Die Behandlung schwangerer Frauen

Allein in der amerikanischen und britischen Besatzungszone übergab die deutsche Verwaltung 1945 und 1946 über 40.000 Geburtsurkunden polnischer Kinder.
Die Geschichte ihrer Mütter ist ein Drama unvorstellbaren Ausmaßes.

Erlaß des RMd vom 20.2.1942
Frauen mit nicht einsatzfähigen Kindern und schwangere Frauen belasten den Arbeitseinsatz und sind demgemäß nicht ins Reich zu bringen bzw. auf jeden Fall abzuschieben.
Zunehmender Arbeitskräftemangel in der deutschen Rüstungswirtschaft führte dazu, diese Bestimmung mit Maßgabe vom 27.7.1943 aufzuheben.

Erlaß des RMd vom 27.07.1943
Ausländische Arbeiterinnen sind bis auf weiteres nicht mehr in ihre Heimat zurückzuführen. Nach der Entbindung sind die ausländischen Arbeiterinnen gemäß den Anordnungen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz baldmöglichst der Arbeit wieder zuzuführen.

Weiterhin hieß es in der Begründung, daß in Anbetracht der deutschen Blutopfer des Krieges vor allen Dingen das von germanischen Erzeugern produzierte rassisch wertvolle Erbgut erhalten bleiben solle. Dieser Passus betraf sogenannte eindeutschungsfähige polnische Frauen sowie Angehörige der Völker der germanischen Rasse. Die erbgesundheitliche überprüfung von Ausländerinnen wurde auf Meldung der Arbeitsämter, die alle schwangeren Frauen registrierten, von den Ärzten der Gesundheitsämter durchgeführt.
War die Geburt eines gut rassischen Kindes nicht zu erwarten, wurde vor allem an sowjetischen Frauen eine Schwangerschaftsunterbrechung vorgenommen.
Entbindungen sollten möglichst in Kranken- oder Durchgangslagern stattfinden. Deutsche Krankenhäuser nahmen auf Anweisung des Reichsgesundheitsführers keine Fremdarbeiterinnen auf, lediglich zum Zwecke der Schulung von Hebammenschülerinnen war die Entbindung in deutschen Krankenhäusern ausnahmsweise gestattet.
Im Falle rassisch wertvollen Nachwuchses brachte man die Kinder in NSV-Kinderhorten unter. Die Mütter wurden sofort nach der Geburt von ihren Säuglingen getrennt, zum gesetzlichen Vormund der Kinder wurden die Jugendämter bestellt. In NSV-Kinderhorten oder Lebensborn-Einrichtungen sollten diese Kinder
germanisiert werden. Niederträchtigerweise waren die entsprechenden Stellen angewiesen, die sich in den letzten Monaten der Schwangerschaft befindlichen Frauen besonders zu betreuen, ihnen Vertrauen einflößen. Unter Darlegung der Vorteile, nicht aber des Zieles der Betreuungl sollten sie zur Zustimmung der übernahme ihres Kindes in eine solche Anstalt bewegt werden. Bei Polinnen und Ostarbeiterinnen wurden nicht einmal eine so erzwungene Zustimmung eingeholt.
Tausende von Eltern wurden auf diese Weise ihrer Kinder beraubt.

Wurde ein rassisch unerwünschtes Kind geboren, brachte man es in speziellen als Kindersammelstellen oder als Ausländerkinderpflegestätten bezeichneten Pflegestellen unter, die der DAF unterstanden.
Derartige Anstalten waren meistens an Lager für deportierte Zwangsarbeiter angeschlossen. Die Kinder wurden zwangseinqewiesen, ihren Müttern war es nur selten gestattet, sie zu besuchen.
Sie mußten ihre Kinder in den meisten Fällen der qualvollen Vernichtung preisgeben.
Wegen des Fehlens sowohl der Betreuung durch Ärzte und Schwestern als auch der primitivsten sanitären Einrichtungen, vor allem aber wegen des systematischen, absichtlichen Aushungerns von Säuglingen wurden diese Anstalten zu Zentren der Massenvernchtung.
Ein Beispiel für die Behandlung von polnischen und sowjetrussischen Säuglingen: das Entbindungsheim Boitzen bei Braunschweige.
Der ehemalige Heimleiter Karl Mäse berichtet in einem Untersuchungsverfahren:
Die hygienischen und sanitären Bedingungen waren unbeschreiblich.
Es gab keine Bettwäsche. Die Decken waren verlaust. In einer Ecke lagen schmutzige Decken mit Kotspuren von Säuglingen. Die Baracken waren dreckig und verwanzt. Tote Neugeborene wurden ins Bad gebracht, wo sie tagelang und noch länger manchmal schon in Verwesung übergehend in Margarinekartons lagen. Von dort wurden sie zur Verbrennung oder zum Begräbnis abgeholt. Eine zweimalige Entwanzung blieb wirkungslos, und die Sterblichkeit unter den Neugeborenen war weiter sehr hoch.

Außerdem ist bekannt, daß Hunderte von Säuglingen - Kinder von Ostarbeiterinnen - im Lager für schwangere Frauen in Pfaffenwald, Kreis Hersfeld geboren wurden. Über das Schicksal dieser Kinder weiß man nichts, um die Ausbeutung der Arbeitskraft sowjetrussischer und polnischer Zwangsarbeiterinnen weitgehend zu gewährleisten, bestand großes lnteresse, im Falle einer Schwangerschaft an diesen Frauen Abtreibunqen vorzunehmen. In erster Linie sollten Faktoren ausgeschaltet werden, die die Arbeitsleistung beeinträchtigen konnten.
Während den deutschen Frauen Mutter- und Ehrenkreuze verliehen wurden, und ihnen ab dem Jahre 1943 im Falle der Durchführung einer Abtreibung sogar die Todesstrafe drohte, wurden an ausländischen Frauen, vorwiegend an 0starbeiterinnen, ohne deren Zustimmung oder mit z.T. erzwungenen Zustimmungen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt.
Laut Erlaß des RSHA vom 01.08.1943 sollte die Zustimmung, zunächst noch aufgrund eines Antrages der Schwangeren, von der zuständigen Reichsärztekammer erteilt werden.
Bei der Meldung schwangerer Ostarbeiterinnen sind die Personalien der Ostarbeiterin und des Erzeugers, Monat der Schwangerschaft, Volks- und Staatsangehörigkeit des Erzeugers, sowie beider Aufenthaltsort bzw. Anschrift des Betriebes anzugeben. Die Erklärung der Ostarbeiterin, daß sie die Unterbrechung wünscht, ist zum Ausdruck zu bringen.
Spätestens ab Januar 1944 mußte für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht einmal mehr Zustimmung zum Ausdruck gebracht werden. Da Verfahren beschleunigt durchgeführt werden sollten, verzichtete man auf die Einwilligungserklärungen der Frauen gänzlich.
Für Schwangerschaftsunterbrechungen bei Ostarbeiterinnen mußten nicht einmal Anträge gestellt werden, eine Genehmigung durch die Reichsärztekammer bestand grundsätzlich. Im Falle einer Schwangerschaft wurde an diesen Frauen die Durchführung des Abbruches durch die Dienststellen der DAF veranlaßtll.
Dieser Ausprägung des nationalsozialistischen Völkermordes fielen Tausenrle junger Frauen zum Oofer. Schwangerschaftsabbrüche wurden mit primitivsten Mitteln und dabei oftmals zum Zwecke medizinischer Versuche an den Opfern durchgeführt. Die Frauen, die die Eingriffe überlebten, waren u.U. sterilisiert worden oder litten noch jahrelang an den Folgen einer unsachgemäßen Durchführung, von den psychischen Auswirkungen, die derartige Eingriffe verursachten, ganz zu schweigen.

Die Vielzahl der Unterbrechungen, die noch nach dem 6. Schwangerschaftsmonat durchgeführt wurden, das Fehlen geeigneter Instrumentarien und die hygienischen Verhältnisse belegen das Elend der Frauen.

Nach 1945
Befragung von Fachärzten für Gynäkologie zur Durchführung von Schwangerschaftsunterbrechungen
Um eine Schwangerschaft ohne geeignete Instrumentarien zu unterbrechen, existieren keine Methoden, die das Leben der Mutter nicht in akuter Weise gefährden würden. Vermutlich verwendete man in diesem Falle ausgesprochen primitive Methoden, die sogenannte Kurpfuscher früher bei Abtreibungen anwendeten. (Genannt werden zwei Methoden, die gleichzeitig finanziell wenig aufwendig, d.h. mit einfachsten Mitteln durchführbar waren und auch darum in Frage kommen.

1.
eine Unterbrechung der Schwangerschaft wird durch das mechanische Sprengen der Fruchtblase herbeigeführt. Das bedeutet, daß die Fruchtblase z.B. mit einem spitzen Gegenstand zerstört wird. Es kommt zum Absterben des Fötus und damit zu einer Fehlgeburt.
Bei dieser Methode muß der Muttermund gewaltsam geöffnet werden, was äußerst gefährlich ist, da Risse in der Gebärmutter auftreten können, die eine Totaloperation (die Entfernung der Gebärmutter) zur Folge hätten. In jedem Falle ist ein solcher Eingriff sehr schmerzhaft. Bei unsachgemäßer Durchführung kann zudem bei dieser Methode die Gebärmutterwand zertrennt werden. Die Folgen sind starke Blutungen, u.U. lebensgefährliche Blutverluste. Die Entfernung der Gebärmutter ist unumgänglich. Akute Infektionsgefahr ist in jedem Falle gegeben.

2.
eine weitere Möglichkeit besteht darin, eine seifige Lösung in den Uterus einzuführen (z.B. mittels einer Spritze). Diese Methode wird auch als Seifenaborti bezeichnet. Dabei werden durch Einspritzen der Flüssigkeit Kontraktionen der Gebärmutter ausgelöst, die ebenfalls eine Fehlgeburt zur Folge haben. Diese Methode ist ausgesprochen schmerzhaft und unter Umständen sehr langwierig
Die Durchführung einer Schwangerschaftsunterbrechung ist aus medizinischer Sicht nur bis zum dritten Schwangerschaftsmonat vertretbar. Später, nur bei akuter Lebensgefahr für die Mutter, wieder ab dem 6. Schwangerschaftsmonat. In der Zwischenzeit ist ein Eingriff nicht möglich, da in dieser kritischen
Phase der Schwangerschaft das Leben der Mutter stark gefährdet wäre. Die hygienischen Verhältnisse müssen einwandfrei sein. Da in einem solchen Lager die Verhältnisse eine medizinisch richtige Behandlung ausschließen, riskiert der Arzt bei jedem Eingriff das Leben der Frauen!
Die Durchführung unsachgemäßer Eingriffe hat verheerende Folgen für Leib und Seele der Betroffenen.
In erster Linie besteht rein physiologisch erhöhte Infektionsgefahr, die entweder die Unfruchtbarkeit der Frau oder ihren Tod zur Folge hat. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Frauen in der Folgezeit unter sehr starken Schmerzen zu leiden hatten.
Die durch Blutverlust auftretenden Schwächungen sowie Infektionen machten die Frauen für Krankheiten besonders anfällig.
Die psychischen Auswirkungen sind im einzelnen nicht vorstellbar.