Rivesaltes (Lager für Familienzusammenführung)

Lager für Familienzusammenführung


Bezeichnung:Militärisches Transitslager für die spanischen Flüchtlinge und für die Brigadisten. Wird zum bewachten Unterbringungszentrum und dann zum Zentrum für Familienzusammenführung und schließlich ab August 1942 zum regionalen Sammelzentrum für Israeliten.

Gebiet:Département Pyrénées Orientales, auf dem Gemeindegebiet von Salses und Rivesaltes

Eröffnung: 14.01.1941
Schließung: 21.11.1942

Deportationen:

Häftlinge:
spanische Flüchtlinge, ausländische Juden, mittellose Nomaden, französische Juden und französische politische Gegner

Geschlecht: Frauen, Männer und Kinder

Einsatz der Häftlinge bei:

Art der Arbeit:

Bemerkungen:
Baubeginn am 10. Dezember 1940
Größe: 600 Hektar
Aufnahmekapazität: 15000 bis 18000 Personen


Entstehung des Lagers

Am 10. August 1940 stellt das Innenministerium dem Präfekten des Departements Pyrénées-Orientales das Militärlager Joffre zur Verfügung, das 1938 in den Gemeinden von Salses und Rivesaltes gebaut worden war.

Am 14. Januar 1941 wird das Sammellager für Flüchtlinge eröffnet.

Das Lager ist 13 Hektar groß.
Es besteht aus 16 kleinen Blöcken zu 150 Baracken aus Asbestzement und Ziegeln.
17.000 bis 18.000 Personen sollten dort untergebracht werden können.

Ca. 15 Kilometer von Perpignan entfernt in einem trockenen Tal gelegen, wo gewaltige Winde über die Region fegen, ist das Lager schon bei seiner Einrichtung wegen seiner klimatischen Härte nicht geeignet, um ausreichende Strukturen anzubieten, die den Internierten einen Aufenthalt unter akzeptablen Bedingungen erlauben würden. Im Lager, das schon von der lokalen Bevölkerung im Dezember 1940 die Sahara Südfrankreichs genannt wurde, fehlen Vegetation sowie Sanitäre Anlagen, Nahrungs- und Humanressourcen.


Die Verwaltung des Lagers

Die Verwaltung des Lagers ist inadäquat.
Ein Bericht des IKRK aus dem Jahre 1941 stellt den unangenehmen Eindruck einer fehlenden Gesamtleitung fest, die den Untergebenen eine zu große Handlungsfreiheit lässt. Das Aufsichtspersonal wird für mehrheitlich ungeeignet erachtet. Die Blockleiter zeichnen sich durch Brutalität und Amoralität aus.
Unter den Aufsehern herrscht Antisemitismus: Sie erlauben es sich, den Israeliten dieselben Rechte wie die der arischen Internierten zu entziehen

Die Lagerverwaltung nimmt das jüdische Osterfest zum Vorwand, um die Israeliten in den Block K zu verlegen: Sie sollen koschere Nahrung erhalten. Die Lebensbedingungen im Block K sind noch schlechter als im Rest des Lagers: Ungeziefer, baufällige Baracken, kein Strom.
Später werden im Block F3 die bei den Razzien des 26. August 1942 festgenommenen Juden zusammengepfercht werden.

Die Mängel in der Lagerverwaltung werden noch schlimmer, als die Nahrungssituation schnell beunruhigend wird. Die Internierten sind die letzte Priorität der französischen Regierung, was die allgemeine Ernährung der Bevölkerung betrifft. In der Prioritätenliste bei der Versorgung kommen zuerst die Armee, dann die Krankenhäuser und die Zivilbevölkerung. Die schon schwierigen Bedingungen werden sich noch verschlimmern, nachdem die Verwaltung des Lagers absichtlich entscheidet, nur ein Fünftel der 11,50 Francs der täglichen Nahrungszuwendung auszugeben, die von der Regierung für jeden Internierten vorgesehen sind. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz stellt fest dass eine echte Hungersnot in einigen Lagern herrscht. Wir haben in Rivesaltes Kinder gesehen, die an einem derartigen Grad an Unterernährung und Athrepsie leiden, wie man ihn seit vielen Jahren in Europa nicht mehr gesehen hat.

Um dieser Situation abzuhelfen, lassen sich zahlreiche Hilfsorganisationen im Lager nieder. Obwohl ihre Aktionsmöglichkeiten von den Behörden an Ort und Stelle extrem eingeschränkt werden, ist die Unterstützung, die sie den Flüchtlingen gewähren, lebensnotwendig. Jeder Block hat ein Krankenrevier mit einem Arzt, der aus der internierten Bevölkerung stammt, dazu noch zwei oder drei Krankenschwestern. Im Block K sind der Gesundheitsdienst, die Schweizer Hilfe, die Quaker, die OSE, das SSE l’ORT und das YMCA zu finden. Im Block J befindet sich der Sitz des Gesundheitsdienstes (Baracke 65) und die Fachärzte (Baracke 56).
Im Block Q sind alle Leitungen der Abteilungen, des Transports und der Post zusammengefasst.


Kinder(lager)

Die Säuglinge leiden am meisten unter dem Mangel an Pflege und dem Elend im Lager. Allein im Block B, dessen Baracken als echte Viehkäfige beschrieben werden, sterben zwischen März und Juli 1941 30 Personen: 31% davon sind Kinder, von denen die meisten weniger als ein Jahr alt sind und an einer infektiösen Magen-Darm-Entzündungsepidemie leiden.

Die Mücken, die das Lager heimsuchen, sind auch für eine endemische Malaria verantwortlich.

Eva Lang, die zehn Jahre alt war, als sie mit ihrer gesamten Familie in Rivesaltes ankam, beschreibt die Atmosphäre im Lager:
Es fehlte immer mehr an Nahrung. Man hatte schrecklichen Hunger und rundherum gab es nur Stacheldraht und einige Meter von dort Wachtürme. Alles war grau, Unheil verkündend, ungesund. Der unaufhörliche Lärm des Windes, der zwischen den Baracken blies, mit Steinen bestreuter schlammiger Boden während der Regentage und danach eine trockene Hitze, denn es war noch Sommer.
Die Leute husteten, irrten umher, starben. Ich habe auf dem Oberschenkel eine Narbe eines dicken, eitergefüllten Abszesses, unter dem ich in Rivesaltes gelitten hatte.
Ich war zehn Jahre alt, und ich ging ganz alleine ins Krankenrevier, stellte mich an, damit jemand die Wunde mit Alkohol reinigte. Dabei machten meine Mutter und meine ältere Schwester alles, was sie konnten, um eine gewisse Sauberkeit aufrechtzuerhalten.“

Der Mangel an Wasser und seine schlechte Qualität verschlimmert diese schlechten hygienischen Bedingungen noch weiter. Dies begünstigt die Verbreitung anderer Epidemien wie die Ruhr.

Abgesehen von jenen, die an Kachexie leiden und von den Internierten, die außerhalb des Lagers arbeiten, wurde der Rest der Internierten dennoch gegen das Typhus geimpft, aber die Sterblichkeitsrate bleibt besonders bei den Kindern hoch. Der Bericht das IKRK zieht die Schlussfolgerung, dass es bedauerlich ist, dass mehr als 2.000 Kinder in dem gleichen Lager versammelt worden sind, was dazu beiträgt, Epidemien zu fördern.

In Rivesaltes war nämlich vorgesehen worden, eine Stadt der Kinder zu schaffen. Doktor Limousin sollte die Leitung innehaben. Das Projekt hätte darin bestanden, die Kinder von den Erwachsenen zu trennen, ihnen eine angepasste Ernährung sowie eine bevorzugte medizinische Betreuung zu geben und die Kinder hätten die Möglichkeit gehabt, innerhalb des Lagers unterrichtet zu werden.

Die Lebensbedingungen sind so schrecklich, dass die Verwaltung befürchtet, dass Erwachsene versuchen könnten, unterernährten Kindern die Nährung zu stehlen.

Diese Krankheitshäufigkeit wird sich plötzlich in eine hohe Sterblichkeitsrate umwandeln, als immer mehr Internierte im Lager ankommen.

Im Januar 1941 kommen 1.500 Personen aus dem Lager von Agde an. Am 28. Februar kommen 793 Internierte aus Brens und 1.226 aus Gurs dazu. Unter diesen letzteren befinden sich 570 Kinder unter 16 Jahren. Am 10. März kommen noch 1.160 Nomaden der französischen Internierungslager, die in Rivesaltes interniert werden. Es handelt sich um jüdische Familien, die gemäß dem Gesetz vom 04. Oktober 1940 interniert wurden, um Zigeuner und um Spanier.


Das Ende des Lagers

Sechs Wochen nach der Razzia des Val d' Hiv in Paris werden die Razzien in der Südzone von Vichy organisiert. Rivesaltes wird das Drancy der Südzone.
Mehr als 2.300 festgenommene Juden kommen dorthin, bevor sie nach Drancy geschickt werden.

Die letzte Zeit des Lagers von Rivesaltes ist kennzeichnend für die Veränderung, die das Vichy-Regime im Internierungssystem einleitet. Vom 4. August 1942 bis zur Schließung des Lagers Ende November desselben Jahre werden zwei Blöcke des ehemaligen Lagers für Familienzusammenführung als nationales Sortierzentrum der Südzone und als zentrales Lager für die Abfahrt der Transporte nach Drancy und in die deutschen Lager dienen.

Im Sommer 1942 wurde Rivesaltes zum zentralen Ort der Deportation für die Südzone. Von hier wurden die Juden über das Lager Drancy nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Bis dorthin hat Rivesaltes also schon eine recht komplexe Geschichte. Aber nach November 42 wird das Lager von den deutschen Truppen nach der Besetzung der Südzone als Kaserne benutzt.

Nach der Befreiung wird es ein Lager für Kollaborateure und bald auch für deutsche Kriegsgefangene. Danach fällt es an die französische Armee zurück.

Es beginnt der Algerienkrieg, und die Truppen machen Zwischenstation in Rivesaltes, bevor sie nach Algerien übersetzen.

Dann werden hier die algerischen FLN-Gefangenen eingesperrt. Und schließlich werden dort von 1962 bis 64 mehrere Tausend Harkis untergebracht, das heißt: Algerier, die im Dienst der französischen Armee gestanden hatten und noch rechtzeitig aus Algerien herausgekommen sind. Sie werden hier auf sehr primitive Weise untergebracht.


Wachmanschaft


Häftlinge

Katz Josef Ludwigshafen a. Rhein (Bayern, Regierungsbezirk Pfalz Stadt und Landkreis Ludwigshafen am Rhein)
überstellt von Internierungslager
Gurs (F) überstellt nach Sammellager Drancy (F)

Levy Elsa (geb. Rosenstiel) Mannheim (Land Baden, Landeskommissärbezirk Mannheim Stadt und Landkreis Mannheim) überstellt von Internierungslager Gurs (F) am 26.08.1942 überstellt nach Vernichtungslager Auschwitz

Levy Julius Mannheim (Land Baden, Landeskommissärbezirk Mannheim Stadt und Landkreis Mannheim)
überstellt von Internierungslager
Gurs
am 26.08.1942 überstellt nach Vernichtungslager
Auschwitz