Vernichtungslager Belzec

Übersicht

Bezeichnung
Vernichtungslager der Aktion Reinhardt, Sonderkommando Belzec der Waffen-SS

Gebiet
Polen, Woiwodschaft Lublin, Landkreis Tomaszów Lubelski
(Lwowska-Straße 56)

Eröffnung
01.11.1941

Schließung
08.05.1943

Opfergruppe
Juden, Zigeunermischlinge, Polen

Geschlecht
Kinder, Frauen und Männer

Die Opfer
Zahl der Opfer: nachweisbar 434.508 Menschen (7 Menschen überlebten das Lager)

Die Täter

Rechtsgrundlage

Bemerkungen
Nach der deutschen Besetzung kam Belzec zum Generalgouvernement, Kreishauptmannschaft Zamosc im Distrikt Lublin.
Der Ort hatte 1943 4.622 Einwohner; davon entfielen auf das Dorf Belzec 4.260 und auf das Dorf Brzeziny 362 Einwohner.
Belzec ist ein Dorf mit rund 2.700 Einwohnern im Südosten Polens, acht Kilometer südlich der Stadt Tomaszów Lubelski nahe der Grenze zur Ukraine, das dem Powiat Tomaszowski in der Woiwodschaft Lublin angehört.

19.08.1942

Augenzeugenbericht von Kurt Gerstein über Massenvergasungen
in den Vernichtungslagern

Zur Person
Hygienefachmann der Waffen-SS, zuletzt im Rang eines Obersturmführers
Kurt Gerstein

Geboren am 11. August 1905 zu Münster in Westfalen
Am 25. Juli 1945 wurde er in seiner Zelle im Pariser Militärgefängnis Cherche-Midi erhängt aufgefunden. Es ist bis heute unklar, ob er Selbstmord beging oder von Mitgefangenen ermordet wurde.
Bergassessor außer Dienst
Diplom-Ingenieur
am 27. September 1936 wegen staatsfeindlicher Betätigung aus dem Höheren Preußischen Berg-Dienst entfernt.
Teilhaber der Maschinenfabrik De Limon Fluhme & Co. zu Düsseldorf, Industriestr. 1–17
Spezialfabrik für automatische Schmieranlagen für Lokomotiven, Knorr- und Westinghouse-Bremsen.

Gersteins Rolle wurde im Prozess gegen Gerhard Peters von der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung durchleuchtet. Das Gericht hielt es nicht für erwiesen, dass das von Gerstein angeforderte Zyklon B ohne Warnstoff zur Ermordung verwendet wurde, schloss dies aber auch nicht aus. Gerstein wurde im Nachkriegsdeutschland als belastet eingestuft. Im Spruch der Entnazifizierungskammer hieß es, Gerstein sei auf seinem Posten zwangsläufig zum Handlanger des organisierten Massenmordes geworden und hätte sich von dort wegmelden müssen. Auch in einem Revisionsverfahren kam es zu keinem günstigeren Urteil. Den Hinterbliebenen wurde die Auszahlung einer Erbschaft in Höhe von 3.000 US-Dollar versagt. Die Witwe sollte Verfahrenskosten in Höhe von 24.000 RM begleichen.

Eine Intervention von Hermann Ehlers und ein Gnadengesuch beim Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Gebhard Müller blieben in der Sache erfolglos; der Witwe wurden jedoch die Kosten des Verfahrens erlassen. Ein Antrag auf „Kriegshinterbliebenenrente“ nach dem Bundesversorgungsgesetz wurde 1962 letztinstanzlich abgewiesen. Erst 1963 begann das Umdenken. Issy Wygoda, ein ehemaliger KZ-Häftling, setzte sich für Gersteins Rehabilitierung ein; auch der Zentralrat der Juden würdigte Gerstein. Mit der Uraufführung von Rolf Hochhuths Der Stellvertreter wurde das Schicksal Kurt Gersteins einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. 1965 schließlich stufte Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger Gerstein in die Gruppe der „Entlasteten“ um. 1969 erhielt die Witwe eine Rente nach dem Bundesergänzungsgesetz zugesprochen

Bericht aus „Sonderkommando Belcec der Waffen-SS“
Ein kleiner Spezialbahnhof war zu diesem Zweck an einem Hügel hart nördlich der Chaussee Lublin–Lemberg im linken Winkel der Demarkationslinie geschaffen worden. Südlich der Chaussee einige Häuser mit der Inschrift

„Sonderkommando Belcec der Waffen-SS“

Da der eigentliche Chef der gesamten Tötungsanlagen, der Polizeihauptmann Wirth, noch nicht da war, stellte Globocnek mich dem SS-Hauptsturmführer Obermeyer (aus Pirmasens) vor. Dieser ließ mich an jenem Nachmittag nur das sehen, was er mir eben zeigen mußte. Ich sah an diesem Tage keine Toten, nur der Geruch der ganzen Gegend im heißen August war pestilenzartig, und Millionen von Fliegen waren überall zugegen. Dicht bei dem kleinen zweigleisigen Bahnhof war eine große Baracke, die sogenannte Garderobe, mit einem großen Wertsachenschalter. Dann folgte ein Zimmer mit etwa 100 Stühlen, der Friseurraum. Dann eine kleine Allee im Freien unter Birken, rechts und links von doppeltem Stacheldraht umsäumt, mit Inschriften:

Zu den Inhalier- und Baderäumen!

Vor uns eine Art Badehaus mit Geranien, dann ein Treppchen, und dann rechts und links je 3 Räume 5 x 5 Meter, 1,90 Meter hoch, mit Holztüren wie Garagen. An der Rückwand, in der Dunkelheit nicht recht sichtbar, große hölzerne Rampentüren.

Auf dem Dach als „sinniger kleiner Scherz“ der Davidstern!!
Vor dem Bauwerk eine Inschrift: Heckenholt-Stiftung!

Am anderen Morgen um kurz vor sieben Uhr kündigt man mir an: In zehn Minuten kommt der erste Transport! – Tatsächlich kam nach einigen Minuten der erste Zug von Lemberg aus an. 45 Waggons mit 6700 Menschen, von denen 1450 schon tot waren bei ihrer Ankunft. Hinter den vergitterten Luken schauten, entsetzlich bleich und ängstlich, Kinder durch, die Augen voll Todesangst, ferner Männer und Frauen. Der Zug fährt ein: 200 Ukrainer reißen die Türen auf und peitschen die Leute mit ihren Lederpeitschen aus den Waggons heraus.
Ein großer Lautsprecher gibt die weiteren Anweisungen:
Sich ganz ausziehen, auch Prothesen, Brillen usw. Die Wertsachen am Schalter abgeben, ohne Bons oder Quittung. Die Schuhe sorgfältig zusammenbinden (wegen der Spinnstoffsammlung), denn in dem Haufen von reichlich 25 Meter Höhe hätte sonst niemand die zugehörigen Schuhe wieder zusammenfinden können. Dann die Frauen und Mädchen zum Friseur, der mit zwei, drei Scherenschlägen die ganzen Haare abschneidet und sie in Kartoffelsäcken verschwinden läßt. „Das ist für irgendwelche Spezialzwecke für die U-Boote bestimmt, für Dichtungen oder dergleichen!“ sagt mir der SS-Unterscharführer, der dort Dienst tut. – Dann setzt sich der Zug in Bewegung. Voran ein bildhübsches junges Mädchen, so gehen sie die Allee entlang, alle nackt, Männer, Frauen, Kinder, ohne Prothesen. Ich selbst stehe mit dem Hauptmann Wirth oben auf der Rampe zwischen den Kammern. Mütter mit ihren Säuglingen an der Brust, sie kommen herauf, zögern, treten ein in die Todeskammern! – An der Ecke steht ein starker SS-Mann, der mit pastoraler Stimme zu den Armen sagt: Es passiert Euch nicht das Geringste! Ihr müßt nur in den Kammern tief Atem holen, das weitet die Lungen, diese Inhalation ist notwendig wegen der Krankheiten und Seuchen. Auf die Frage, was mit ihnen geschehen würde, antwortet er: Ja, natürlich, die Männer müssen arbeiten, Häuser und Chausseen bauen, aber die Frauen brauchen nicht zu arbeiten. Nur wenn sie wollen, können sie im Haushalt oder in der Küche mithelfen. – Für einige von diesen Armen ein kleiner Hoffnungsschimmer, der ausreicht, daß sie ohne Widerstand die paar Schritte zu den Kammern gehen – die Mehrzahl weiß Bescheid, der Geruch kündet ihnen ihr Los! – So steigen sie die kleine Treppe herauf und dann sehen sie alles. Mütter mit Kindern an der Brust, kleine nackte Kinder, Erwachsene, Männer und Frauen, alle nackt – sie zögern, aber sie treten in die Todeskammern, von den anderen hinter ihnen vorgetrieben oder von den Lederpeitschen der SS getrieben. Die Mehrzahl, ohne ein Wort zu sagen. Eine Jüdin von etwa 40 Jahren mit flammenden Augen ruft das Blut, das hier vergossen wird, über die Mörder. Sie erhält 5 oder 6 Schläge mit der Reitpeitsche ins Gesicht, vom Hauptmann Wirth persönlich, dann verschwindet auch sie in der Kammer. – Viele Menschen beten. Ich bete mit ihnen, ich drücke mich in eine Ecke und schreie laut zu meinem und ihrem Gott. Wie gern wäre ich mit ihnen in die Kammern gegangen, wie gern wäre ich ihren Tod mitgestorben. Sie hätten dann einen uniformierten SS-Offizier in ihren Kammern gefunden – die Sache wäre als Unglücksfall aufgefaßt und behandelt worden und sang- und klanglos verschollen. Noch also darf ich nicht, ich muß noch zuvor künden, was ich hier erlebe! – Die Kammern füllen sich. Gut vollpacken – so hat es der Hauptmann Wirth befohlen. Die Menschen stehen einander auf den Füßen. 700–800 auf 25 Quadratmetern, in 45 Kubikmetern! Die SS zwängt sie physisch zusammen, soweit es überhaupt geht. – Die Türen schließen sich. Währenddessen warten die anderen draußen im Freien, nackt.
Man sagt mir:
Auch im Winter genau so! Ja, aber sie können sich ja den Tod holen! sage ich. – Ja, grad for das sinn se ja doh! – sagt mir ein SS Mann darauf in seinem Platt. – Jetzt endlich verstehe ich auch, warum die ganze Einrichtung Heckenholt- Stiftung heißt. Heckenholt ist der Chauffeur des Dieselmotors, ein kleiner Techniker, gleichzeitig der Erbauer der Anlage. Mit den Dieselauspuffgasen sollen die Menschen zu Tode gebracht werden. Aber der Diesel funktioniert nicht! Der Hauptmann Wirth kommt. Man sieht, es ist ihm peinlich, daß das gerade heute passieren muß, wo ich hier bin. Jawohl, ich sehe alles! Und ich warte. Meine Stoppuhr hat alles brav registriert.
50 Minuten, 70 Minuten – der Diesel springt nicht an! Die Menschen warten in ihren Gaskammern.
Vergeblich. Man hört sie weinen, schluchzen. … Der Hauptmann Wirth schlägt mit seiner Reitpeitsche dem Ukrainer, der dem Unterscharführer Heckenholt beim Diesel helfen soll, 12, 13mal ins Gesicht. Nach 2 Stunden 49 Minuten – die Stoppuhr hat alles wohl registriert – springt der Diesel an. Bis zu diesem Augenblick leben die Menschen in diesen 4 Kammern,
viermal 750 Menschen in viermal 45 Kubikmetern! – Von neuem verstreichen 25 Minuten. Richtig, viele sind jetzt tot. Man sieht das durch das kleine Fensterchen, in dem das elektrische Licht die Kammer einen Augenblick beleuchtet. Nach 28 Minuten leben nur noch wenige. Endlich, nach 32 Minuten ist alles tot! – –
Von der anderen Seite öffnen Männer vom Arbeitskommando die Holztüren. Man hat ihnen – selbst Juden – die Freiheit versprochen und einen gewissen Promillesatz von allen gefundenen Werten für ihren schrecklichen Dienst. Wie Basaltsäulen stehen die Toten aufrecht aneinander gepreßt in den Kammern. Es wäre auch kein Platz, hinzufallen oder auch nur sich vornüber zu neigen. Selbst im Tode noch kennt man die Familien. Sie drücken sich, im Tode verkrampft, noch die Hände, so daß man Mühe hat, sie auseinander zu reißen, um die Kammern für die nächste Charge freizumachen. Man wirft die Leichen – naß von Schweiß und Urin, kotbeschmutzt, Menstruationsblut an den Beinen, heraus. Kinderleichen fliegen durch die Luft. Man hat keine Zeit, die Reitpeitschen der Ukrainer sausen auf die Arbeitskommandos. Zwei Dutzend Zahnärzte öffnen mit Haken den Mund und sehen nach Gold. Gold links, ohne Gold rechts. Andere Zahnärzte brechen mit Zangen und Hämmern die Goldzähne und Kronen aus den Kiefern. – Unter allen springt der Hauptmann Wirth herum. Er ist in seinem Element. – Einige Arbeiter kontrollieren Genitalien und After nach Gold, Brillanten und Wertsachen.
Wirth ruft mich heran:

Heben Sie mal diese Konservenbüchse mit Goldzähnen, das ist nur von gestern und vorgestern! In einer unglaublich gewöhnlichen und falschen Sprechweise sagt er zu mir: Sie glauben gar nicht, was wir jeden Tag finden an Gold und Brillanten – er sprach es mit zwei L – und Dollar. Aber schauen Sie selbst! Und nun führte er mich zu einem Juwelier, der alle diese Schätze zu verwalten hatte, und ließ mich dies alles sehen. Man zeigte mir dann noch einen früheren Chef des Kaufhauses des Westens in Berlin und einen Geiger: Das ist ein Hauptmann von der alten Kaiserlich-Königlich österreichischen Armee, Ritter des Eisernen Kreuzes I. Klasse, der jetzt Lagerältester beim jüdischen Arbeitskommando ist! – Die nackten Leichen wurden auf Holztragen nur wenige Meter weit in Gruben von 100 x 20 x 12 Meter geschleppt. Nach einigen Tagen gärten die Leichen hoch und fielen als dann kurze Zeit später stark zusammen, so daß man eine neue Schicht auf dieselben draufwerfen konnte. Dann wurde 10 Zentimeter Sand darüber gestreut, so daß nur noch vereinzelte Köpfe und Arme herausragten. – Ich sah an einer solchen Stelle Juden in den Gräbern auf den Leichen herumklettern und arbeiten. Man sagte mir, daß versehentlich die tot Angekommenen eines Transportes nicht entkleidet worden seien. Dies müsse natürlich wegen der Spinnstoffe und Wertsachen, die sie sonst mit ins Grab nähmen, nachgeholt werden. – Weder in Belcec noch in Treblinka h a t man sich irgendeine Mühe gegeben, die Getöteten zu registrieren oder zu zählen. Die Zahlen waren nur Schätzungen nach dem Waggoninhalt … – Der Hauptmann Wirth bat mich, in Berlin keine Änderungen seiner Anlagen vorzuschlagen und alles so zu lassen, wie es wäre und sich bestens eingespielt und bewährt habe. – Die Blausäure habe ich unter meiner Aufsicht vergraben lassen, da sie angeblich in Zersetzung geraten sei. –
Am anderen Tage – dem 19. August 1942 – fuhren wir mit dem Auto des Hauptmanns Wirth nach Treblinka, 120 Kilometer NNO von Warschau. Die Einrichtung war etwa dieselbe, nur viel größer als in Belcec. 8 Gaskammern und wahre Gebirge von Koffern, Textilien und Wäsche. Zu unseren Ehren wurde im Gemeinschaftssaal im typisch Himmlerschen altdeutschen Stil ein Bankett gegeben. Das Essen war einfach, aber es stand alles in jeder
Menge zur Verfügung. Himmler hatte selbst angeordnet, daß die Männer dieser Kommandos soviel Fleisch, Butter und sonstiges erhielten, insbesondere Alkohol, wie sie wollten.

11.04.1943

Die 5. Kompanie des Pol.Rgt 25 (1./PolBtl 67) übernahm am 11.April 1943 nach einer Meuterei der Bewachungsmannschaften für drei Tage die äußere Bewachung des Vernichtungslagers Belzec

10.10.1945

Am 10. Oktober 1945 hatte der Untersuchungsrichter des Landgerichts Zamosz eine amtliche Augenscheineinnahme des Geländes des ehemaligen Vernichtungslagers Belzec vorgenommen.

Die Besichtigung hat folgendes ergeben: Das Gebiet des ehem. Vernichtungslagers in Belzec befindet sich südöstlich von der Eisenbahnstation Belzec in einer Entfernung von etwa 500 m davon. Die Nordgrenze des Lagers bildete ein Damm aus Sand, der im Jahre 1939 von den Deutschen als Grenze zwischen dem sogenannten General-Gouvernement und der UdSSR errichtet wurde. Die Westgrenze des Lagers bildete das Eisenbahnnebengleis, das beinahe parallel zur Eisenbahn und Chaussee nach Lemberg verlief. Die Entfernung zwischen dem Nebengleis und der Chaussee beträgt etwa 80 m. Die Süd- und Ostgrenze des Lagers war ein Kiefernwald. Als Ganzes stellte das Lager ein Rechteck mit den Maßen von etwa 263 m an der Westgrenze und 275 m an der Nordgrenze dar. Das Terrain des Lagers steigt leicht vom Westen gegen Osten an, wobei die höchste Erhöhung zugleich die Ostgrenze des Lagers bildet. Ungefähr in der Mitte des Lagers befindet sich eine Gruppe junger, etwa 20jähriger
Kiefern. Diese Baumgruppe verlängert sich gegen die Nordgrenze keilförmig. An der Südgrenze des Lagers befindet sich etwa von der Mitte bis zum Eisenbahnnebengleis eine Gruppe von Kiefern, die über 20 Jahre alt sein dürften; auch diese Baumgruppe verlängert sich keilförmig gegen die Mitte des Lagers zu.
Ähnlich steht in der nordwestlichen Ecke des Lagers in einer Entfernung von etwa hundert Metern vom Nebengleis und dem Grenzdamm vom Jahre 1939 eine Gruppe von 31 etwa 20jährigen Kiefern. Die an das Nebengleis angrenzende Fläche des Lagers mit Ausmaßen von etwa 100 mal 200 m trägt Spuren eines gefällten Waldes und ist durch verschiedene Gegenstände wie zerschlagene Blechtöpfe, Feldflaschen, Blechdosen, Reste und
Fetzen von Schuhzeug und Kleidung und verschiedenartiges Glas verunreinigt. Außerdem liegen dort verstreute Ziegel- und Betonstücke. Hier und dort schauen Reste von Betonfundamenten hervor. All das deutet darauf hin, daß der beschriebene Teil des Lagers Baracken und andere Lagerbauten enthielt, östlich von der Kieferngruppe, die sich in der Mitte des Lagers befand, kann man eine große Zahl von zerstreuten Ziegeln und Betonstücken bemerken, was bezeugt, daß an dieser Stelle sich ein festes Gebäude des Lagers, wahrscheinlich die Gaskammer, befand.

Entlang der Nordgrenze des Lagers, ungefähr von ihrer Mitte ab bis zum Berührungspunkt mit der Ostgrenze, ist das Areal des Lagers in einer Breite von etwa 100 m aufgewühlt und zerpflügt. Ebenso ist ein Streifen entlang der ganzen Ostgrenze in der bis zur Mitte der ganzen Lagerfläche reichenden Breite aufgegraben und aufgewühlt. Nach der Auskunft der assistierenden Beamten der Bürgermiliz vom Milizposten in Belzec stammt
die beschriebene Aufwühlung des Lagergebiets von der benachbarten Bevölkerung, die nach dem von den ermordeten Juden zurückgelassenen Gold und Brillanten suchte. In dem zerwühlten Gebiet liegen in großer Menge zerstreute menschliche Knochen, Schädel, Wirbel, Rippen, Schienbeine, Kiefer, Zahnprothesen aus Kautschuk, Haare (vorwiegend weibliche und oft in Haarzöpfe geflochten), außerdem Stücke von verwestem menschlichen Fleisch wie Hände und untere Glieder kleiner Kinder. Ferner liegen auf dem ganzen oben beschriebenen Gebiet große Mengen der von verbrannten Leichen stammenden Asche sowie Reste der verbrannten menschlichen Knochen. Aus den tief aufgegrabenen Löchern kommt der Geruch der verwesenden menschlichen Körper. Alles das bezeugt, daß das Lagergebiet entlang der Nord- und Ostgrenze ein durchgehendes
Sammelgrab der im Lager ermordeten Menschen darstellt. Entlang der Grenzen des Lagers liegen hier und dort Reste von Stacheldraht. Im Gebiet des ganzen Lagers, insbesondere in dem den Friedhof bildenden Teil, sind Reste von kleinen Kiefernpflanzungen festzustellen. Die Pflanzungen wurden, wie der anwesende Oberforstmeister Tadeusz Dujanowicz erklärte, von den Deutschen nach der endgültigen Auflösung des Lagers vorgenommen.

Während der Besichtigung des Gebiets des ehem. Vernichtungslagers wurden gefunden und dem vorliegenden Protokoll als Beweisstücke beigefügt: Zwei Armbinden mit David-Stern, vier Teile von Büchern in jüdischer Sprache, ein verbrannter David-Stern aus Metall, vier Stücke von zerbrochenen Zahnprothesen aus Kautschuk, ein menschlicher Kiefer mit Goldkrone und eine Tafel aus Karton mit Aufschrift in jüdischer Sprache. Der bei der Besichtigung des Lagergebietes anwesende Landvermesser Jan Osuch hat sich verpflichtet, in den nächsten Tagen einen Plan oder vielmehr eine Situationsskizze des Vernichtungslagers in Belzec anzufertigen. Der Photograph Anton Tujak machte einige Aufnahmen vom Gebiet des Vernichtungslagers zur Verdeutlichung des derzeitigen Bildes des Terrains des ehem. Lagers. Damit wurde die Besichtigung beendet.]

Zeugenaussagen

SS-Männer vergnügten sich damit, die Köpfe von Säuglingen vor den Augen ihrer Mütter an Barackenwänden zu zertrümmern.

Bericht Oberhauser Josef

Vernehmung am 14. Dezember 1962
Die Vergasungen von Juden im Lager Belzec bis zum 1.8.1942 können in 2 Kategorien eingeteilt werden. Bei der ersten Versuchsreihe
handelte es sich um 2 bis 3 Transporte a 4 bis 6 Waggons a 20 bis 40 Personen. Durchschnittlich wurden pro Transport 150 Juden angeliefert
und getötet. Diese Vergasungen standen noch nicht im Zeichen einer systematischen Ausrottungsaktion, sondern man wollte zunächst einmal
die Kapazität des Lagers ausprobieren und überprüfen, wie eine Vergasung technisch durchgeführt werden konnte. Nach diesen ersten Vergasungen sind dann Wirth und Schwarz sowie das gesamte deutsche Personal aus Belzec verschwunden. Als letzte Amtshandlung hat Wirth vor seinem Abzug die etwa 50 Arbeitsjuden des Lagers einschließlich der Kapos vergast oder erschossen.
Als Wirth und seine Leute abzogen, befand ich mich gerade in Lublin. Ich hatte einen größeren Materialtransport durchzuführen. Als ich wieder
nach Belzec kam, war niemand mehr da.

Im Lager befanden sich etwa 20 Ukrainer als Wachmannschaft; diese standen unter Aufsicht des SS-Scharführers F. Vom Abzug des Wirth und seiner Leute hatte kurioserweise nicht einmal SS und Polizeiführer Globocnik Kenntnis. Er schickte mich, als er erfuhr, daß Wirth verschwunden war, nach Belzec, um in Erfahrung zu bringen, in welcher Richtung sich Wirth abgesetzt hatte. Ich erfuhr, daß er über Lemberg und Krakau nach Berlin gefahren war, ohne sich bei Globocnik abzumelden.

Die nächsten 6 Wochen herrschte dann im Lager Belzec Ruhe. Anfang Mai 1942 kam dann plötzlich SS-Oberführer Brack aus der Kanzlei des
Führers nach Lublin. Er verhandelte mit Globocnik über die weitere Durchführung der Judenvernichtung. Globocnik sagte, daß er zu wenig Leute habe, um dieses Programm durchzuführen.
Brack erklärte, daß die Euthanasie auslaufe und daß ihm nun laufend die Leute von T 4 zugeteilt würden ...
Etwa 8 Tage, nachdem Brack zu Globocnik gekommen war, kehrte dann auch Wirth mit seinen Leuten wieder nach Belzec zurück. Bis zum
01.08.1942 lief dann noch eine zweite Versuchsreihe. Es kamen in diesem Zeitraum insgesamt 5 bis 6 Transporte (soweit mir das bekannt ist)
mit 5 bis 7 Waggons a 30-40 Personen nach Belzec. Die Juden von 2 dieser Transporte wurden noch in der kleinen Kammer vergast, dann ließ
Wirth die Vergasungsbaracke wegreißen und errichtete einen massiven Neubau, dessen Kapazität erheblich größer war. In diesem Vergasungsneubau wurden dann die Juden der restlichen Transporte vergast. Während bei der ersten Versuchsreihe und bei den ersten Transporten der zweiten Versuchsreihe noch mit Flaschengas vergast wurde, wurden die Juden der letzten Transporte der zweiten Versuchsreihe bereits mit dem Abgas aus einem Panzermotor der Lkw-Motor, den Hackenholt bediente, getötet.

Nachdem Wirth zurück war, erteilte er mir den Auftrag, das Material für den weiteren Ausbau des Lagers zu beschaffen. Ich war daher sehr viel unterwegs. Wenn ich mich nun gerade in Belzec aufhielt, wenn ein Transport eintraf, so kam es 5 oder 6 mal vor, daß mich Wirth beauftragte, den Transport in Empfang zu nehmen. Ich wartete dann am Lagertor bis der Zug kam und gab dem Lokomotivführer das Zeichen, wo er zu halten hatte. Außerdem sorgte ich dafür, daß das Begleitpersonal nicht das Lager betrat, sondern vor dem Tor in Bereitschaft blieb, um bei Zwischenfällen die äußere Ukrainerpostenkette zu unterstützen
.

Bericht G. Hans

Ankunft der Transportzüge
Ich weiß nicht, ob und in welcher Weise uns ankommende Transporte angemeldet worden sind. Die einfahrenden Züge hatten durchschnittlich etwa 10 Waggons, manchmal waren es nur 3 bis 4, manchmal aber auch bis zu 15 Waggons. Ein Waggon war von der Begleitmannschaft besetzt, die aus deutscher und fremdländischer Polizei (polnische oder ukrainische) bestand.

Die Entladung der Waggons erfolgte im Bereich des Lagers I. Wenn ich mich recht erinnere, war nördlich der Bahnlinie eine geteerte Straße, so hoch geschüttet, daß sie einen Bahnsteig bildete. Wieviele Waggons auf einmal entladen werden konnten, habe ich heute nicht mehr in Erinnerung, schätze aber: ich kann es nicht einmal mehr schätzen. Da die längeren Züge etappenweise, d. h. immer nach einer bestimmten Pause, ein Stück weiter in das Lager hereingeschoben wurden, dürfte feststehen, daß nicht alle Waggons auf einmal entladen werden konnten. Die leeren Züge wurden wieder in Richtung Bahnhof Belzec herausgezogen. Ich glaube, daß die Polizeibegleitung nicht mit in das Lager hereingefahren ist. Die Häftlinge wurden durch den Barackenhof des Lagers I geführt und durch eine der nördlichen Baracken auf einen freien Platz geschleust.

Bericht J. Robert

Ankunft der Judentransporte
An solchen Tagen, wenn Transporte eintrafen, verlief der Dienstbetrieb völlig anders. Erst bei der Diensteinteilung erlangte ich Kenntnis vom bevorstehenden Eintreffen eines Transportes. Die Arbeitsjuden waren schon vorher eingeteilt dafür, welche Aufgaben sie beim Eintreffen des Transportes zu erfüllen hatten. Es war also so, daß die Arbeitsjuden wußten, wer von ihnen bei der Entladung, bei der Entkleidung, usw. mitzuwirken hatte. Auch hierbei standen die Gruppen unter Leitung ihres Kapos.
Wir, also die Angehörigen des deutschen Personals, wurden an den Tagen, wo Transporte eintrafen, ebenfalls zum Dienst eingeteilt. Die Einteilungen nahmen die Chargierten vor. Wenn ich danach gefragt werde, von wem ich zum Dienst hierbei eingeteilt wurde, so sage ich, daß ich mich mit Sicherheit daran erinnern kann, daß Hering, Oberhauser und Schwarz diese Einteilungen vornahmen. In ihrer Abwesenheit erfolgte es auch von anderen Chargierten, aber ich kann mich nicht mit der Sicherheit daran erinnern, wie bei den drei oben Genannten.
In gleicher Weise, wie ich es oben bereits geschildert habe, hatte ich durch meine Uniform und durch mein Vorhandensein zu wirken. Die ganze Aktion war so gründlich durchorganisiert, daß der Betrieb ohne unsere tätige Mitwirkung von alleine lief. Ich will damit sagen, daß die eigentliche Arbeit und Ausführung von den jüdischen Arbeitskommandos erledigt wurde. Sie standen unter der Anleitung ihrer eigenen Kapos, die den notwendigen Druck auf sie ausübten. Weiterhin tat das Vorhandensein der aufgezogenen Posten seine weitere Wirkung. Wenn wir in dem uns jeweils zugeteilten Bereich umhergehen mußten, so sollte auch hiermit nur eine moralische Wirkung und ein moralischer Druck sowohl auf die Posten, wie auch auf die Kapos und die Arbeitsjuden erzeugt werden. Wenn ich gefragt werde, in welchen Bereichen ich die Aufsicht in der geschilderten Weise ausgeübt habe, so erkläre ich, daß es an der Rampe, am Schlauch, hiermit meine ich die sog. Schleuse, bei der Kleidersortierung und in Lager II bei den Gruben war.

Bericht Franz Kurt

Ansprachen an die Juden
Ich kann über die Tatsache, daß Wirth kurze Ansprachen an die Juden in der Entkleidungsbaracke gehalten hat, aus eigenemErleben berichten. Mit eigenen Ohren habe ich gehört, wie Wirth in zum Teil überzeugender Weise den Juden erklärte, daß sie ausgesiedelt werden und zuvor aus hygienischen Gründen gebadet und ihre Kleider entlaust oder entwest werden sollten. In der Entkleidungsbaracke befand sich sogar ein Schalter für die Abgabe der Wertsachen. Es wurde den Juden bedeutet, daß sie nach dem Baden ihre Wertsachen zurückbekämen. Ich habe es noch heute im Ohr, daß die Juden Wirth nach seinen Worten zujubelten. Das Verhalten der Juden ließ mich zur Überzeugung kommen, daß sie den Worten von Wirth glaubten. Auf Frage sage ich, daß es wohl den einen oder den anderen Juden gegeben haben mag, der mißtrauisch blieb, aber dennoch schien keiner das bevorstehende Schicksal zu ahnen.

Bericht D. Werner

Halbtote
Von denjenigen, die auf der Rampe zurückgeblieben waren, weil sie nicht gehen konnten, oder bereits tot waren, schafften Arbeitsjuden die Toten gleich zu Anfang zu den Gruben, jedoch nicht so, daß die übrigen Opfer merkten, wohin die Toten gebracht wurden. Die übrigen nicht mehr gehfähigen Opfer lagen auf der Rampe, bis die Männer, Frauen und Kinder vergast worden waren. Das dauerte insgesamt etwa 11/2 Stunden. Die nicht gehfähigen Opfer, die während dieser Zeit zu laut jammerten, trug man schon vorher weg, diejenigen, die sich ruhig verhielten, blieben bis zum Schluß liegen, je nachdem, wie Zeit und Gelegenheit war. Die nicht mehr gehfähigen Opfer brachte man zu den Gruben. Man legte sie entweder mit dem Gesicht nach unten an den Rand der Gruben oder aber in die Gruben hinein mit dem Gesicht auf die dort bereits vorhandenen Leichen. Man hat die Opfer dort hineingelegt, nicht hineingeworfen. Ich kann diese Dinge nur insoweit schildern, als ich sie selbst gesehen habe. Dort an oder in den Gruben wurden diese Opfer erschossen, und zwar in fast allen Fällen von Ukrainern. Die Opfer wurden, soferne sie von Ukrainern erschossen wurden, aus einer Entfernung von etwa 20 cm mit Karabinern durch Schüsse in den Hinterkopf erschossen.
Ich selbst war auch einmal eingeteilt, nicht gehfähige Juden zu erschießen. Es handelte sich um einen Befehl von Wirth. Eine Reihe von nicht mehr gehfähigen Juden lag bereits am Rande der Gruben. Ich habe 6 dieser Opfer mit meiner belgischen FN-Pistole erschossen. Es lagen dort noch mehr solcher Juden und ich hätte auch noch mehrere erschießen sollen, nur gab es für meine Pistole Kal. 9 mm kurz nur schwer Munition und ich hatte nicht mehr als 6 Schüsse Munition. Es ist mir nicht bekannt, daß Nachschüsse gegeben worden wären. Die Opfer, die ich erschießen mußte, hätten ohnehin nicht länger als 10 Minuten zu leben gehabt.

Bericht Seh. Karl

Vorgänge in Belzec
Die gehfähigen Juden hatten sich nach der Entladung an den Sammelplatz zu begeben. Bei der Entladung wurde den Juden gesagt, daß sie zur Umsiedlung kämen und zuvor noch gebadet und desinfiziert werden sollten. Die Ansprache wurde von Wirth, aber auch von seinem Dolmetscher, einem jüdischen Kapo, gehalten. Daran anschließend wurden die Juden zu den Entkleidungsbaracken geführt. In der einen Baracke mußten sich die männlichen und in der anderen die weiblichen Juden und Kinder entkleiden. Nach der Entkleidung wurden die Juden getrennt nach Männern und Frauen mit Kindern durch den Schlauch geführt. Wer die Aufsicht in den Entkleidungsbaracken hatte, kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Ich bin der Meinung, daß dort G., U. und Z. gewesen sind. Da ich dort nie Dienst gemacht habe, kann ich über den Entkleidungsvorgang keine genauen Angaben machen. Mir ist nur so in Erinnerung, daß in der Entkleidungsbaracke an der einen Stelle diese und an der anderen jene Kleidungsstücke abzugeben, und daß an einer dritten Stelle die Wertsachen abzuliefern waren. Am Schlauch hat meiner Erinnerung nach neben mir noch G. Dienst verrichtet.

Mein Standort am Schlauch war in unmittelbarer Nähe der Entkleidungsbaracke. Wirth hatte mich deswegen dort eingewiesen, weil ich seiner Meinung nach beruhigend auf die Juden einwirken konnte. Nach Verlassen der Entkleidungsbaracke mußte ich den Juden den Weg zur Gaskammer weisen. Ich glaube, daß ich den Juden den Weg dorthin erleichterte, denn sie mußten aus meinen Worten oder meinen Gesten zur Überzeugung kommen, daß sie tatsächlich gebadet werden sollten. Nachdem die Juden die Gaskammern betreten hatten, wurden die Türen von Hackenholt selbst oder von den ihm zugeteilten Ukrainern fest verschlossen. Sodann setzte Hackenholt den Motor in Betrieb, mit dem die Vergasung ausgeführt wurde. Nach etwa 5 bis 7 Minuten - und diesen Zeitraum schätze ich nur wurde durch ein Guckloch in die Gaskammer hineingeschaut, um festzustellen, ob bei allen der Tod eingetreten ist. Erst dann wurden die Außentore geöffnet und die Gaskammern gelüftet. Wer die Kontrolle vornahm, d.h. wer durch das Guckloch schaute, kann ich heute nicht mit Sicherheit sagen. Es kann außer Hackenholt und Hering, Wirth, Schwarz, möglicherweise auch Oberhauser gewesen sein. Dieses kann ich aber nicht genau sagen, d. h. ich kann mich nicht dafür verbürgen. Nach meiner Auffassung hat wohl jeder einmal durch das Guckloch gesehen. Nachdem die Gaskammern gelüftet worden waren, kam ein jüdisches Arbeitskommando unter Leitung eines Kapos und holte die Leichen aus den Kammern heraus. Auch an dieser Stelle habe ich gelegentlich Aufsichtsdienst gehabt. Die Vorgänge kann ich also genau schildern, weil ich alles selbst gesehen und miterlebt habe.
Die Juden waren in die Gaskammern sehr eng eingepfercht worden. Aus diesem Grunde lagen die Leichen nicht am Boden, sondern sie hingen kreuz und quer durcheinander, die eine zurück-, die andere vorgebeugt, eine zur Seite liegend, eine andere knieend, je nach dem, wie der Platz war. Die Leichen waren wenigstens teilweise mit Kot und Urin, andere zum Teil mit Speichel besudelt. Bei den Leichen konnte ich z.T. sehen, daß die Lippen und auch Nasenspitzen bläulich verfärbt waren. Bei einigen waren die Augen geschlossen, bei anderen waren die Augen verdreht.
Die Leichen wurden aus den Kammern herausgezogen und von einem Zahnarzt sogleich untersucht. Der Zahnarzt entfernte Fingerringe und zog etwa vorhandene Goldzähne heraus. Die auf diese Weise anfallenden Wertgegenstände wurden von ihm in einen bereitstehenden Karton geworfen. Nach dieser Prozedur wurden die Leichen in die vorhandenen großen Gräber geworfen. Das Ausmaß einer Grube kann ich nur ungefähr angeben.
Sie dürfte etwa 30 m lang und 20 m breit gewesen sein. Die Tiefe ist deswegen schlechter zu schätzen, weil die Seitenwände abgeschrägt waren und andererseits das ausgehobene Erdreich am Rand aufgeworfen worden war. Ich meine aber, daß die Grube 5 bis 6 m tief gewesen sein kann. Alles in allem gerechnet, so hätte man in diese Grube ein Haus bequem hineinstellen können

Bericht G. Heinrich

Exhumierung und Verbrennung der Leichen
Von Anfang August 1942 bis zur Auflösung, im September 1943, war ich im Lager Belzec. Die Vergasungen erreichten damals in Belzec, als ich dort ankam, ihren Höhepunkt. Lagerkommandant war Hauptsturmführer Hering, sein Stellvertreter war Schwarz. In dem damals bereits in Funktion befindlichen Betonbunker wurden nach meiner Erinnerung an einem Tag bis zu 3000 Personen vergast, wenn ein derart starker Transport
angefallen war. Die Vergasungen sind nach meinem Erinnerungsbild Ende des Jahres 1942, als schon Schnee lag, eingestellt worden. Dann begann die allgemeine Exhumierung und Leichenverbrennung; sie dürfte von November 1942 bis März 1943 gedauert haben. Die Verbrennungen wurden Tag und Nacht ununterbrochen durchgeführt, und zwar zunächst an einer, dann an zwei Feuerstellen. Eine Feuerstelle bot die Möglichkeit, binnen
24 Stunden etwa 2000 Leichen zu verbrennen. Etwa 4 Wochen nach Beginn der Verbrennungsaktion wurde die zweite Feuerstelle errichtet. Im Durchschnitt wurden demnach an der einen Feuerstelle etwa 5 Monate lang insgesamt 300000 Leichen, an der zweiten etwa 4 Monate lang 240 000 Leichen verbrannt. Es handelt sich hier natürlich um durchschnittliche Schätzungen.

Die Gesamtzahl der Leichen auf 500000 zu beziffern, dürfte richtig sein, es handelte sich bei den Verbrennungen der wieder ausgegrabenen Leichen um einen menschlich, ästhetisch und geruchsmäßig so schauerlichen Vorgang, daß die Phantasie jener Menschen, die heute in bürgerlichen Verhältnissen zu leben gewohnt sind, wohl nicht ausreicht, dieses Grauen nachzuempfinden. Auf die Frage, wieviele Juden meiner Schätzung nach in Belzec ums Leben gekommen sind, kann ich nur antworten, daß ich bei meinem Eintreffen in Belzec hörte, es seien bisher rund 300000 Juden getötet worden. Wenn ich diese Zahl mit einbeziehe, so kann die Gesamtzahl bei vorsichtiger und mit allen Vorbehalten ausgesprochener Schätzung bei 500000 liegen. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber betonen, daß man streng vermieden hat, uns Zahlen zu nennen.