Köster Fritz-Johann

SA-Obersturmbannführer

geb.:
1906

+ 1993

kaufmännischer Angestellter

1932
SA-Eintritt

1933
NSDAP-Eintritt

1934-1939
Bürgermeister in Lesum, anschließend in der Bremer Verwaltung;

1943
Oberreg.Rat, zuletzt Vertreter des Bausenators

1944
SA-Obersturmbannführer

1947-1953
inhaftiert, danach bei der Horten AG in Düsseldorf, in den 1970er Jahren Berater der Lürssen-Werft.

SA-Männer aus Lesum erschießen in der Nacht vom 09. zum 10. November
1938 drei Juden in ihren Wohnungen.
In der Nacht vom 09. zum 10. November 1938 wurden in Lesum bzw. Platjenwerbe
das jüdische Ehepaar Goldberg und der jüdische Elektriker Sinasohn in ihren
Wohnungen erschossen. Sinasohn wurde nach der Erschießung vergraben. Die
Handlungen geschahen anlässlich der Massnahmen gegen die Juden nach dem Tod
des Gesandtschaftsrates vom Rath.
Die Ausführenden waren im Falle Goldberg der SA-Scharführer Frühling, im Falle
Sinasohn der SA-Rottenführer Mahlstedt. Beide legten, zur Verantwortung gezogen,
dar, über den Obersturmführer Jahns bzw. den Obertruppführer Harder von
dem Sturmhauptführer Köster den Befehl zur Erschießung der Juden Goldberg und
Sinasohn und zur Beiseiteschaffung des Sinasohn empfangen zu haben.

Tatvorgang:
Sturmhauptführer Köster, Bürgermeister der Stadt Lesum, wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 um etwa ½ 4 Uhr durch das Telefon geweckt. Sein Hausmeister, der ihn angerufen hat, teilte ihm mit, dass die Standarte 411 ihn zu sprechen wünsche. Auf der Standarte meldete sich ein Truppführer Seggermann. Es entwickelte sich folgendes Gespräch: Hier Standarte 411. Am Telefon Truppführer Seggermann. Haben Sie schon Befehl? Köster: Nein. Seggermann: Grossalarm der SA. In ganz Deutschland. Vergeltungsmassnahmen für den Tod vom Rath. Wenn der Abend kommt, darf es keine Juden mehr in Deutschland geben. Auch die Judengeschäfte sind zu vernichten. Sturmbannführer Roeschmann ist zu benachrichtigen.
Köster hat den ganzen Befehl wiederholt und, überrascht durch den Inhalt des Mitgeteilten, nach der Wiederholung des Befehls noch einmal gefragt: Was soll denn tatsächlich mit den Juden geschehen?, worauf ihm von Seggermann die Antwort wurde: Vernichten! Auf die weitere Frage von Köster, ob Sturmbannführer Roeschmann sich noch eine Bestätigung des Befehls holen solle, gab Seggermann die weitere Antwort: Nein, handeln!
Köster begab sich darauf zu dem Haus von Roeschmann, weckte ihn und teilte ihm den von der Standarte durch Seggermann erhaltenen Befehl mit. Wegen der Bedeutung des Befehls wurden beide sich einig, sich eine Bestätigung bei der Gruppe zu holen. Roeschmann telefonierte deshalb in Gegenwart von Köster auf der SA-Dienststelle mit der Gruppe. Dort meldete sich in vorübergehender, durch die Ereignisse bedingter Abwesenheit des Stabsführers Oberführer Römpagel, der Sturmführer vom Dienst Gross. Roeschmann, der den erhaltenen Befehl am Fernsprecher nicht durchgeben wollte, sagte, als Gross sich meldete, lediglich: Ich habe hier so einen verrückten Befehl; hat das mit dem seine Richtigkeit?, worauf ihm Gross antwortete: Jawohl, in Bremen ist schon die Nacht der langen Messer in Gange. Die Synagoge brennt bereits. Auf die Frage Roeschmanns: Ist das amtlich?, antwortete Gross: Das ist amtlich. Köster, der Roeschmann bei dem Telefongespräch am Tisch gegenüber sass, wollte Klarheit. Als er diese aus dem, was Roeschmann am Apparat zunächst sprach und fragte, nicht zu ersehen glaubte, schlug er, um sich verständlich zu machen und seiner Frage Nachdruck zu verleihen, während des Gesprächs mit der Faust auf den Tisch und sagte unter Anspielung auf die Worte Seggermanns zu Roeschmann: Was heißt vernichten?, worauf ihm Roeschmann wiederholte: In Bremen ist bereits die Nacht der langen Messer im Gange und das Gespräch beendend antwortete: Ja, Fritz, es ist so, wir müssen handeln.
Röschmann und Köster haben das von Gross Gesagte als eine Bestätigung des Befehls der Standarte aufgefasst, also die Nacht der langen Messer auf die Beseitigung der Juden bezogen. Sie haben es nach ihren Aussagen umso mehr als eine Bestätigung des Befehls der Standarte angesehen, als kurz vor dem Gespräch mit der Gruppe die Polizeistation Vegesack die SA-Dienststelle angerufen und ihr mitgeteilt hatte, dass ein Sturmführer Weber unterwegs sei, einen von Vegesack nach Blumenthal, einem Nachbarort, geflüchteten Juden abzuholen. Sowohl Roeschmann als auch Köster erteilten sodann an ihre Männer in der Gewissheit, dass ein solcher Befehl nur im Einverständnis mit den höchsten Stellen gegeben werde, im Innern erschüttert, entsprechende Befehle, wobei Köster, als ihn der Obertruppführer Harder im Falle Sinasohn bei der Befehlsausgabe noch einmal fragte, was denn nun getan werden solle, antwortete: Vernichten, verschwinden lassen.
Die Worte verschwinden lassen, die nach der Meinung Kösters nur ein weiterer Ausdruck für vernichten sein sollten, fasste Harder wörtlich auf, so dass nach der Erschiessung des Sinasohn durch Mahlstedt der Erschossene von Harder und seinen Leuten auf einer Weide begraben wurde. Köster selbst ging mit einem seiner Truppführer zu der jüdischen Familie Hartog verhaftete sie und fuhr sie mit seinem Wagen auf freies Feld, um sie zu erschiessen. Er brachte die Erschiessung jedoch ebensowenig wie sein Truppführer über sich, sondern liess die Juden auf dem Feld unter Abgabe eines Schreckschusses laufen.


Hartog Isaak führte mit seinem Vater das Ritterhuder Textilgeschäft. Im Juni 1920 verhandelten beide mit den örtlichen USPD- und KPD-Vorsitzenden, um Plünderungen im Zuge der sog. Teuerungskrawalle abzuwenden, die an vielen Orten entlang der Unterweser und später ganz Deutschlands ausgebrochen waren. Nach dem Tode des Vaters führten Hartog Isaak und seine Frau Paula das elterliche Textilgeschäft weiter, in den 1930er-Jahren wohnten sie in Ritterhude Nr. 302. 1936 wurde Hartog Vorsteher der Jüdischen Gemeinde Scharmbeck. In der sog. Reichspogromnacht wurde die Familie von SA-Männern unter Sturmhauptführer Fritz-Johann Köster, dem damaligen Bürgermeister von Lesum, verhaftet und mit dessen Wagen zur Erschießung auf freies Feld gebracht.