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Aus dem Bericht von Heinrich Reinefeld sen. über seine Erlebnisse im SA-Lokal „Seidler
In der Nacht vom 21. zum 22.6.1933, als Herr Stelling abgeholt wurde, war auch ich mit meinem Sohn rausgeholt worden. Es muß zwischen 11 und 12 Uhr gewesen sein, als unser Besuch uns gerade verlassen hatte. Ich wollte zu Bett gehen und war schon oben. Mein Sohn war mit meiner Frau noch unten, als plötzlich an der Tür gerüttelt wurde. Er machte auf und bekam sofort von einem SA-Mann einen Schlag ins Gesicht. Meine Frau rief mich herbei. Gleich als ich erschien und fragte, was los sei, packte mich ein SA-Mann an der Brust. Ich ließ mir das nicht gefallen, und der SA-Mann fiel. Darauf stürzten gleich noch andere SA-Leute herzu, so daß eine regelrechte Schlägerei in Gang kam. Es waren etwa 12 SA-Leute, die uns überwältigten und auf einen Wagen zerrten. Wir wurden zum Dahlwitzer Platz gefahren, wo wir alle aussteigen und mit hinter dem Kopf verschränkten Armen warten mußten, bis ein Autobus der BVG erschien, der uns zum Lokal Seidler in Uhlenhorst brachte. Wir wurden vom Garten aus in den Saal geschubst und dort geschlagen. Als ich auf die Frage, wie lange ich in der SPD sei, antwortete: 30 Jahre, bekam ich 30 Schläge. Dazu zerrten sie mir die Hosen vom Leib. Geschlagen wurde mit halben Ästen, nicht etwa mit Weidenruten. Ich war halb ohnmächtig, sah aber, daß mein Sohn genauso behandelt wurde. Ich mußte dann am Rand sitzen und sah Gretchen Schmaus, die mir gegenüber saß, damals etwa 12 Jahre alt war, und von den SA-Leuten auf das Gemeinste beschimpft wurde. Etwa 150–200 SA-Leute waren im Saal. Diese SA-Leute lösten sich im Schlagen ab. Ich habe dort auch gesehen, wie Herr Stelling gebracht wurde. Er kam allein in den Saal. Ich kannte ihn schon von Hamburg her und wußte, daß er Ministerpräsident in Schwerin gewesen war. Auch ihm wurden die Hosen heruntergerissen, und er wurde genauso verprügelt wie alle anderen. Er wurde dann aber an eine Seite gebracht und dort für sich allein hingesetzt. Gegen Morgen, als es hell wurde, brachte man uns zum Gefängnis
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