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Pirna |
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Deutschland, Bundesland Sachsen, Direktionsbezirk Dresden, Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
Pirna ist eine Große Kreisstadt und Verwaltungssitz des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und der Verwaltungsgemeinschaft Pirna im Freistaat Sachsen, Direktionsbezirk Dresden. Pirna liegt am oberen Beginn der Elbtalweitung, wo die Wesenitz von Norden und die Gottleuba von Süden in die Elbe münden. Es liegt an der schollentektonischen Nahtstelle von Erzgebirge und Westsudeten, die sich nach Westen zum Grabenbruch des Elbtalkessels weitet.
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Nationalsozialismus |
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1928 wurde Prof. Dr. Hermann Paul Nitsche zum Direktor der auf über 700 Patienten angewachsenen Heilanstalt Sonnenstein berufen. Mit seinem Antritt begann die systematische Ausgrenzung der chronisch psychisch kranken Menschen. Als Befürworter der nationalsozialistischen Rassenhygiene und Euthanasie setzte er Zwangssterilisationen, fragwürdige Zwangsheilbehandlungen und Verpflegungssparrationierungen gegen erbkranke Patienten durch. Im Herbst 1939 wurde die Anstalt geschlossen und als Reservelazarett und Umsiedlerlager eingerichtet. Berüchtigt wurde die Anlage durch ihren Einsatz im Rahmen der Aktion T4, als unter der Leitung des Arztes Horst Schumann in Pirna von Juni 1940 bis August 1941 13.720 Patienten sowie mehr als 1.000 KZ-Häftlinge vergast wurden. Die meisten Euthanasie-Opfer stammten aus psychiatrischen Anstalten, Heimen für geistig behinderte Menschen sowie Alters- und Pflegeheimen. In den Zeiten des Hochbetriebs wurden bis zu 100 Menschen pro Arbeitstag vergast. In der Pirnaer Bevölkerung kursierten trotz strengster Geheimhaltung in der Tötungsanstalt Gerüchte über die Krankenmorde. Dass die damalige Bevölkerung darüber schwieg, mag mit passiver Akzeptanz und diffuser Angst vor Sanktionen zusammengehangen haben. In Pirna wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 vier jüdische Geschäfte zerstört. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, vom Januar bis Mai 1945, wurden im Außenlager Mockethal/Zatzschke des KZ Flossenbürg über 1.000 Häftlinge zur Zwangsarbeit für die Deutsche Gasolin beim Ausbau unterirdischer Treibstofferzeugungsanlagen (Dachs VII) im Gebiet der Alten Post bzw. für die HASAG im oberirdischen Mineralölwerk Herrenleite (Carnallit) eingesetzt
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09./10.11.1938 Pogrom |
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In der Nacht vom 9. zum 10. November brach auch in Pirna der von Goebbels inszenierte "spontane Volkszorn" aus.
Zeitzeugin: Esra Jurmann "Ich ging am 10. November 1938, nachdem ich der Schule verwiesen wurde, in das Geschäft meines Vaters. Am Morgen, als ich in die Schule kam, bekam ich 'Blicke', neugierig, interessiert, anders als sonst. Als Herr Gulemann, der Klassenlehrer, mich nach Hause schickte, wußte ich, dass etwas Außerordentliches geschehen war. Was, wußte ich nicht. Ich überhörte ein Geflüster, irgendetwas mit 'der Laden'. Meine 'Beurlaubung' war einfach, dass Herr Gulemann mir sagte, ich könne nach Hause gehen und mir einen Brief für meinen Vater mitgab. Als ich die Schloßstraße hinunterging, sah ich, außer einer Menschenmenge bei unserem Geschäft, nichts. Als ich dann über den Markt ging und näher am Laden war, sah ich die zertrümmerten Scheiben. Meine Eltern waren im Geschäft. Die Menschen gafften und sagten nichts. Man erkannte mich und machte mir Platz, damit ich durchkam. Mein Vater war die Ruhe selbst. Er schickte mich zu Taggesell, dem Fleischer nebenan und gab mir Geld, damit ich dort nach Herzenslust Wiener Würstchen verspeisen konnte. Damit war ich aus dem Weg. Am Abend fuhr ich mit Weiners, vom Geschäft gegenüber, nach Dresden. Das Weinersche Geschäft war auch zerstört."
Zeitzeugin: Ursula Wellemin, geb. Heß "Es wurde uns gesagt, dass... sich ein Pöbel an dem Pirnaer Markt versammelte und dass die Versammelten von Reden gegen uns angespornt wurden. Diese Menge von Leuten bestand hauptsächlich aus einem Kontingent von SA. Diese kamen aus der Stadt Wehlen, wo wir ganz unbekannt waren (d.h. sie wurden aus Wehlen geschickt). Später an dem Tag (nachdem mein Vater abgeholt worden war) stürmte der Pöbel - mehrere Hundert - unser Haus, Postweg 64, nachdem sie Ziegelsteine durch das Fenster geworfen hatten. Sie machten viel Schaden (Flügel, Bilder), schütteten Tinte auf Bettücher etc. Wir versteckten uns auf der Treppe, die in den Keller und zu den Büros führte und schlossen die Tür zu der Halle im Haus zu (die man nicht gut von der Halle aus sah). Es wurde nicht versucht, die Büros zu stürmen... Wir flüchteten durch das Büro und den Garten in eine Taxe, die uns nach Dresden zu unserer Großmutter fuhr."
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11.11.1938 |
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Pirnaer Anzeiger "In Pirna machte sich der Zorn gegen die Mordjuden ebenfalls in verschiedenen Aktionen Luft. Unter anderem wurden die Scheiben jüdischer Geschäfte zertrümmert und einige Juden in Schutzhaft genommen. Am Donnerstag fand auf dem Markt eine Kundgebung statt, in der Pg. Hugo Müller scharfe Worte gegen die Juden richtete. Im Anschluss daran zog man vor jüdische Kaufhäuser."
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27.02.1939 |
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Am 27.02.1939 erfolgt per Gesetz des Landeskirchenrats der Ausschluss von Juden aus der Evangelischen Kirche Sachsens.
Im Herbst 1941 verfügt die Kirchenleitung Sachsens, an den Kirchen Tafeln mit der Aufschrift anzubringen: "Trägern des Judensterns ist der Zutritt verboten." Dem folgt am 17.12.1941 die Bekanntmachung über die kirchliche Stellung evangelischer Juden. Nach ihr ist "jegliche Gemeinschaft mit Judenchristen aufgehoben...Rassejüdische Christen haben in einer deutschen Evangelischen Kirche keinen Raum und kein Recht."
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27.01.1945 |
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Am 27.01.1945 gegen 13 Uhr erfährt der Eisenbahnoberinspektor Herbert D. von einem Sonderzug mit jüdischen KZ-Häftlingen, der aus dem Protektorat (Böhmen und Mähren) in Richtung Dresden verkehre. Aus diesem Zug würden unterwegs tote Häftlinge herausgeworfen. Er wäre schon einige Tage unterwegs und die Häftlinge infolge der Strapazen sehr geschwächt. D. ordnet die "beschleunigte Weiterleitung des Zuges an, dessen Ziel Oranienburg bei Berlin" ist, wie er vom Bahnhof Bodenbach informiert wird. Gegen 16 Uhr durchfährt er den Bahnhof Pirna und legt in Heidenau-Süd einen Zwischenhalt ein, wobei die Lokomotive gewechselt wird. Dort sollte auch Verpflegung verteilt werden, die jedoch nicht eingetroffen war. So erhalten die noch Lebenden lediglich warmes Wasser.
D., der den Zug bei der Durchfahrt beobachtete, gab zu Protokoll: "Der Zug bestand aus etwa 50 offenen und einem gedeckten Güterwagen. Die Häftlinge waren etwa zu 50 Mann in jedem Wagen untergebracht. Zum Schutz (gegen ) Kälte hatten sie ihre Decken umgehangen. Unter den Häftlingen befanden sich auch mehrere Frauen. Wie ich gesehen habe, befand sich auf jedem 10. oder 12. Wagen ein SS-Mann." D. erhält die Mitteilung, dass an der Strecke zwischen Mittelgrund und Pirna 17 Tote aus dem Zug geworfen worden sind. Er ordnet an, dass der in Außig eingesetzte Sondergüterzug, der die Leichen zwischen Lobositz und Bodenbach einsammelte, nach Pirna weiterfährt und dabei auch die Toten auf der Strecke bis zum Pirnaer Bahnhof aufnimmt.
Dieser 3 Waggons starke Zug mit insgesamt 73 Leichen, einige von anderen Zügen inzwischen zerstückelt, trifft am Sonntag, dem 28.01.1945, gegen 16 Uhr, in Pirna ein. Friedhofswärter W., Bestattungsordner W., die Polizeidienststelle und der Superintendent waren unterdessen verständigt worden.
Die Reichsbahn stellte zum Einsammeln der Leichen sowjetische Kriegsgefangene ab. Acht von ihnen waren abkommandiert, um auf dem Friedhof ein Massengrab in den gefrorenen Boden zu hacken und auszuheben. Es war mit 5 m Länge und 1,80 m Tiefe zu gering bemessen, weil ursprünglich nur von ca. 35 Leichen die Rede war. So musste dichter in drei Lagen gestapelt werden. Die Toten waren völlig unterernährt und steif gefroren, trugen Häftlingskleidung, vielfach "fast zerlumpt und zum Teil fast völlig entblößt". Keiner hatte Ausweise oder sonstige Papiere bei sich. Niemand konnte identifiziert werden.
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17.02.1945 |
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"Am 17.2.1945, nachmittags gegen 15 Uhr, erschien vor dem Grundstück Schmiedestr. 8, Städt. Obdachlosenheim, ein Tafelwagen, der mit einer Plane überdeckt war. Der Begleiter dieses Fahrzeuges, den ich nicht kenne, erklärte, dass er mir eine Person, eine Jüdin Anna Steiner mit einem Kinde, welches am selben Tage früh 6 Uhr in einer Scheune in Zehista geboren worden sei, zuführen müßte. In Begleitung befand sich noch die Schwester der Kindesmutter, Inka Klinger, außerdem lag auf dem Tafelwagen noch eine schwer lungenkranke Person, die Jüdin Rachella Grünbaum.
(Anmerkung: Rachela Grünbaum, Alice (Inka) Klinger und Anna Steiner gelangten mit einem "Evakuierungstransport" aus einem der Nebenlager des KZ Groß-Rosen in Schlesien, und zwar aus Neusalz (Nowasól), nach Pirna. Sie hatten zu dieser Zeit bereits einen mehrwöchigen Fußmarsch hinter sich, bei dem zahlreiche Häftlingsfrauen den Tod fanden. In der Scheune des Bauern Zumpe in Zehista gebar Anna Steiner am 17.02.1945 ihren Sohn).
Der Gesundheitszustand der Letzteren war so, dass ich sie sofort in einem Bett unterbringen musste. Am folgenden Freitag, den 23.2.1945, war für Letztere ärztliche Hilfe dringend nötig. Ich rief Dr. Streitberger an, der baldigst zur Stelle war und alle drei Personen untersuchte. Er erklärte mir, dass ärztliche Hilfe für die Lungenkranke notwendig sei, zuständig aber sei Frau Dr. Peintker. Auf telefonischen Anruf bei Frau Dr. Peintker erklärte sie mir, dass sie Jüdinnen nicht behandele. Hiervon habe ich Dr. Streitberger in Kenntnis gesetzt, der mir schon vorher erklärt hatte, dass im Falle Frau Dr. Peintker ablehnen sollte, er die Behandlung übernehmen werde, was er dann auch getan hat. Der Zustand der Lungenkranken verschlechterte sich bis zum Abend noch so, dass sie um 20 Uhr abends verstarb. Die verstorbene Grünbaum ist dann am nächsten Tag nach dem Friedhof Pirna gebracht worden."
"Marschbefehl
für die Protektoratsangehörigen K l i n g e r, Alice, geb. 4.3.1922 in Prag, Dentistin Steier, Anna, geb. 13.5.1911 in Lettetsch, Beamtin Steier, Irmas, geb. 18.2.45 in Zehista. Die Genannten sind von einem Transport abgekommen. Sie sind angewiesen, nach Prag zu reisen und sich bei der zuständigen Behörde zu melden. Sie sind berechtigt die Eisenbahn zu benutzen und haben Verpflegung bis 26.4.45 erhalten.
Pirna, am 24. April 1945 (Richter) (Schutzpolizeimeister d. Schp.)
Anmerkung: Alle drei haben überlebt. Alice oder Inka Klinger und Anna Steiner (und nicht Steier, wie es im Marschbefehl heißt) waren nicht Schwestern, sondern gaben es nur vor. Der in Zehista Geborene heißt nicht Irmas, sondern Thomas. Dessen Geburtstag muß mindestens bereits der 17.2. gewesen sein, wie es aus dem Bericht des Fronfesten-Verwalters hervorgeht. Die Fehler im Marschbefehl sind nicht erklärbar. Vermutet werden könnte, daß die drei zwischen dem 17.02. und 24.04.1945 in der Fronfeste untergebracht waren. Ob sie und wie sie ihre jüdische Identität verborgen haben oder ob der Verwalter der Fronfeste das besorgte, ist nicht bekannt. Als Jüdinnen konnten sie zu dieser Zeit auf keinen Fall allein per Bahn von Pirna nach Prag reisen. Ob der Schutzpolizeimeister Richter genauere Kenntnis der Zusammenhänge aufwies, bleibt gleichfalls verborgen. Zumindest ahnen konnte er es. Alice Klinger und Anna Steiner waren Prager Jüdinnen. Thomas Steiner, inzwischen 60 Jahre alt, lebt in den USA.
Quelle: Dr. Hans Brenner, Zschopau Sächsische Heimatblätter
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Mitbürger der Gemeinde die hier geboren oder gelebt haben und zwischen 1933 bis 1945 verfolgt, deportiert sowie zu schaden gekommen sind
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Schaefer Rosa geb. Ikenberg * 13.11.1889 Pirna
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Dresden Sachsen, Direktionsbezirk Dresden, Kreisfreie Stadt Dresden . Deportiert 02.03.1943 ab Paderborn - Hannover - Erfurt – Dresden- Vernichtungslager Auschwitz Birkenau zugestiegen 02. März 1943 abends Güterbahnhof Dresden-Neustadt
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