26.03.1945 Hirzenhain (AEL)

Massaker im AEL Hirzenhain

Am 22.03.1945 setzt die 3. US-Armee unter dem Kommando General George S. Patton bei Oppenheim über den Rhein und stößt nach Osten auf Frankfurt am Main und Darmstadt vor.

Am 23. März 1945 stehen Truppen der 3. US-Armee vor Wiesbaden und Mainz.

Am 24. März 1945 erreichten sie Darmstadt und am 25. März die südlichen Stadtteile Frankfurts.

Am 30.03.1945 besetzen Einheiten der 3. US Armee unter dem Kommando von Lieutenant General George S. Patton, Jr.
Frankfurt am Main, Hanau, Wiesbaden, Gießen und Marburg.

Seit Anfang März wurden die Rückzugspläne für den so genannten Alarmfall vorbereitet, nach denen sich der Befehlshaber der Sipo und des SD-Rheinland-Westmark in Wiesbaden, der SS-Oberführer und Oberst der Polizei, Dr. Trummler, mit seinem 50-60 Personen umfassenden Stab in das
Arbeitserziehungslager Hirzenhain zurückziehen sollten.

Am Abend des 24.03.1945 um 22:00 Uhr gibt Gauleiter Sprenger den Räumungsbefehl für die Lager in Frankfurt am Main. Hierzu zählten insbesonders die Häftlinge des Konzentrationslager Natzweiler-Struthof (Außenlager
Adlerwerke) Tarnbezeichnung "Katzbach" und die Inhaftierten der berüchtigen Frankfurter Gestapo-Zentrale und dem Gefängnis Frankfurt am Main Klapperfeldstraße (Gefängnis Klapperfeld).

Polizeigefängnis Klapperfeld
Im Polizeigefängnis Klapperfeld werden am 23.03.1945 49 Frauen aus Russland, Polen, Frankreich, Luxemburg, Holland und Deutschland, die zur Zwangsarbeit nach Frankfurt verschleppt worden waren, und hier im Gefängnis Klapperfeld wegen oft geringfügiger Vergehen (Haftgründe waren unter anderem: Verweigerung des deutschen Grußes, Arbeitsverweigerung, Bummelei, Kontakt zu deportierten Zwangsarbeitern und Ausländern) eingesperrt worden waren, für einem Transport ausgewählt.
In der Nacht vom 23. auf den 24. März 1945 werden die 49 weiblichen Häftlinge unter Bewachung ins Arbeits- und Erziehungslager Hirzenhain (AEL) verschleppt. Die Frauen treffen am 24. 03.1945 gegen 1:00 Uhr früh am Bahnhof von Hirzenhain ein, 44 von ihnen werden keine 48 Sunden mehr leben. Auf dem Weg zum nahe gelegenen "Arbeits- und Erziehungslager" der Gestapo gelingt fünf Frauen die Flucht. Die 44 Frauen werden in dem
Wasserturm , der sich auf dem Lagergelände befindet eingesperrt.

Am 25. März 1945, einen Tag nach der Verschleppung der Frauen aus dem Polizeigefängnis nach Hirzenhain, wurden alle Frankfurter Gefängnisse geräumt und die Insassen auf einen langen Fußmarsch in den Tod geschickt.

Ein Zeuge berichtet:
»Wir wurden zu etwa 200 Mann aus allen Frankfurter Gefängnissen gesammelt und zum Ostbahnhof nach Hanau transportiert. Wir wurden gefesselt zu Fuß nach Aschaffenburg gebracht. Wir kamen aber nicht ganz nach Aschaffenburg. Wir wurden in Richtung Alzenau geschleppt. Wir kamen in einen Wald … und ich entkam. Über den Verbleib der anderen Gefangenen behaupten die Amerikaner, es seien 150 Tote gefunden worden. Von diesem ganzen Transport habe ich niemand in Frankfurt getroffen…

Gestapo Frankfurt
Die ersten Mitglieder der Frankfurter Gestapo "setzten" sich aber bereits zwischen dem 15. und 18.03.1945 in Richtung Hirzenhain ab, nachdem sie voher tausende von Akten vernichtet hatten, ihnen waren falsche Kennkarten und Personalausweise ausgehändigt worden, damit sie sich getarnt auf die Flucht begeben konnten. Wie viele von ihnen unter diesen falschen Namen nach 1945 ein "Normales Leben" geführt haben, und deren Taten ungebüßt blieben, wird wohl nie restlos aufzuklären sein, da die "Machthaber" in der späteren Bundesrepublick dies zu verhindern wissen.
Am 15. März 1945 trifft unter dem Kommando von SS-Hauptscharführer Emil Fritsch, damals 39 Jahre alt, ein 13 bis 16 Mann starkes Vorauskommando im AEL Hirzenhain ein. (Emil Fritsch wurde 1951 vom Gießener Schwurgericht, das diesen Mord vom 26. März verhandelte, zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft beantragte lebenslängliche Haft. Der Verteidiger verwies darauf, dass der Angeklagte auf Befehl gehandelt habe, und beantragte Freispruch. Das Landgericht schloss sich der Argumentation der Staatsanwaltschaft an und verurteilte den Angeklagten zu lebenslanger Haft. Die Tat habe ein Maß an Grausamkeit und Gefühllosigkeit gezeigt, das nicht übertroffen werden könne. Es gebe keine Belege für den von Fritsch vorgebrachten Befehlsnotstand; vielmehr habe sich Fritsch seiner Tat gebrüstet. Fritsch starb 1959 in der Haftanstalt Kassel.

Das Lager war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geräumt.

Der in Wiesbaden ansässige Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Rhein-Westmark - formell der Stapo-Stelle Frankfurt/Main unmittelbar vorgesetzt - beanspruchte Hirzenhain als Ausweichlager für sich und postierte spätestens am 18. März 1945 dort ein Vorauskommando. Am 19. März gab die vorgesetzte Dienststelle der Gestapo in Frankfurt (Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Rhein-Westmark) dem AEL Lagerleiter SS-Hauptsturmführer und Polizei-Inspektor Karl-Ludwig Weimar den Befehl zur Teilräumung des Lagers. Er ordnet daher nach Rücksprache mit der Gestapo Frankfurt, die Entlassung leichter Fälle, insbesondere deutsche Frauen aus der Lagerhaft an. Die auf Grund eines Schutzhaftbefehls der Reichssicherheitshauptamtes für die Einweisung in ein KZ vorgesehenen Frauen, wurden in einem Evakuierungsmarsch nach Hamerz bei Fulda verschleppt.

Der Chef der Frankfurter Gestapo, SS-Sturmbannführer und Regierungsrat Reinhard Breder * 02. Februar 1911 in Steinhagen + nach 1968 (SS Nu.116 663, NSDAP Nu 5 653 771, von 26.03.1943 - Juli / August 1943 Leiter des Einsatzkommandos 2 in Lettland. Nach Kriegsende lebte Breder in Winkel als Regierungsrat a.D. Der Frankfurter Judenreferent Heinrich Baab (1908-1962) wurde 1950 vor dem Frankfurter Schwurgericht wegen Mordes angeklagt. Er wurde zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Reinhard Breder sagte als sein Vorgesetzter als Zeuge im Prozess aus, wurde aber selbst nicht belangt. Ende der 1960er Jahre wurde gegen Breder und den Frankfurter Gestapo-Abteilungsleiter Ernst Grosse von der Frankfurter Staatsanwalt ermittelt. Das Verfahren wurde ohne Anklageerhebung eingestellt.) erhielt am 22. März von SS-Oberführer Hans Trummler (* 24. Oktober 1900 in Friedrichroda; + 22. Oktober 1948 in Landsberg am Lech) Leiter der Sicherheitspolizei und des SD Rhein-Westmark unter dem Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) Jürgen Stroop den Befehl, das Lager innerhalb von 24 Stunden zu räumen, damit er es mit seinem Stab belegen konnte.

In der Endphase des Zweiten Weltkrieges war er Leiter der nach ihm benannten Kampfgruppe Trummler, welche unter anderem die Bürgermorde von Altötting beging Trummler wird bei Kriegsende festgenommen und ins Internierungslager Dachau gebracht. Im Rahmen der Dachauer Prozesse musste er sich mit zwanzig weiteren Angeklagten in einem der Fliegerprozesse für die Beteiligung an der Ermordung US–amerikanischer Piloten verantworten. Am 21. März 1947 wird Trummler durch ein amerikanisches Militärgericht wegen der Hinrichtung amerikanischer Kriegsgefangener zum Tode verurteilt. Das Urteil wird am 22. Oktober 1948 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg vollstreckt.

Hintergründe des Massakers
Trummerls Adjutant, SS-Hauptsturmführer und Kriminalkommissar Anton Wrede, reiste am 23. März abends in Hirzenhain an und übernahm das Kommando des ehemaligen Arbeitserziehungslagers. "In der Nacht vom 23. auf den 24. März wurde das Lager definitiv von ihm übernommen und stand damit der Frankfurter Gestapo nicht mehr zur Verfügung. Das Lager war längst nicht mehr für die Aufnahme von Häftlingen vorgesehen, so dass es am Abend des 24. März zwischen Anton Wrede und dem vorübergehend anwesenden Reinhard Breder zu einer Entscheidung über den Verbleib der Neuankömmlinge und der noch im Lager befindlichen Frauen gekommen sein muss.

Als Ergebnis dieser Unterredung findet am Vormittag des 25. März (Palmsonntag) eine Selektion der im Lager befindlichen Häftlinge statt. Am Nachmittag des gleichen Tages, wählten Wrede und die Lagerleitung des Gestapolagers nach Aktenlage zwei Gruppen von Häftlingen aus. Die eine Gruppe, waren die am 23.03.1945 aus dem Frankfurter Polizeigefängnis Klapperfeld eingelieferten 44 Frauen (von 49, 5 Frauen war die Flucht gelungen) und 37 Frauen und sechs Männer aus dem Lager aus. Diese sollten der „Sonderbehandlung“ zugeführt werden. Ihnen wurde erklärt, das sie am nächsten Morgen dem Arbeitsamt Büdingen überstellt werden sollten. Sie tragen bereits Zivilkleidung. Am gleichen Nachmittag wird unter Bewachung der SS Männer des Vorauskommandos eine Gruppe männlicher Häftlinge zu einer Stelle etwa 800 m vom Lager in einem Waldstück nahe des Ortsausgangs von Hirzenhain gelegen geführt. Ihnen wird befohlen, eine Neun Meter lange, vier Meter breite und 1,5 Meter tiefe Grube auszuheben.

Ein junges Mädchen aus der Gegend, das mit einer Freundin am Waldrand entlang fährt, und dies beobachtet, gibt bei einer späteren Vernehmung zu Protokoll: Ich habe zu meiner Freundin gesagt „Pass auf, das gibt ein Massengrab, da kommen wir alle rein." Es habe ein Scherz sein sollen. Auf die Frage einer Aufseherin, erklärt ihr der SS-Hauptscharführer Emil Fritsch: "Das wird ein Benzinlager." Die Arbeiten dürften der Bevölkerung nicht verborgen geblieben sein.

Die Erschießung
Am 26. März 1945 Nachmittags werden die ausgewählten Häftlinge, zuerst die Gruppe der Frauen aus dem Frankfurter Gefängnis, und später gegen 17:00 Uhr die zweite Gruppe vermutlich marschunfähige Häftlinge unter Bewachung von vier oder fünf SS Männern des Vorauskommandos in Richtung Glashütten (Glashütten ist ein Ortsteil der Gemeinde Hirzenhain im Wetteraukreis, Hessen. Zu diesem Ortsteil gehören die Weiler Streithain und Igelhausen. Glashütten liegt nördlich von Hirzenhain am Vogelsberg) geführt.
Die Straße nach Glashütten wird für Fußgänger und Verkehr gesperrt, damit niemand Zeuge des Ereignisses wird. Die Häftlinge wurden in den Wald geführt, wo sie unter Bewachung auf die bevorstehende Ermordung warten mußten. Jeweils zwei Häftlinge wurden von den SS Mördern aus dem Wald gezerrt, und zu der ausgehobenen Grube getrieben. Hier mußten sich die Frauen (die Zivilkleidung trugen) entkleiden, und ihre Kleidung auf einem Stapel neben dem Grab legen, diese wurden später verbrannt, hiernach mußten sie sich an den Rand der Grube knien, und wurden von Emil Fritsch und den SS Männern mit Genickschüssen ermordet, (dies war eine besonders Heimtückische Tötungsart, die von den Deutschen bevorzugt angewandt wurde.) 81 Frauen und sechs Männer mußten sterben, ohne zu wissen, warum. Die sechs Zwangsarbeiter, die das Massengrab ausheben mussten, wurden ebenfalls ermordet.

Emil Fritsch und seine Helfer bekamen bei ihrer grausamen Tätigkeit reichlich Alkohol, und gingen entsprechend bestialisch mit den Opfern um.
Zeugen berichten später: Fritsch sei betrunken ins Lager zurückgekehrt, blutbespritzt, mit einer Flasche Cognac im Arm.
Sein Nachkriegsarbeitgeber wird später vor Gericht über Fritsch sagen: "Er war stets pünktlich, fleißig und ehrlich und hat die ihm übertragenen Aufgaben zur Zufriedenheit ausgeführt."
Wrede meldete später seinem Vorgesetzten Trummler bei dessen Eintreffen: „Die Angelegenheit mit den Russenweibern ist erledigt.“

Unmittelbar nach den Erschießungen wird am 26. März 1945 das AEL von der Lagerleitung geräumt.


Die Aufdeckung


Endeckung der Leichen

Am 30. März 1945 erreichen Einheiten der 3. US Armee Hirzenhain.
Lt. Robert E. Smith Angehöriger der Dritten US-Armee, Batterie C, 261. Field Artillery Battalion, erfährt Ende April bei Befragung deutscher Zivilisten durch eine junge Frau von der Existenz eines Massengrabes n der Nähe von Hirzenhain. Sie sei wenige Tage nach der Auflösung des Lagers durch den Wald bei Hirzenhain spaziert, und habe sich über einen frisch gepflügten Acker, auf dem sie beim Laufen abrutschte gewundert. "Ich suchte mir einen Stock und stocherte im Boden herum. Es kam etwas zum Vorschein, das wie ein behaarter Ball aussah - immer mehr - immer mehr." Nachdem Angehörige der US Streitkräfte mehrere Tage die Umgebung durchsuchten, finden sie das Grab. Sie zwingen die Deutschen, ein Mann Namens Kleber und 11 weitere Männer die Leichen in der Grube zu bergen. Die meisten der Leichen sind vollständig bekleidet, einige der Frauen sind ganz oder teilweise entkleidet. Alle Leichen weisen Schussverletzungen im Nacken und Hinterkopf auf. Die meisten der Gefangenen tragen noch ihren Schmuck (Eheringe, Halsketten ect.), was darauf hinweist, dass es sich wahrscheinlich um politische Gefangene handelt, die erst vor kurzem im Lager angekommen waren. Wie sich später herrausstellte, handelt es sich um die Frauen aus dem Frankfurter Gefängnis Klapperfeldstrasse die am 23./24. März 1945 ins Lager deportiert worden waren. Am 07. Mai, fünf Tage nach der Exhumierung der Massengräber werden die deutschen aus dem Gebiet aufgefordert, die Leichen in Särge zu betten, und eine würdige mit Holzkreuz versehene letzte Ruhestätte zu geben. Sie werden auf einem Grundstück am Ortseingang bestattet. Es werden in der Zwischzeit Versuche unternommen, um die Opfer zu identifizieren, aber die meisten der Unterlagen wurden bei der Räumung des Lagers von der SS venichtet.

In Stein lassen die Soldaten in vier Sprachen die Inschrift meißeln: "Hier ruhen in Frieden diejenigen, die die Schrecken der Konzentratioslager erlebt haben. Sie fielen unter den Hieben der Henker am 26. März 1945." Das Steinkreuz steht heute am Waldrand, die Texttafeln sind verschwunden.

1960 wurden die Toten erneut umgebettet, von Hirzenhain in die Kriegsgräberstätte im Kloster Arnsburg. Es hat lange gedauert, bis die Plaketten mit der Aufschrift "Ein unbekannter Kriegstoter" ausgetauscht wurden. Heute tragen die Gräber der 87 Toten den Text: "Gestapo-Gefangener, ermordet am 26.03.1945 bei Hirzenhain". Dass ihre Mörder der SS angehörten, ist erst seit wenigen Jahren einer Tafel am Rand des Gräberfelds zu entnehmen.


die Opfer

Helen Elst, Holländerin
Helen (Lina) war im Jahr 1944 als Schreibkraft bei der PTT in Arnheim beschäftigt, und konnte so dem Niederländischen Widerstand wichtige Informationen liefern. Lina wurde verhaftet und nach ihrem Prozess in Haaren zuerst ins KZ Vught und danach nach Deutschland verschleppt, hier wurde sie in verschiedene Lager festgehalten, und landete schließlich im Gestapo-Gefängnis in Frankfurt.

Emilie Schmitz, Luxemburgerin


der Ort heute

1980
Wer hier als Adresse: in der Nähe Bahnhof Hirzenhain angibt, bekommt von Älteren auch heute noch oft zu hören: Du wohnst in Hirzenhain? Ist das nicht da, wo die... ?"

Vom früheren Bahnsteig sind noch die steinernen Ränder zu sehen. Anstelle der Gleise führt ein Fahrradweg den Fluss entlang. An der Kreuzung von Hirzenhain, wo die Leichen später mit Genickschüssen bestattet wurden, steht heute eine Garage.

Wo die Landstraße in den Wald führt, weist ein braunes Schild mit der Aufschrift "Gedenkstätte 180 Meter" nach rechts.Auf der Wiese steht ein Steinkreuz, Stiefmütterchen in Kübeln, ein ewiges Licht ohne Kerze. Man kann die Häuser der nächsten Gemeinde sehen. "Hier wurde eine Stunde lang geschossen, und niemand will etwas gehört haben?"


Umgang mit dem Geschehen

1970er Jahre
Am Volkstrauertag versammelt sich die "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS" (HIAG) in Arnsburg, um der ebenfalls dort bestatteten SS-Männer zu gedenken. Ende der 70er Jahre habe ihre Kränze noch das Motto "Unsere Ehre heißt Treue" geziert. Das muss man nicht verstehen.

Nicht Gras, sondern wilder Thymian wächst über den Gräbern. Es scheint das einzige zu sein, das die 450 Toten verbindet: Kriegsgefangene und Soldaten, Zwangsarbeiterinnen und SS Männer. Doch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sieht noch mehr Gemeinsamkeiten. Für den Verband sind alle, die auf dem Klosterfriedhof im oberhessischen Arnsburg bei Gießen begraben liegen, Kriegsopfer„ Wir machen keine Unterschiede" heißt es dazu. „Im Tod sind für uns alle gleich Neben den SS Gräbern mit vollem Namen, Daten und Rangbezeichnung liegen 87 „unbekannte Kriegstote", gestorben am 03. April 1945. Doch sie sind weder unbekannt, noch sind es Kriegstote. Auch das Todesdatum ist falsch. In Hirzenhain, einem kleinen Dorf am Vogelsberg, kennt man die Geschichte der Toten. Es waren Zwangsarbeiter und Gestapo Häftlinge, die am Morgen des 26. März 1945 von einem Sonderkommando des SS Sicherheitsdienstes erschossen und außerhalb der Gemeinde am Waldrand verscharrt wurden. Einundachtzig Frauen und sechs Männer, die am Vortag die Grube ausheben mußten. Vor allem sowjetische und polnische, aber auch deutsche Frauen zwischen zwanzig und vierzig Jahren wurden ermordet. Wegen Verweigerns des Hitler Grußes oder intimen Beziehungen zu Ausländern waren die deutschen, wegen Brotstehlens oder Arbeitsbummelei die anderen Frauen nach Hirzenhain in ein Arbeitserziehungslager der Gestapo gebracht worden. Zusammen mit Zwangsarbeiten! aus dem Osten und „normalen" Strafgefangenen mußten sie nebenan in einem Werk Panzerteile herstellen. Viele Hirzenhainer empfanden Mitleid für die zerlumpten, ausgemergelten Gestalten. Doch aus Angst machte keiner den Mund auf.


Anmerkung

Der Streit um eine Gedenktafel auf dem Friedhof mit den richtigen Daten und Fakten dauert bereits Jahrzehnte. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als „Hausherr" ist bis heute gegen jede Änderung, angeblich nicht aus Rücksicht auf die HIAG, eine rechtsextreme Organisation von Veteranen der Waffen SS und Mitglied im Volksbund.