutzpolizei sich auf den beiden wallartigen Grubenrändern an der Längsseite auf und erschossen von dort aus wechselseitig die ihnen zugetriebenen Opfer. In dieser Weise waren sie mindestens eine halbe Stunde eingesetzt. Dann wurden sie abgelöst.
Die Hiwis, die sich wieder etwas erholt hatten, führten die Exekution zu Ende. Die Erschießungsgrube wurde von einem Arbeitskommando
männlicher Juden geschlossen. Die Angehörigen dieses Arbeitskommandos wurden dann ebenfalls erschossen und verscharrt. Gegen Abend war die Aktion zu Ende. Mindestens 800 jüdische Einwohner des Ortes Lomazy hatten den Tod gefunden.