Ghetto
Bezeichnung
Gebiet
Litauen, Verwaltungsbezirk Kaunas, kreisfreie Stadt Kaunas
Eröffnung
August 1941
Liquidierung
Um den 15.09.1943 Umwandlung in ein Konzentrationslager
Deportationen
Einsatz der Häftlinge bei
Art der Arbeit
Namensliste der Opfer
Täter
Bemerkungen
Kaunas wurde am 24.07.1941 von der Wehrmacht besetzt. Ab dem 25. Juni fanden die ersten großen Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung statt. In Zusammenarbeit mit deutschen Polizeieinheiten trieben litauische Partisanen die Juden, so sie nicht sofort erschossen wurden, in ein zunächst offenes Lager, das VII. Fort (die Altstadt Kaunas war von neun Forts, ehemaligen Befestigungsanlagen, umgeben). Frauen und Kinder wurden größtenteils in das IX. Fort gebracht (Das Fort lag etwas außerhalb in nordwestlicher Richtung und ist zugleich die Stätte der umfangreichsten Massenmorde in Litauen. Zunächst wurden besonders die Männer im VII. Fort massenweise erschossen. Bis Anfang August kann man von ca. 9.000 Ermordeten ausgehen. Bis zum 15.08.1941 wurde im Vorort Viliampole (jenseits der Neris), in dem bisher 5 - 6.000 Juden und 8 - 10.000 Nichtjuden lebten, ein großes und ein kleines Ghetto eingerichtet, wo nun ca. 30.000 Juden zusammengepfercht waren. Die bisher wahllose Ermordung wandelte sich nun in eine gezielte, der vornehmlich diejenigen zum Opfer fielen, die man zur jüdisch-bolschewistischen Intelligenz rechnete. Danach begann die Phase der Ausbeutung der Arbeitskraft. Ab 19.09.1941 mußten 1.000 Juden auf dem Flugplatz Aleksotas arbeiten, da die dort arbeitenden sowjetischen Kriegsgefangenen massenweise an Überarbeitung und Hunger gestorben waren. Die Zahl der Juden, die auf dem Flugplatz Zwangsarbeit leisten mußten, wurde schrittweise auf über 3.000 gesteigert. Während aufgrund des Arbeitskräftebedarfs besonders arbeitsfähige Männer und Handwerker geschont wurden, kam es bis Anfang 1942 noch zu mehreren Aktionen, d. h. Massenmorde an Älteren, Kranken, Frauen und Kindern. Bis Sommer/Herbst 1943 (Umwandlung des Ghettos in ein KZ) arbeiteten 60% der jüdischen Ghettobevölkerung für die deutsche Kriegsindustrie.
28./29.10.1941
Am 28. Oktober um 6 Uhr morgens befahl die Gestapo allen Bewohnern des Ghettos, das waren etwa 30.000 Menschen, sich auf einem Platz, angeblich zur Auswahl von Arbeitskräften, zu versammeln. An diesem Tag selektierte der Gestapo-Mann Helmut Rauche gemeinsam mit dem Referenten für Judenangelegenheiten beim Stadtkommissar, Friedrich Jordan, etwa 11.000 Menschen. Sie wurden bis zum nächsten Morgen in den bereits unbewohnten Häusern des Kleinen Ghettos untergebracht.
Am Morgen des 29. Oktober, bei Tagesanbruch, wurden all diese Menschen ins IX. Fort getrieben und noch am gleichen Tag erschossen.
Am folgenden Tag, dem 30. Oktober, kehrte der zehnjährige Jitzchak Bloch ins Ghetto zurück (er hat überlebt, obwohl er noch die furchtbaren Qualen von Dachau und Auschwitz durchleiden mußte).
Er war nur mit einem blutverschmierten Hemd bekleidet und berichtete folgendes:
Am Tage der Selektion war er zusammen mit seinen Eltern ins Kleine Ghetto gebracht worden, von wo sie alle ins IX. Fort gejagt wurden. Dort befahlen sie allen Männern, sich bis auf die Unterhosen, und allen Frauen, sich bis auf den Büstenhalter zu entkleiden. Die halbnackten Menschen jagte man gruppenweise aufs Feld, wo Gruben ausgehoben waren, in die
sie springen mußten. Dort brachte man sie um.
Kleine Kinder spießten sie mit dem Bajonett auf und warfen sie in die Gruben. Die Mutter von Jitzchak Bloch hatte ihrem Sohn zugerufen,
er solle versuchen, sich zu retten. Er lief fort, sie schossen hinter ihm her. Er fiel in Sträucher, die Kugeln verfehlten ihn. Als es zu dunkeln begann, die Schüsse und das Wehklagen verstummten, erhob er sich und lief fort. Im Morgengrauen stahl er sich ins Kleine Ghetto.
Doch es war menschenleer und zerstört. Er saß den ganzen Tag über in einem Keller und schlich sich abends ins Große Ghetto, das noch bewohnt war.
Als Jitzchak seinen Bericht beendet hatte, sträubten sich die Leute, ihm zu glauben. Man nahm an, daß er den Verstand verloren habe.
Helmut Rauche (auch Rauka) war SS-Hauptscharführer, von 1941 bis Mitte 1942 Referent für Judenfragen der Gestapo, führte er alle großen Aktionen im Ghetto von Kaunas an. Nach dem Krieg lebte er in Kanada, wurde 1986 von einem Gericht in Toronto des Mordes an Juden für schuldig befunden und nach Deutschland ausgeliefert.
Des Mordes an mehr als 11.500 Menschen angeklagt, starb er im Gefängnis.
Dem Bericht vom 29.November 1941 zufolge wurden bei der Säuberung des Ghettos von überflüssigen Juden, der sogenannten Großen Aktion, 2.007 jüdische Männer, 2.920 jüdische Frauen und 4.273 Kinder (insgesamt 9.200 Menschen) erschossen.
LSG Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 14.01.2009 - L 8 R 250/06
Verfahrensgang
vorher: Az. S 18 R 206/05 nachfolgend: Az. B 5 R 54/09 R
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.07.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Regelaltersrente. Streitig ist dabei insbesondere, ob Ghetto-Beitragszeiten für die Zeit von August 1941 bis September 1943 im Ghetto Kaunas berücksichtigt werden können.
Der Kläger ist am 00.00.1926 in Kaunas als litauischer Staatsangehöriger geboren. Er besaß die litauische Staatsangehörigkeit von 1926 bis 1940 und sodann bis 1972 die sowjetische. Seitdem ist er israelischer Staatsangehöriger. Im April 1972 wanderte er in Israel ein. Er ist jüdischen Glaubens.
Im Entschädigungsverfahren bei der Jewish Claims Conference (JCC) hinsichtlich einer Entschädigung aus dem Art. 2 - Fonds gab der Kläger am 01.03.1993 einen Aufenthalt im Ghetto Kaunas von Ende Juli 1941 bis Herbst 1943 und einen Aufenthalt im "ZAL Shanciai (bei Kaunas)" von Herbst 1943 bis Juli 1944 an. Seine Eltern und Schwester hätten die nationalsozialistische Verfolgung überlebt. Zu seinem Verfolgungsschicksal gab er des Weiteren Folgendes an:
"Einige Wochen nach Kriegsausbruch 1941 wurde ich mit meinen Eltern und Schwester ins Ghetto Kaunas eingewiesen. Dort musste ich Zwangsarbeit beim Militärflugplatz leisten unter menschenunwürdigen Bedingungen. Ende 1943 wurde ich in ein anderes Lager Shanciai überführt. Auch dort musste ich schwere Bauarbeiten leisten. "
Am 02.09.2002 stellte der Kläger auf Grundlage des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Regelaltersrente. Im Rentenformantrag gab er am 21.11.2002 an, er habe von August 1941 bis Juli 1942 im Ghetto Kaunas am Flugplatz Alexot Bauarbeiten verrichtet. Von August 1942 bis Dezember 1943 habe er im Ghetto Kaunas beim Heeresbau in Schanzen Bauarbeiten verrichtet. Zum Versicherungsverlauf gab der Kläger auf die Frage nach dem Arbeitsverdienst und dessen Höhe, Art und Umfang in Spalte 8 jeweils an: "nicht erinnerlich". Er gab weiter an, nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehört zu haben.
Nach der Auskunft der Bezirksregierung Düsseldorf - Abt. Wiedergutmachung - vom 11.03.2003 liegt dort ein Entschädigungsvorgang betreffend den Kläger nicht vor.
Mit eidesstattlicher Erklärung vom 20.05.2003 erklärte der Kläger, er habe im August 1941 in das errichtete Ghetto übersiedeln müssen. Die Lebensbedingungen im Ghetto seien sehr schwer gewesen und es habe kaum Lebensmittel gegeben. Daher sei es dringend notwendig gewesen, einen Arbeitsplatz zu finden. Er sei für sein Alter sehr gut entwickelt gewesen und habe dann noch im August 1941 zur Arbeit am Flugplatz Alexot in Kaunas gehen können. Er sei bei Bauhilfsarbeiten beschäftigt worden und habe für seine Tätigkeit dort Lebensmittel und auch eine Mahlzeit bei der Arbeit bekommen. Die Arbeit sei ziemlich schwer gewesen und er habe morgens zur und abends von der Arbeit wieder zu Fuß gehen müssen. Im Juli 1942 sei es ihm gelungen, eine Arbeit - wieder Bauarbeiten - beim Heeresbau in Schanzen zu finden und er habe dann von August 1942 bis Dezember 1943 dort wieder Bauarbeiten verrichtet. Hier seien die Bedingungen insofern besser gewesen, als er für seine Arbeit Coupons erhalten habe, mit denen er Lebensmittel und auch andere Produkte im Ghetto habe erwerben können. Im Dezember 1943 sei er dann in ein Arbeitslager geschickt worden.
Nach der Beiziehung der Unterlagen der JCC -Art. 2-Fonds- lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.11.2004 den Antrag des Klägers ab. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger unentgeltliche Zwangsarbeit verrichtet habe.
Der Kläger erhob am 19.11.2004 Widerspruch. Zur Begründung überreichte er eidesstattliche Erklärungen der Zeugen QN und N1N2. In der eidesstattlichen Erklärung der Zeugen QN vom 07.03.2005 heißt es:
" Ich weiss dass er, wie alle anderen Juden, in das errichtete Ghetto von Kaunas übersiedelt ist. Herr W suchte sich sofort einen Arbeitsplatz. Es war bekannt, dass ein Arbeitsplatz große Vorteile hatte: Einkommen, Lebensmittel, Schutz vor Zwangsarbeit etc. Nach einer kurzen ( ) begann er am Flugplatz "Alexot" zu arbeiten, er hat verschiedene Bauarbeiten verrichtet. Die Entlohnung war Beköstigung (eine Mahlzeit) am Arbeitsplatz und Lebensmittel. Herr W war sehr unzufrieden mit diesen Verhältnissen und suchte sich einen anderen Arbeitsplatz. Im Sommer 1942, wenn ich mich richtig erinnere, war es im Juli oder August, hat er beim Heeresbau in Schanzen (Kowna) begonnen zu arbeiten. Es war wieder Bauarbeit, jedoch hat er für diese Tätigkeit seine Entlohnungen in Art von Coupons erhalten. Mit diesen Coupons konnte er sich und der Familie Produkte kaufen. Ich möchte noch bemerken, dass während der Arbeit am Flugplatz wie auch während der Arbeit am Heeresbau er jeden Tag das Ghetto morgens verlassen hat und am späten Nachmittag ins Ghetto zurückkam. Ende 1943 wurde Herr W in ein ZAL verschickt ..."
Der Aussage des Zeugen N1N2 ist Folgendes zu entnehmen:
" Seit August 1941 wohnte er (Anmerkung des Senats: gemeint ist der Kläger), wie alle Juden, im Gebiet des errichteten Ghetto in Kowna. Er begann am Flugplatz Alexot zu arbeiten. Die Arbeit war hauptsächlich Bauarbeit. Da er gut entwickelt für sein Alter war, ging er jeden Morgen zur Arbeit am Flugplatz, und kam am späten Nachmittag ins Ghetto zurück. Für diese Arbeit hat er eine Mahlzeit und Lebensmittel bekommen. Etwa ein Jahr später, im Juli 1942, begann er beim Heeresbau in Schanzen (ein Bezirk von Kowna) im Bau zu arbeiten. Trotzdem es wieder Bauarbeit war, war er mit diesem Arbeitsplatz viel mehr zufrieden, denn er wurde mit Coupons entlohnt. Mit diesen Coupons konnte man Produkte besorgen. Herr W hat beim Heeresbau bis Dezember 1943 gearbeitet und wurde dann in ein ZAL geschickt. "
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung legte sie dar, dass der Kläger unentgeltliche Zwangsarbeit verrichtet habe.
Der Kläger hat am 16.08.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben, ohne diese weiter zu begründen. Er hat auf die Anerkenntnisse der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund in gleich gelagerten Verfahren um Beitragszeiten am Flugplatz von Kaunas (BO vom 06.10.2004 - 53 210328 N 015, DT vom 12.10.2004 - 53 250825 S 105 -, FS vom 20.06.2005 - 13 010319 S 608 -, B1C vom 08.12.2005 - 19 130628 B 054 -) hingewiesen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 12.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.7.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seiner Beschäftigung im Ghetto Kaunas von August 1941 bis September 1943 nach den Vorschriften des ZRBG und unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten wegen NS-Verfolgung nach dem SGB VI eine Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung für rechtmäßig.
Das SG hat die Verwaltungsakten betreffend FS und B1C von der DRV Bund beigezogen.
Nach der vom SG eingeholten Auskunft der Bezirksregierung Düsseldorf, Dezernat 10 - Bundeszentralkartei - vom 15.04.2006 liegen dort keine Karteikarten vor, nach denen der Betreffende Ansprüche nach dem BEG geltend gemacht hat.
Mit Urteil vom 24.07.2006 hat das SG Düsseldorf die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Regelaltersrente gem. § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) seien nicht erfüllt. Der Kläger verfüge nicht über auf die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren anrechenbarer Pflichtbeitragszeiten unter Berücksichtigung der §§ 1, 2 ZRBG. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger die behaupteten Tätigkeiten aus eigenem Willensentschluss aufgenommen habe. Die Arbeit des Klägers sei auch nicht entgeltlich verrichtet worden.
Gegen das ihm am 21.08.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.09.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, es dürfte zweifelsfrei feststehen, dass er sich im Ghetto Kaunas zwangsweise von Juli 1941 bis Dezember 1943 aufgehalten und während dieser Zeit zwei Arbeitsplätze inne gehabt habe, und zwar bis Juli 1942 auf dem Flugplatz Alexotas als Bauarbeiter und anschließend bis (mindestens) September 1943 beim Heeresbau ebenfalls als Bauarbeiter. Die scheinbaren Widersprüche, wie sie auch durch das Gericht zu seiner Befragung angesprochen worden seien, seien durch seine plausible Erklärung aufgelöst worden. Danach habe er in den Verfahren vor der JCC (Artikel 2- und Härtefonds) durchgehend den Aufenthalt im Ghetto Kaunas angegeben, ohne die unterschiedlichen Arbeitsplätze auf dem Flugplatz und anschließend beim Heeresbau dargestellt zu haben. Ab 1943 habe er dann nicht nur in Sanciai (Schanzen) bei weiterem Aufenthalt im Ghetto Kaunas gearbeitet, sondern dann dort im Lager Sanciai leben müssen, wobei es sich um ein KZ bzw. ZAL gehandelt habe. Widersprüche dürften insoweit nicht vorliegen. Diese Sachverhalte seien durch die beiden Zeugen Q und N1N2 bestätigt worden, und dies nicht nur durch die Beantwortung der gestellten Fragen durch das Gericht, sondern auch durch die jeweiligen eidesstattlichen Versicherungen beider Zeugen vom 07.03.2005. Von diesen beiden Zeugen seien auch seine Antworten bestätigt worden, dass er während seiner Beschäftigung auf dem Flugplatz Alexotas als Entgelt beköstigt worden sei und zusätzliche Lebensmittel erhalten habe und während seiner Zeit beim Heeresbau neben der Beköstigung Coupons für Lebensmittel, für die in bestimmten Geschäften ohne weitere Zahlung von Geld Lebensmittel hätten eingetauscht werden können. Wie allgemein bekannt sei, seien die Lebensmittelcoupons nicht auf einen bestimmten Namen ausgestellt worden. Sie seien damit ohne weiteres übertragbar und handelbar gewesen und hätten damit eine vergleichbare Funktion wie Ghettogeld in anderen Ghettos (z. B. Lodz und Theresienstadt) erfüllt, sodass sie Geldcharakter oder geldähnlichen Charakter besessen hätten. Unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats sei die Grenze des freien Unterhalts überschritten worden, denn er sei zusammen mit seinem Vater in der Lage gewesen, mit seiner Entlohnung nicht nur sich selbst, sondern auch die beiden nicht arbeitenden Familienmitglieder, Mutter und Schwester, mit zu unterhalten. Durch den Arbeitsplatzwechsel zum Heeresbau werde bestätigt, dass er die Wahlmöglichkeit gehabt habe, seinen Arbeitsplatz auf dem Flughafen zu verlassen und eine körperlich angenehmere Arbeit im Heeresbau zu übernehmen, wobei betont werde, dass er bewusst einer Arbeit nachgegangen sei, um die dafür zustehende Entlohnung zu erlangen. Seine für § 1 ZRBG wesentlichen Aussagen würden durch die Antworten der Zeugen N1 und QN bestätigt, wobei zum prozessualen Ablauf der Befragung kritisch anzumerken sei, dass hierüber vorher nicht informiert worden sei auch ein entsprechender Beweisbeschluss zur schriftlichen Vernehmung der Zeugen bisher nicht bekannt geworden sei. Die Auslegung des Entgeltbegriffs des ZRBG durch das BSG in dessen Urteil vom 07.10.2004 (B 13 R 59/03 R) sei unzutreffend. Es komme im Rahmen des ZRBG nicht auf das Entstehen von Versicherungspflicht an. Eine Beschäftigung gegen Entgelt sei eine Beschäftigung, für die nach damaliger Rechtsordnung ein Entgelt zu zahlen gewesen sei. Die Aufnahme eines freien Arbeitsverhältnisses sei durch den bestehenden Arbeitszwang nicht ausgeschlossen gewesen. Schließlich stützt sich der Kläger auf die zeitgeschichtlichen Gutachten von Dr. U vom 22.01.2007 (erstellt im Verfahren L 8 R 287/06 des Senats), vom 08.05.2007 (erstellt in dem Verfahren L 4 R 137/06 des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen -LSG NRW-), vom 15.10.2007 (erstellt in den Verfahren L 8 R 287/06, 247/05 und 304/06 des Senats) und vom 28.10.2007 (erstellt in dem Verfahren L 8 R 207/07 des Senats).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.07.2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2005 zu verurteilen, ihm aufgrund seiner Beschäftigung im Ghetto Kaunas von August 1941 bis September 1943 nach den Vorschriften des ZRBG und unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten wegen NS-Verfolgung nach dem SGB VI eine Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie stützt sich auf das Urteils des BSG vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R.
Der Kläger hat mitgeteilt, für den geltend gemachten Zeitraum der Beschäftigung im Ghetto Kaunas keine Leistungen aus einem System der sozialen Sicherheit zu erhalten. Die Beklagte hat keine abweichenden Erkenntnisse mitteilen können.
Auf Anfrage des Senats hat die JCC die den Kläger betreffenden Unterlagen sowohl hinsichtlich des Art. 2 - Fonds als auch des Härtefonds übersandt. Gegenüber der JCC - Härtefonds - hat der Kläger am 23.06.1981 einen Aufenthalt im Ghetto Kaunas ab dem 15.08.1941 angegeben. In 1943 sei er in das KZ-Lager Sanciai überführt worden. Im Juli 1944 sei er in das KZ-Lager Dachau (Lager N 1 Landsberg) überführt worden, wo er Ende April 1945 von den Amerikanern befreit worden sei. Nach einem Vermerk vom 04.01.1984 über eine persönliche Rücksprache hat der Kläger erklärt, er habe bei Kriegsausbruch in Kovno gelebt und sei mit seiner Mutter und Schwester ins Ghetto gesperrt geworden. Im Jahre 1943 habe er Zwangsarbeit im Lager in einer Vorstadt von Kovno geleistet. Juli/August 1944 sei er mit seiner Mutter und Schwester nach Stutthof gebracht worden, wo diese geblieben seien. Er sei über Danzig nach Dachau und Landsberg gebracht worden, wo er im Mai 1945 befreit worden sei.
Die JCC - Zwangsarbeiterfonds - hat unter dem 29.08.2007 mitgeteilt, dass der Kläger eine Entschädigung aufgrund seines Verfolgungsschicksals im Ghetto Kaunas im Jahre 1943 erhalten hat.
Der Auskunft des ITS nebst beigefügten Unterlagen ist zu entnehmen, dass der Kläger am 15.08.1941 in Kauen verhaftet und am 15.07.1944 in das KL Dachau vom KL Kauen aus eingeliefert wurde.
Sowohl der Kläger als auch die Zeugen Q und N1N2 haben die ihnen vom Senat übersandten Fragebögen beantwortet. Auf die jeweiligen Antworten wird Bezug genommen.
Der Senat hat die bei der Beklagten geführten Verwaltungsakten und die Streitakten L 18 R 64/06 des LSG NRW betreffend den Zeugen N1N2 beigezogen.
Der Senat hat die historischen Gutachten von Dr. U zum Ghetto Kaunas, erstellt am 22.11.2005 in der Streitsache S 6 RJ 730/04 des SG Hamburg und erstellt am 22.01.2007 und am 15.10.2007 in der Streitsache L 8 R 287/06 des erkennenden Senats, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie der zu den Akten genommenen Auszüge aus den Streitakten L 18 R 64/06 des LSG NRW und den Verwaltungsakten der Beklagten jeweils betreffend Herrn N1N2, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig und beschwert den Kläger daher nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Altersrente.
Wie der Senat bereits mit näherer Begründung entschieden hat (z.B. Urteil vom 06.06.2007, L 8 R 54/05, sozialgerichtsbarkeit.de), folgt der Anspruch auf Altersrente allein aus dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), ohne dass das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) eine eigenständige Anspruchsgrundlage enthielte (ebenso BSG, Urteil vom 26.07.2007, B 13 R 28/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 4, a.A. BSG, Urteil vom 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr. 3). Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Altersrente kann daher im Fall der Klägerin nur § 35 SGB VI sein. Diese Vorschrift ist trotz Auslandswohnsitzes des Klägers (vgl. § 30 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) anwendbar (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R, Juris; BSG, Urteil vom 13.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17).
Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt haben. Als auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten kommen hier nur Beitrags- und Ersatzzeiten im Sinne der §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 und 4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs. 1 SGB VI Ersatzzeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist, oder als wirksam entrichtet gilt; denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetzeswortlaut nur "Versicherten", d.h. Personen zugute kommen, die bereits Beitragsleistungen erbracht haben (BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 1, m.w.N.).
Der Kläger hat jedoch keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht, oder den Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Abs. 1 Satz 1, 247 Abs. 3 Abs. 1 SGB VI), oder als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Beitragszeiten, die zur Zahlung einer Altersrente führen könnten, bestehen hier indessen weder nach § 2 Abs. 1 ZRBG noch nach sonstigen Vorschriften.
Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten Beiträge als gezahlt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto. Voraussetzung ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG, dass die Verfolgten sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, das in einem vom Deutschen Reich besetzten oder ihm eingegliederten Gebiet gelegen hat, und dort eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gegen Entgelt ausgeübt haben. Ferner darf für die betreffenden Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht werden. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen glaubhaft gemacht werden (§ 1 Abs. 2 ZRBG i.V.m. § 3 Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung [WGSVG]). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche verfügbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, d.h. mehr für als gegen sie spricht, wobei gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).
Die Anerkennung von Beitragszeiten scheitert für den geltend gemachten Zeitraum nicht schon daran, dass der Kläger nach Auskunft der JCC aufgrund seines Verfolgungsschicksals im Ghetto Kaunas im Jahre 1943 eine Entschädigung nach dem Gesetz zur Entrichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG) erhalten hat. Wie der Senat bereits entschieden hat, erstrecken sich die in § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG geregelte Ausschlusswirkung und die Verzichtswirkung des § 16 Abs. 2 Satz 2 EVZStiftG nicht auf den Anspruch auf Zahlung einer (ggf. höheren) Rente aufgrund von Beitragszeiten nach § 2 Abs. 1 ZRBG (vgl. zuletzt Senat Urteil vom 18.06.2008, L 8 R 298/07, sozialgerichtsbarkeit.de, mit eingehender Begründung).
Es ist zudem glaubhaft, dass der Kläger sich in der Zeit von August 1941 bis September 1943 zwangsweise im Ghetto Kaunas, das in Litauen und damit in einem vom Deutschen Reich besetzten Gebiet lag, aufgehalten hat. Die Angaben des Klägers zu diesem Aufenthalt im Verwaltungs- und Streitverfahren entsprechen seinen Angaben in zwei Entschädigungsverfahren gegenüber der JCC und sind von den Zeugen Q und N1N2 in ihren vom Kläger im Widerspruchsverfahren beigebrachten eidesstattlichen Erklärungen bestätigt worden. Aus den beigezogenen und gem. § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 415, 416 Zivilprozessordnung -ZPO- (vgl. BSG, Urteil v. 24.06.1980, 1 RJ 84/79, Juris, m.w.N.) im Wege des Urkundsbeweises verwerteten Sachverständigengutachten von Dr. U ergibt sich darüber hinaus die Existenz eines Ghettos in Kaunas im streitgegenständlichen Zeitraum von August 1941 bis September 1943 (vgl. zum Ghetto-Begriff: Senat, Urteil v. 28.01.2008, L 8 RJ 139/04 [rkr.], sozialgerichtsbarkeit.de), was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.
Der Kläger ist Verfolgter im Sinne des § 1 Abs. 1 ZRBG. Der Begriff des Verfolgten entspricht demjenigen des § 1 Abs. 1 Bundesentschädigungsgesetz -BEG- (BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 29/06 R, SozR 4-5075 § 1 Nr 3). Für die Eigenschaft als Verfolgter iSd ZRBG ist eine Anerkennung als Verfolgter nach dem BEG durch eine Entschädigungsbehörde nicht Voraussetzung, sie ist vielmehr von den Rentenversicherungsträgern und Sozialgerichten in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Unschädlich ist daher, dass der Kläger Entschädigungsleistungen nach dem BEG nicht beansprucht hatte und dementsprechend keine Verwaltungsvorgänge nach dem BEG vorhanden sind. Die Verfolgteneigenschaft des Klägers ist gleichwohl glaubhaft. Denn es kann iSe Glaubhaftmachung festgestellt werden, dass er sich zwangsweise im Ghetto Kaunas aufhalten musste (vgl. § 1 Abs. 1 i. V. m. § 43 Abs. 2 BEG).
Es bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger während seines Aufenthalts im Ghetto Kaunas zunächst Bauhilfsarbeiten am Flughafen Alexotas verrichtet hat. Dies ergibt sich aus sämtlichen insoweit konsistenten Erklärungen, die der Kläger in den verschiedenen Verfahren abgegeben hat, und aus den genannten eidesstattlichen Erklärungen der Zeugen N und N2. Es kann ebenfalls im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden, dass der Kläger ab August 1942 bis September 1943, dem Ende des streitgegenständlichen Zeitraums, Bauarbeiten beim Heeresbau in Schanzen verrichtet hat. Dies ergibt sich aus den konsistenten Angaben des Klägers in Verwaltungs- und Streitverfahren und ist durch die Erklärungen der Zeugen bzw. Auskunftspersonen Q und N1N2 in ihren im Widerspruchsverfahren vom Kläger beigebrachten eidesstattlichen Erklärungen sowie in ihren schriftlichen Auskünften zu den vom Senat mittels Fragebogen gestellten Fragen bestätigt worden. Der Senat hat keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Entgegen der Kritik des Klägers hat der Senat auch keine Bedenken, die von ihm eingeholten schriftlichen Auskünfte im Rahmen der Beweiswürdigung zu verwerten. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine förmliche schriftliche Zeugenvernehmung i.S.v. § 118 SGG i.V.m. § 377 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO). Indessen ist der Senat nicht gehindert, auf der Grundlage von §§ 106 Abs. 3 Nr. 3, 153 Abs. 1, 155 Abs. 1 SGG Auskünfte auch von Privatpersonen einzuholen, wenn dies nach den besonderen Umständen des Einzelfalles ein geeignetes Mittel zur Erforschung des Sachverhalts ist (vgl. BSG, Urteil v. 25.10.1956, 6 RKa 2/56, BSGE 4, 60, 62; BSG, Urteil v. 14.02.1962, 11 RV 400/59, BSGE 16, 182, 187; vgl. auch BSG, Urteil v. 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17). Das ist bei den hoch betagten Zeitzeug(inn)en in Verfahren nach dem ZRBG, bei denen jederzeit mit dem Ableben oder dem Eintritt der Erinnerungsunfähigkeit gerechnet werden muss, grundsätzlich zu bejahen. Insbesondere würde das zeitaufwändige und für die Zeug(inn)en belastende Verfahren der Vernehmung im Wege der Rechtshilfe zu unzuträglichen Verfahrensverzögerungen führen. Den auf diese Weise etwas geringeren Anforderungen an Strenge und Förmlichkeit der Beweiserhebung kann durch eine angemessene kritische Bewertung der abgegebenen Auskünfte im Wege der freien Beweiswürdigung Rechnung getragen werden. Auch sind die Beteiligten vor Einholung einer Auskunft nach § 106 Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht zwingend zu hören (vgl. Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl. [2008], S. 271). Der Senat sieht die Darstellung des Klägers gegenüber der JCC, er habe die Bauarbeiten am Flugplatz Alexotas bis zum Ende seines Ghettoaufenthalts verrichtet und sei Ende 1943 in das Lager Shanciai (Schanzen) überführt worden, durch seine Angaben und die der Zeugen bzw. Auskunftspersonen N und N2 im Verwaltungs- und Streitverfahren als klargestellt bzw. ergänzt an. Für die Antragstellung bei der JCC war die genaue zeitliche Zuordnung einzelner Tätigkeiten während des Ghettoaufenthalts nicht in dem Maße von Relevanz wie im vorliegenden Verfahren, so dass in Verfahren der JCC keine entsprechend präzisen Angaben erforderlich gewesen waren, wie sie in einem auf die Gewährung einer Altersrente gerichteten Verfahren vonnöten sind.
Es kann allerdings nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden, dass diese Tätigkeiten gegen Entgelt iS des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) ZRBG ausgeübt wurden.
Ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile v. 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R; v. 03.05.2005, B 13 RJ 34/04 R; v. 20.07.2005, B 13 RJ 37/04 R; v. 26.07.2007, B 13 R 28/06 R), der sich der Senat angeschlossen hat, hat er bereits im Einzelnen dargelegt, dass als Entgelt in diesem Sinne ein die Versicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung begründendes Entgelt anzusehen ist (vgl. zum Folgenden Urteile vom 12.12.2007, L 8 R 187/07, und 28.01.2008, L 8 RJ 139/04; www.sozialgerichtsbarkeit.de). Danach lassen sich die im Zusammenhang mit Streitigkeiten nach dem ZRBG auftretenden Fallgruppen zunächst wie folgt systematisieren: Die Gewährung von Entgelt in der ortsüblichen Währung, von Ghettogeld oder zum Tausch bestimmten Bezugsscheinen ist Entgelt in Sachen von § 1 Abs. 1 Nr. 1 b ZRBG, soweit ihr Umfang zumindest 1/6, soweit die Gewährung neben Sachbezügen erfolgte, bzw. 1/3 des ortsüblichen Arbeitsentgelts für ungelernte Arbeiter(-innen) übersteigt. Bei der Gewährung von Sachbezügen ist dagegen zu unterscheiden: Übersteigen die Sachbezüge (insbesondere Verpflegung, Unterkunft und Kleidung) nicht das Maß freien Unterhalts, d.h. derjenigen wirtschaftlichen Güter, die zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des Einzelnen erforderlich sind, liegt kein Entgelt vor. Bei Lebensmitteln kommt es darauf an, ob sie nach Art und Umfang des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch gegeben werden. Wird das Maß des persönlichen Bedarfs hingegen überschritten, und werden die Lebensmittel zur freien Verfügung gewährt, ist von Entgelt auszugehen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn glaubhaft gemacht wird, dass gewährte Lebensmittel auch den Bedarf eines Angehörigen sicherstellen. Stehen Art und Umfang gewährter Lebensmittel bzw. Sachbezüge nach Ausschöpfung aller sonstigen Beweismittel, z.B. der glaubhaften Angaben der Klägerin bzw. des Klägers, vernommener Zeugen, Angaben in einem Sachverständigengutachten, oder aufgrund eindeutiger historischer Quellen nicht fest, so kann ein entsprechender Umfang im Einzelfall als glaubhaft gemacht angesehen werden, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass ein Dritter, insbesondere ein Familienangehöriger, hiervon über einen erheblichen Zeitraum zumindest entscheidend mitversorgt worden ist. Ohne Bedeutung ist es dagegen, ob die Lebensmittel unmittelbar in Naturalien gewährt worden sind, oder ob die Betroffenen Lebensmittelcoupons erhalten haben, die sie gegen Lebensmittel eintauschen konnten.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind die von dem Kläger behaupteten Beschäftigungen nicht als entgeltlich anzusehen:
Insoweit steht zunächst fest, dass der Kläger weder Geld noch vergleichbare Zahlungsmittel, sondern für die Arbeiten auf dem Flugplatz Alexotas lediglich Verpflegung und Lebensmittel und für die Tätigkeit beim Heeresbau in Schanzen Coupons, mit denen er Lebensmittel und andere Produkte erwerben konnte, erhalten hat. Weder in seinen Erklärungen zur Begründung des Rentenantrags noch in seinen Antworten auf die Fragen des Senats hat er angegeben, Bargeld erhalten zu haben. Etwas anderes ist von ihm auch an keiner Stelle des gerichtlichen Verfahrens, insbesondere auch nicht in der Klageschrift noch in der Berufungsbegründung behauptet worden. Die Zeugen Q und N1N2 haben in ihren vom Kläger im Widerspruchsverfahren beigebrachten eidesstattlichen Erklärungen sowie in ihren schriftlichen Auskünften im Berufungsverfahren die Angaben des Klägers zu den erhaltenen Gegenleistungen bestätigt. Beide haben eine Entlohnung mit Bargeld nicht angegeben und ausgeführt, dass die Arbeit des Klägers am Flugplatz Alexotas mit einer Mahlzeit am Arbeitsplatz sowie Lebensmitteln und die Tätigkeit beim Heeresbau in Schanzen mit Coupons entlohnt worden sei, mit denen man Produkte habe besorgen können, die der Kläger für sich und seine Familie gekauft habe. Nach der näheren Beschreibung der Coupons durch den Kläger im Berufungsverfahren handelte es sich um ein Blatt Papier mit vielen Coupons, wobei die Coupons nummeriert und jedes Produkt eine bestimmte Nummer bzw. etwas ähnliches gehabt habe und im Geschäft die entsprechenden Coupons ausgeschnitten worden seien. Man habe damit die Produkte erwerben können, die im Geschäft vorhanden gewesen seien. Mit diesen Coupons hätten nur im Ghetto in einem speziellen errichteten Geschäft Waren wie Brot, Kartoffeln, rote Rüben, Graupen, Salz und hier und da Pferdefleisch und vielleicht anderes, an das sich der Kläger nicht hat erinnern können, erworben werden können. Diese eingehende Beschreibung der Coupons und ihrer Verwendbarkeit durch den Kläger verdeutlicht, dass es sich bei den Coupons entgegen seiner Auffassung nicht um Zahlungsmittel handelte, sondern diese zum Bezug der darin bezeichneten Waren nur in eigens im Ghetto errichteten Geschäften berechtigten. Insbesondere gibt es nach den Antworten des Klägers auf die verschiedenen Fragebögen aber auch aus seinem freien Vortrag keine Anhaltspunkte dafür, dass er Wertmarken erhalten hätte, auf denen - allein oder zusätzlich - ein Nominalwert in Rubel zur Bestimmung der Wertigkeit aufgedruckt war. Wie der Senat mit näherer Begründung bereits entschieden hat, stehen derartige Coupons, wie sie der Kläger erhalten hat, den in ihnen verbrieften Sachen gleich, d.h. sie sind wie diese Sachbezüge (vgl. Senat, Urteil v. 28.01.2008, L 8 RJ 139/04, sozialgerichtsbarkeit.de [rkr.]).
Es gibt für den Senat keine Anhaltspunkte, dass die erhaltene Verpflegung am Arbeitsplatz und die erhaltenen Lebensmittel bzw. Coupons das Maß freien Unterhalts überstiegen haben, also nicht nur zum unmittelbaren Verbrauch oder Gebrauch zur Deckung des persönlichen Bedarfs des Klägers bestimmt waren, sondern nach dem vorbestimmten Maße zur beliebigen Verfügung und in einem solchen Umfang gewährt worden waren, dass etwa Dritte über einen längeren Zeitraum durch den Kläger hätten mitversorgt werden können. Genauere Angaben zur Menge der erhaltenen Verpflegung, Lebensmittel sowie Coupons haben weder der Kläger noch die Zeugen Q und N1N2 in ihren Erklärungen im Verwaltungs-, Widerspruchs und Streitverfahren gemacht. Dem Kläger ist daher vom Senat mittels eines Fragebogens die Gelegenheit zur Ergänzung seines Vorbringens in Bezug auf die Häufigkeit und Menge der gewährten Gegenleistung gegeben worden. Er hat hierzu angegeben, sich nicht mehr erinnern zu können. Hinsichtlich der Tätigkeit beim Flugplatz Alexotas hat er ergänzend mitgeteilt, täglich eine Mahlzeit am Arbeitsplatz und am Wochenende zusätzlich Lebensmittel wie z.B. Brot und Gemüse (Kohl) erhalten zu haben. Daran, ob er die Coupons für die Tätigkeit beim Heeresbau in Schanzen einmal pro Woche, jede 2. Woche oder monatlich erhalten habe, könne er sich nicht erinnern. Er habe mit diesen Coupons Graupen, Brot, Kartoffeln, Pferdefleisch und Salz kaufen können. Ebenfalls keine Rückschlüsse auf Menge und Häufigkeit der für die verrichteten Tätigkeiten gewährten Gegenleistung lässt die Schilderung des Klägers auf die Fragen des Senats zu, dass sein Vater, der immer mit ihm gearbeitet habe, die gleiche Entlohnung wie er erhalten habe, und sie mit ihrem Verdienst seine Mutter und Schwester versorgt hätten, die vom Judenrat Lebensmittel in verkleinertem Umfang erhalten hätten. Er glaubt, es sei 1/3 oder 1/2 dessen gewesen, was ein Arbeiter "verdient" habe. Es sei aber sehr wenig gewesen. Aus der Tatsache, dass der Kläger und sein Vater seine Mutter und Schwester mit versorgt haben, lässt sich nicht ableiten, dass die dem Kläger gewährten Lebensmittel und Coupons für die Mitversorgung eines Dritten bestimmt waren und von der Menge auch unter Berücksichtigung der entbehrungsreichen Umstände eines Lebens in einem Ghetto über die Gewährung freien Unterhalts hinaus gingen. Im Ergebnis lassen sich dem Vortrag des Klägers keine gegenteiligen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass ihm auf die Coupons lediglich die Lebensmittel zuteil wurden, die im Ghetto Arbeitende über die auch den Nichtarbeitenden zustehende Verpflegung hinaus allgemein erhielten. Die insoweit bekannten und auch von Dr. U in den beigezogenen Gutachten referierten Nahrungsmittelmengen von beispielsweise 700 Gramm zusätzlichen Brotes, 125 Gramm Fleisch und 25 Gramm Fett pro Woche für arbeitende Ghettobewohner sind indessen auch eingedenk der bekannten außerordentlich schlechten Versorgungsbedingungen nicht geeignet gewesen, mehr als nur den aktuellen Bedarf an Nahrung zu decken (vgl. hierzu auch Senat, Urteile v. 04.07.2007, L 8 R 74/05, u. v. 05.03.2008, L 8 R 321/06, sozialgerichtsbarkeit.de).
Bargeldzahlungen eines etwaigen "dritten" Arbeitgebers des Klägers an den Judenrat zur Erfüllung eines individuellen Lohnanspruchs des Klägers lassen sich ebenfalls nicht feststellen. Für seinen Arbeitsplatz beim Flugplatz ist dies schon deshalb nicht überwiegend wahrscheinlich, da er nach seinen Angaben im Berufungsverfahren die Verpflegung am Arbeitsplatz und die Lebensmittel wohl vom deutschen Militär als Inhaber des Flughafens erhalten habe. Soweit er hinsichtlich der Tätigkeit beim Heeresbau in Schanzen erklärt hat, dass er glaube, die Entlohnung für alle Arbeiter, die im Heeresbau tätig gewesen seien, sei an das Arbeitsamt im Ghetto übertragen worden und sie ihre Entlohnung dort erhalten hätten, ist diesen Angaben keine Information darüber zu entnehmen, ob und inwieweit es Lohnzahlungen des konkreten Arbeitgebers an den Judenrat oder das Arbeitsamt gegeben hat.
Der Kläger kann sich weiter nicht mit Erfolg darauf berufen, für das Merkmal einer Beschäftigung "gegen Entgelt" im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b ZRBG reiche es aus, dass er für seine Arbeitsleistung einen Rechtsanspruch auf Entgelt gehabt habe, auch wenn dieses nicht gezahlt worden sei. Der Senat hat bereits im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen diese Rechtsauffassung auch dann unzutreffend ist, wenn örtliche Lohnordnungen eine Bezahlung der Arbeitskräfte vorgesehen haben, die indessen unterblieben ist (Urteile des Senats vom 09.03.2008, L 8 R 220/07 und L 8 R 265/07; jeweils sozialgerichtsbarkeit.de).
Mangels Entgeltlichkeit der vom Kläger verrichteten Tätigkeiten kann es der Senat dahinstehen lassen, ob er die Bauarbeiten am Flugplatz Alexotas und die beim Heeresbau in Schanzen "aus eigenem Willensentschluss" gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) ZRBG aufgenommen hat.
Die von dem Kläger im Ghetto Kaunas von August 1941 bis September 1943 verrichteten Arbeiten können auch nicht nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. §§ 15, 16 Fremdrentengesetz (FRG) in Verbindung mit § 20 WGSVG bzw. § 17 a FRG oder § 12 WGSVG als Versicherungszeiten angerechnet werden.
Die Arbeit des Klägers im Ghetto Kaunas unterfiel nicht den Reichsversicherungsgesetzen. Im Reichskommissariat Ostland galten die Reichsversicherungsgesetze nicht für Personen, die - wie der Kläger - nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R, zum sog. Generalgouvernement).
Eine Anrechnung als Versicherungszeit kann sich daher allein nach den §§ 15, 16 FRG in Verbindung mit § 20 WGSVG bzw. § 17 a FRG richten. Eine Anrechnung als Beitragszeit nach § 15 Abs. 1 FRG kommt indes nicht in Betracht, weil eine Beitragsentrichtung zu einem nichtdeutschem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nicht glaubhaft gemacht und von dem Kläger auch gar nicht behauptet worden ist. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 FRG sind bereits deshalb nicht erfüllt, da - wie oben bereits ausgeführt worden ist - ein nach deutschem Recht dem Grunde nach rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht im Sinne einer guten Möglichkeit festgestellt werden kann. Auch § 16 FRG greift nicht zugunsten des Klägers ein, da die von ihm ausgeübten Tätigkeiten nicht nach dem am 01.03.1957 geltenden Bundesrecht (§§ 1227 und 1228 RVO nF) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet hätten, wenn sie im Gebiet der BRD ohne das Beitrittsgebiet verrechnet worden wären und ganz überwiegend nicht nach vollendetem 17. Lebensjahr verrichtet worden sind. Da nicht im Sinne einer Glaubhaftmachung festgestellt werden kann, dass der Kläger eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, liegen die Voraussetzungen § 12 WGSVG ebenfalls nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Grundsätzliche Bedeutung hat insbesondere die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang noch nicht abschließend behandelte Frage der Beurteilung von Lebensmittelcoupons als Entgelt iSd § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) ZRBG.